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Bad Kissingen
Lehrreiche Jahre auf der Walz
Als er vor viereinhalb Jahren in Hausen startete, wusste er nicht, was ihn erwarten würde. Jetzt ist Geselle Manuel Brünner zurück und hat viel zu erzählen.
Manuel Brünner war viereinhalb Jahre auf der Walz. Sie begann im 'Rhön  Adler' im Kissinger Stadtteil Hausen und endete dort auch wieder.  Brünner       -  Manuel Brünner war viereinhalb Jahre auf der Walz. Sie begann im 'Rhön  Adler' im Kissinger Stadtteil Hausen und endete dort auch wieder.  Brünner
| Manuel Brünner war viereinhalb Jahre auf der Walz. Sie begann im "Rhön Adler" im Kissinger Stadtteil Hausen und endete dort auch wieder. Brünner
Dieter Britz
 |  aktualisiert: 18.08.2022 16:20 Uhr

"Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was verzählen" dichtete Matthias Claudius (1740-1815). Er hat recht damit. Vor viereinhalb Jahren startete der Bau- und Kunstschlosser-Geselle Manuel Brünner von der Wanderherberge "Rhön Adler" im Bad Kissinger Stadtteil Hausen aus seine Wanderschaft, die ihn in mehrere europäische Länder, nach Vorderasien und nach Afrika führte. Jetzt kehrte er dorthin zurück und hat natürlich viel zu erzählen. Einen Tag nach seiner Rückkehr wurde, ebenfalls vom "Rhön Adler" aus, der 22-jährige Spenglergeselle Carl Tillier von vielen Gesellen, seinen Eltern und Freunden auf die Walz verabschiedet. Sie muss mindestens drei Jahre und einen Tag dauern. In dieser Zeit darf der Wandergeselle seinem Heimatort nicht näher als 50 Kilometer kommen, von ernsten Notfällen natürlich abgesehen.

Manuel Brünner (25) ist rechtsschaffend fremder Bau- und Kunstschlosser. Er stammt aus Breitbrunn (Landkreis Haßberge), wohnt aber jetzt in Bamberg. Nachdem er seine dreieinhalbjährige Berufsausbildung mit der Gesellenprüfung abgeschlossen hatte, zog es ihn in die weite Welt. Das Gasthaus "Rhön Adler" in Bad Kissingen ist gleichzeitig Herberge für Gesellen auf Wanderschaft und Treffpunkt für einheimische Gesellen, die hier ihren Stammtisch haben.

Von hier aus startete Manuel Brünner. "Es trieb mich nach Italien, Frankreich, Luxemburg, Lichtenstein, Belgien, Niederlande, Irland, Schottland, England, Malta, Spanien, Dänemark, Schweden, Tschechien, Polen, Österreich, Schweiz, Finnland, Estland, Lettland, Litauen, Ruanda, Israel, Palästina", zählt er stolz auf. Gesellen auf Wanderschaft sollen zu Fuß unterwegs sein oder trampen, jedenfalls darf die Fortbewegung nichts kosten. Den Flug nach Ruanda zahlte die Organisation, die ihn für die Arbeit in einem Waisen-Dorf angeheuert hat.

Fachkräfte sind gesucht

Auch in Deutschland war er viel unterwegs. "Gearbeitet habe ich ihn der Lüneburger Heide , auf Sylt, in Hamburg, im Sauerland, im Allgäu, in Frankfurt (Oder), in der Pfalz, in der Eifel, in Gießen, Fulda, Freiburg, Kiel auf Husum usw.", zählt Brünner auf. Arbeit zu bekommen, war nie schwer, denn Fachkräfte wie er sind gesucht. Und natürlich kann er, so wie Matthias Claudius es sagt, auch etwas erzählen.

