
Thomas Porkristl ist erleichtert: Der Leiter der Hammelburger Lebenshilfe-Werkstatt hat zum einen den Umzug der rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und des Personals hinter sich, zum anderen ist eine seit rund zehn Jahren geplante Baustelle weitgehend abgeschlossen.
„Innen ist alles fertig, es kann in allen Bereichen gearbeitet werden“, fasst der Maschinenbau-Ingenieur die aktuelle Situation zusammen. Die Restarbeiten an einzelnen Fassaden und an den Wegen würden sich noch einige Monate hinziehen.
Deshalb gebe es auch noch keinen Termin für die offizielle Einweihung. Viel wichtiger ist ihm und seinem Team, dass es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Behinderung gut geht: „Alle freuen sich und haben sich gut eingelebt“, berichtet Heilpädagogin Lina Brust.
Zu Fuß in die neue Werkstatt
Für Maria Müller aus Hammelburg ist es eine Rückkehr in die Berliner Straße. „Früher war ich in einem anderen Gebäude“, erzählt die 35-Jährige, während sie Rahmen für ein neues Produkt zusammensteckt, für das die Lebenshilfe erst vor kurzem den Auftrag übernommen hat.
Jetzt arbeitet Maria Müller in der zur Produktionshalle umgebauten ehemaligen Lagerhalle. Die drei Metallgruppen sind dort untergebracht, sie montieren unter anderem Bremspedale für Nutzfahrzeuge.
Kunden bleiben Geschäftsgeheimnis. Für Maria Müller hat der Umzug zurück in die Berliner Straße einen praktischen Vorteil: Zum Ausweichquartier musste sie mit dem Bus fahren, jetzt kann sie zur Arbeit laufen.
Erst seit einem Jahr bei der Lebenshilfe
Ganz neu ist der Arbeitsplatz in der hellen und warmen Halle für Maximilian Kehl aus Sulzthal: Der 23-Jährige hat erst vor einem Jahr bei der Lebenshilfe in Hammelburg begonnen. „Ich fühle mich wohl hier“, sagt der Mitarbeiter , während er Teile in eine CNC-Fräsmaschine einlegt und die Bearbeitung per Knopfdruck startet.
Für Werkstattleiter Porkristl sind solche Rückmeldungen eine Bestätigung seiner Arbeit: Seit er 2012 nach Hammelburg kam, hat er sich immer wieder mit dem Zustand der Gebäude befasst: Die 1963 erbaute Wäscherei sei so oft umgebaut worden, dass Abriss und Neubau wirtschaftlicher waren.
Auf rund 7,5 Millionen Euro beziffert Porkristl die Kosten für die Modernisierung des Standortes. 20 Prozent müsse die Lebenshilfe selbst aufbringen, der Rest werde von mehreren Stellen bezuschusst. Zum Glück hätten sich die Kostensteigerungen im Rahmen gehalten, Porkristl rechnet mit weniger als zehn Prozent. Nach aktuellem Stand bleiben sämtliche Mehrkosten am Verein hängen.
Die Lebenshilfe Schweinfurt unterhält neben der Werkstatt Hammelburg noch Wohnheime in der Würzburger Straße, in der Seelhausgasse und in Fuchsstadt sowie die Katharinenschule Fuchsstadt.
„Die Werkstatt ist sehr gut gelungen“, freut sich auch Stefan Seufert , der als Vorsitzender des Lebenshilfe-Vereins Hammelburg im Vorstand der Schweinfurter Lebenshilfe sitzt. „Das wertet den Standort Hammelburg ungemein auf.“
9000 Quadratmeter großes Grundstück
Die bis zu 206 Menschen mit Behinderung, die in der Hammelburger Werkstatt arbeiten, kommen aus einem Umfeld von rund 40 Kilometern: bis aus Motten und Teilen der Landkreise Schweinfurt und Main-Spessart sowie bis Bad Kissingen, wo sich die beiden Lebenshilfe Werkstätten in Hammelburg und Nüdlingen die Versorgung teilen.
Porkristl freut sich, dass die neue Werkstatt das rund 9000 Quadratmeter große Grundstück von der Berliner bis zur Würzburger Straße so gut nutzt: Auf allen drei Arbeitsebenen gibt es barrierefreie Ausgänge, die auch als Fluchtwege dienen.
Der verbesserte Brandschutz sowie die Trennung von Personen- und Lieferverkehr würden mehr Sicherheit bringen. Zudem versorgt ein neues Blockheizkraftwerk die Gebäude mit Wärme und Strom.
Ursprung
In Hammelburg gibt es seit mehr als 50 Jahren einen eigenen Lebenshilfe-Verein: Initiator Josef Rauschmann ließ ihn am 3. Oktober 1969 ins Vereinsregister eintragen. Im April 1971 kaufte der Verein eine ehemalige Wäscherei in der Berliner Straße.
Die erste Werkstatt wurde dort im September 1971 eröffnet, es wurden 22 Jugendliche und Erwachsene aufgenommen. Seit Juli 2022 ist Stefan Seufert Vorsitzender des Hammelburger Lebenshilfe-Vereins, dem rund 170 Mitglieder angehören, der aber als Förderverein heute keine eigenen Einrichtungen mehr betreibt.
Übergang
Der Vorstand der Lebenshilfe Hammelburg übertrug die Werkstatt im Juli 1972 der Lebenshilfe Schweinfurt . Die Zahl der betreuten Menschen stieg bis Ende 1973 auf 60, im Jahr 1975 wurde zum ersten Mal angebaut, die Zahl der Mitarbeiter wuchs weiter auf 80.
Weitere 45 Plätze entstanden durch einen Neubau im Jahr 1985, zudem wurden 1988 die Räume einer benachbarten Schlosserei angemietet. In den Jahren 1999 bis 2001 erweiterte die Lebenshilfe die Werkstatt in Hammelburg von damals 125 auf insgesamt 156 Plätze. 2001 wurde der Erweiterungsbau der Werkstatt eingeweiht. Mittlerweile sind 206 Plätze für Menschen mit Behinderung genehmigt.
Ausweichquartiere
Bis zum Umzug Ende 2022 waren die Mitarbeiter der Lebenshilfe auf drei Orte verteilt: Bereits im Jahr 2008 mietete die Lebenshilfe in der Kissinger Straße eine ehemalige Lkw-Werkstatt an. Dort produzierten rund 30 Mitarbeiter der Holz-Abteilung unter anderem Hochsitze und Industrie-Verpackungen.
Nach einer Nutzung als Flüchtlingsunterkunft und dem Verkauf hat die Lebenshilfe das ehemalige BayWa-Gebäude im Gewerbegebiet Thulbafeld im Jahr 2018 für eigene Zwecke umgebaut. Von Mai 2019 bis Dezember 2022 arbeiteten dort rund 140 Menschen mit Behinderung.
Beide Standorte wurden nach dem Umzug in die Kissinger Straße aufgegeben. Gekauft hat die Lebenshilfe Anfang 2020 den ehemaligen Rewe-Markt an der Ziegelhütte. Nach dem Umbau zogen im Oktober 2020 dorthin die drei Metallgruppen mit insgesamt rund 30 Mitarbeitern um. Das Gebäude wird jetzt als Lager genutzt.
Personal
Zur Betreuung der mehr als 200 Menschen mit Behinderung beschäftigt die Lebenshilfe Schweinfurt in Hammelburg rund 50 Mitarbeiter. Die Berufe reichen von Pflegekräften über Heilerzieher bis zu Schreinern, Schlossern und Industriemechanikern mit eine sonderpädagogischer Zusatzausbildung.
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