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Bad Kissingen
Leben mit Long- oder Post-Covid: Das lange Leiden
Von Atemnot bis Fatigue-Syndrom: Rund jeder dritte Covid- 19-Patient leidet noch Monate nach der Infektion an Beschwerden. Dennoch suchen sich nur wenige Hilfe in Reha-Kliniken.
Viele Menschen in Deutschland leiden an Long- oder Post-Covid.       -  Viele Menschen in Deutschland leiden an Long- oder Post-Covid.
Foto: StockPhotoPro, stock.adobe.com / Grafik: Artulina, stock.adobe.com | Viele Menschen in Deutschland leiden an Long- oder Post-Covid.
Benedikt Borst
 |  aktualisiert: 16.08.2022 23:50 Uhr

Lisa Schneider ist eine von mehr als 6,6 Millionen Menschen, die bislang in Deutschland an Covid-19 erkrankt waren. Wie die meisten Patienten hat die 30 Jahre junge Frau die Erkrankung zuhause durchgestanden. "Ich hatte fünf Tage lang sehr hohes Fieber und Atemnot", berichtet sie. Sie leidet an chronischem Asthma. Dass sie einen schwereren Krankheitsverlauf hatte, führt sie auch darauf zurück. Ihre Gesamtverfassung sei schlecht gewesen. Ihre Medikamente schlugen nicht an, sie hatte Bluthusten. Täglich telefonierte sie mit ihrem Lungenfacharzt, hätte sich am liebsten in eine Klinik einliefern lassen. Das war im April diesen Jahres. Richtig gut, geht es ihr bis heute nicht. "Drei Wochen später war ich immer noch richtig platt und erschöpft", erzählt sie.

Die Auswirkungen schränken die Burkardrotherin in ihrem normalen Alltag ein. Zu Singen fällt der Musikerin schwer, Sport vermeidet sie, genauso wie Treppensteigen. "Mir war das lange nicht bewusst. Ich habe mir Ausweichmöglichkeiten gesucht und mir immer Ausreden zurecht gelegt", sagt Schneider. Vier Monate nach der Infektion wurden die Symptome wieder schlimmer. Sie bekam Asthmaanfälle, die Erschöpfungszustände verschlechterten sich. Als sie Herzrasen bekam, suchte sie sich voller Panik medizinische Hilfe. Sie erhielt die Diagnose " Post-Covid-Syndrom ". "Ich hatte erst gar nicht daran gedacht, dass das mit der Viruserkrankung zusammenhängt", meint sie.

Ausreichend Reha-Plätze für Long-Covid-Patienten

Dr. Harald Berger ist der medizinische Leiter im Klinikverbund der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Nordbayern. Er geht davon aus, dass bis zu 30 Prozent aller Covid-19-Patienten nach der akuten Krankheitsphase Probleme mit Long-Covid oder Post-Covid haben. Long-Covid meint dabei, dass Patienten bis zu 12 Wochen nach der Erkrankung Beschwerden zeigen, Post-Covid meint die Symptome, die darüber hinaus bestehen. "Wir wissen, dass es viele Menschen gibt, die ziemlich an Long- und Post-Covid leiden", sagt Berger.

Er unterscheidet zwei Gruppen an Betroffenen. Da sind die Patienten (etwa acht Prozent), die einen so schweren Krankheitsverlauf hatten, dass sie in einem Krankenhaus behandelt werden mussten. Diese Patienten werden nach der Akutphase automatisch für Anschlussheilbehandlungen in Rehakliniken verlegt. Weil sie weiter medizinisch betreut werden, können Spätfolgen schneller erkannt und behandelt werden.

"Problematischer ist es bei Patienten , die Covid zuhause wie eine Grippe durchgemacht haben", sagt Berger. Er sieht das Risiko, dass sich Long- und Post-Covid-Betroffene nicht richtig erholen. Stattdessen müssten sie sich immer wieder und für längere Zeit krankschreiben lassen.

Auf die Idee, sich medizinisch Hilfe zu holen und eine Reha zu beantragen, kommen viele nicht. Auch weil das Bewusstsein in Bezug auf Corona dafür bisher fehlt. "Wenn man nur zuhause sitzt und nichts macht, dann verbessert sich auch nichts", sagt der Arzt. Sowohl Patienten , als auch die Hausärzte müssten für das Problem sensibilisiert werden. "Das ist ein Appell, dass die Leute sich für eine Reha melden sollen." Arbeitnehmer stellen einen Reha-Antrag bei der Rentenversicherung, Rentner bei der Krankenkasse.

"Wir sehen momentan keinen Mangel an Rehaplätzen. Wir können zeitnah Plätze zuweisen", sagt er. Menschen mit Post- oder Long-Covid zeigen die unterschiedlichsten Krankheitsbilder: Von neurologischen Ausfallerscheinungen über Atemnot und extremer Erschöpfung ("Fatigue-Syndrom") bis zu Herz- und psychosomatischen Problemen. Entsprechend gebe es kein allgemeingültiges Behandlungskonzept und auch nicht die eine Fachklinik, die Menschen mit Long-Covid behandelt. Die Art der Beschwerden entscheidet darüber, welche Klinik Patienten behandelt, so Berger. Die DRV Nordbayern betreibt in Bad Kissingen die Frankenklinik, die Long-Covid Patienten mit Herz- und Lungenproblemen behandeln.

Weitere Hilfe: Reha-Sport und Selbsthilfegruppen

Im Anschluss an ihre Diagnose hat Lisa Schneider eine Reha in einer Lungenfachklinik gemacht. Sie erhielt über Wochen Atemtherapien, mehrmals täglich Inhalationen, nahm an Sport- und Entspannungsübungen teil. Sie ist froh, sich Hilfe geholt zu haben. "Es haben sich alle Werte gebessert", sagt sie. Ihr Gesundheitszustand ist ein dreiviertel Jahr später dennoch nicht wieder wie vor Corona . Der Herzschlag ist permanent zu hoch, die Lungenkapazität bei 75 Prozent. Deshalb hat sie sich weitere Hilfe gesucht: bei einer Lungensportgruppe. Außerdem sucht sie Kontakt zu Long-Covid-Selbsthilfegruppen. Die nächste gibt es aktuell in Würzburg. "Es tut gut, dass man sich nicht alleine fühlt", sagt Schneider.

 
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