Sein "größtes Abenteuer " bestand er in Israel. In einem Kibbuz sollte er für einen primitiven Schlafplatz in einem Zelt 30 Euro bezahlen. Das war ihm zu viel, und er beschloss, die Nacht im Freien vor den Toren zu verbringen. Eigentlich ist das nichts Besonderes für einen zünftigen Wandergesellen. Doch als um ihn herum plötzlich Wölfe heulten, wurde ihm mulmig und er beschloss, doch lieber ins Kibbuz zurückzugehen. Das war aus Sicherheitsgründen aber inzwischen geschlossen und er musste im Freien bleiben. Er hat dieses, sein "größtes Abenteuer ", unbeschadet überstanden.

In der Wanderherberge "Rhön Adler" wurde er von anderen Gesellen, die gerade auf Wanderschaft sind oder früher einmal waren und natürlich von vielen Freunden und Verwandten sehr herzlich empfangen und musste erst einmal erzählen, was er so alles erlebt hat. Am Tag darauf startete vom "Rhön Adler" aus der 22-jährige Spengler Carl Tillier, der seit drei Jahren Geselle ist, seine Walz. Zunächst wollte er in Richtung München trampen. Auch er betont: "Wir zahlen kein Geld für Transportmittel." Die Weste, die er auch während der Arbeit trägt, hat acht Knöpfe für acht Stunden Arbeit pro Tag, während die sechs Knöpfe seiner Jacke sechs Arbeitstage pro Woche symbolisieren. Zu seinem Abschied waren auch sein Vater und seine Mutter aus Goldbach im Landkreis Aschaffenburg gekommen.

Den Horizont erweitern

Warum geht er auf die Walz? "Ich will mich handwerklich weiterbilden, meinen Horizont erweitern und menschlich viele Kontakte schließen" sagt er. Viel hat er nicht dabei: Arbeitskleidung , Schlafsack, etwas Wäsche zum Wechseln. Eingewickelt wird alles in eine Stoffrolle. Sowohl das etwa 80 mal 80 Zentimeter große Tuch selbst als auch die Rolle samt Inhalt werden Charlottenburger, Charlie oder Berliner genannt. Verpönt ist es bei den Wandergesellen, ein Smartphone oder Handy auf der Walz mitzunehmen. "Ich suche mir immer eine Arbeit, wo ich mich weiterbilden kann", sagt er. Maximal sechs Monate darf er in einem Betrieb bleiben, muss bei mindestens sieben Meistern arbeiten und alles in einem Buch festhalten.

Auch Frauen ziehen los

Er ist überzeugt: "Das wird sicher eine schöne Zeit." Carl Tillier kennt sich aus in Sachen Walz und erzählt, dass inzwischen auch viele Frauen auf Wanderschaft gehen. Die Zahl der Wandergesellen ist in den letzten Jahren wieder etwas gestiegen. In früheren Zeiten musste jeder Geselle, der die Meisterprüfung abgelegen wollte, Wanderjahre nachweisen.

Auch Dieter Göbel, Wirt im "Rhön Adler", war einst als Steinmetz auf der Walz und kam dabei in viele Länder. Im Jahr 2009 machte er den Betrieb zur Herberge für Wandergesellen. Das Wirtshausschild weist darauf hin, dass hier eine Herberge der "Gesellschaft der rechtsschaffend fremden und einheimischen Mauer und Steinhauer" ist. Aber auch andere Wandergesellen sind natürlich willkommen. Herbergen für Gesellen auf Wanderschaft gibt es in ganz Deutschland. Oft kommen sie auch in Jugendherbergen oder bei ihren Meistern, die ihnen Arbeit geben, unter. Manchmal tut es auch eine Scheune. Dieter Göbel räumt übrigens im Gespräch mit unserem Mitarbeiter mit einem "Märchen", wie er es nennt, auf: Es hieß, die Gesellen hätten am Ohr einen goldenen Ring getragen, damit die Kosten für ihre Beerdigung bezahlt werden können, wenn sie unterwegs sterben. "Überlegen Sie mal, ein Geselle mit einem goldenen Ohrring wäre nie aus einem finsteren Wald lebend heraus gekommen", schmunzelte er.

 
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