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LKR Bad Kissingen
Lange Haft für Ex-Jugendtrainer aus dem Landkreis Bad Kissingen
Das Landgericht Schweinfurt verurteilt einen 21-Jährigen aus dem Landkreis unter anderem wegen Vergewaltigung und schweren sexuellen Missbrauchs zu einer hohen Jugendstrafe. Damit kommt der sogar noch gut weg.
Ein früherer U15-Jugendtrainer ist zu sechs Jahren und neun Monaten verurteilt worden.  Foto: Steffen Standke       -  Ein früherer U15-Jugendtrainer ist zu sechs Jahren und neun Monaten verurteilt worden.  Foto: Steffen Standke
| Ein früherer U15-Jugendtrainer ist zu sechs Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Foto: Steffen Standke
Steffen Standke
 |  aktualisiert: 13.02.2024 05:17 Uhr

Sie wirkten verloren, wie sie in der Schweinfurter Stadthalle standen - die Jungs, die ihr 21-jähriger früherer Jugendtrainer teils schwer missbraucht und in einem Fall vergewaltigt hatte. Das Erscheinen vor Gericht war ihnen - dank seines Geständnisses - bisher erspart geblieben. Das Urteil für ihren Peiniger wollten sie aber nun hören. Die Strafe fiel, auch wenn sie hoch klingt, mild aus.

Der 21-Jährige fuhr dieselbe Strategie wie zu Beginn des Prozesses: Pulli umgedreht angezogen, Kapuze übers Gesicht, stets abgewandt von seinen Opfern und deren Eltern . Die ganze Zeit über äußerte er sich nicht.

Brauchte er auch nicht mehr, denn seine Taten hatte er - bis auf eine, an die er sich nicht mehr genau erinnern konnte - am ersten Verhandlungstag vollumfänglich gestanden. Die Beweislast mit Videos, Handy-Chats und den Aussagen der Jungen bei der Polizei war aber auch erdrückend.

Zwei Fälle besonders bedeutend

Nach zwei nichtöffentlichen Verhandlungstagen, in denen die Anwesenden noch einmal Aussagen der Opfer auf Video anschauten, sprach die Richterin nun das Urteil: sechs Jahre und neun Monate, verhängt nach Jugendstrafrecht . Die Staatsanwaltschaft hatte sieben Jahre und sechs Monate Freiheitsentzug gefordert, die Verteidigung sechs Jahre und sechs Monate.

In ihrer Begründung ging die Vorsitzende noch einmal auf die Taten des Ex-Jugendtrainers ein: vom Beschaffen von Nacktbildern und -videos der neun Jungen im Alter zwischen elfeinhalb und 13 Jahren, über die Einschüchterungsstory von der russischen Pornomafia, den Strip-Fifa bis hin zum Schlagen und Penetrieren der Genitalien der Kinder mit Gegenständen. Alles das zwischen Oktober 2017 und Februar 2020, als der Angeklagte schließlich aufflog.

Wobei die Richterin sich mühte, die Taten nicht zu detailliert aufleben zu lassen. Das hätte die Nerven der anwesenden Betroffenen zu sehr belastet.

Auf einige Fälle ging sie aber doch näher ein. Weil sie die perfide Strategie des Angeklagten am deutlichsten zeigten. Weil sie für die Opfer am heftigsten und teils sehr schmerzhaft waren. Und weil sie sich wohl auf das Urteil am maßgeblichsten auswirkten. So sah die Vorsitzende neben mehrfachen Herstellens und Beschaffens kinderpornografischer Schriften, sexuellen Missbrauchs und gefährlicher Körperverletzung selbst einen besonders schweren sexuellen Missbrauch und die angeklagte Vergewaltigung als erwiesen an.

Trotzdem kam der Angeklagte mit einer Jugendstrafe davon - wohl auch, weil er seine Taten im Alter von 18 bis 20 Jahren verübt hatte. Allerdings nicht in seinem Beruf als Kinderpfleger, den er nie ausübte. Und auch nicht als Fußballtrainer; die Vorfälle ereigneten sich stets außerhalb der Übungseinheiten.

Zwar bescheinigte die Richterin dem 21-Jährigen, "mit großer Akribie und Beharrlichkeit" gehandelt zu haben. Doch sei er "von der Entwicklung her noch mehr Jugendlicher als Erwachsener". Der junge Mann besitze "erheblichen Erziehungsbedarf". Bis zur Verhaftung lebte er bei den Eltern . Seine Bekannten rekrutierten sich vor allem aus Kindern und Jugendlichen.

Zugunsten des Angeklagten wertete die Richterin sein Geständnis, "das den Geschädigten Aussagen vor Gericht ersparte". Außerdem war der 21-Jährige nicht vorbestraft .

Viele Opfer, viele Taten

Zu seinen Lasten ging "die Vielzahl der Taten in einem langen Zeitraum und die vielen Opfer", die "Rohheit und Empathielosigkeit", mit der er sie beging. Er habe den Kindern über lange Zeit Angst bereitet.

Die Richterin riet dem Ex-Trainer zu einer "langen intensiven Behandlung seiner pädophilen Neigungen". Anordnen konnte sie diese nicht. Ebenso wenig die vom Vertreter der Nebenklage beantragte Führungsaufsicht, eine Sicherungsverwahrung oder gar ein Berufsverbot. Dergleichen sei im Jugendstrafrecht nicht oder nur ausnahmsweise vorgesehen.

Die Kosten des Verfahrens muss der Verurteilte zwar nicht tragen, weil er über kein Einkommen verfügt. Die Auslagen der Eltern als Nebenkläger muss er aber begleichen.

Diese und ihre Söhne nahmen das Urteil ohne sichtbare Regung entgegen - soweit sich das durch die Corona-Masken erkennen ließ. Ein Elternteil sprach hinterher so: "Ich hätte mir gewünscht, dass er nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt wird. Wie er seine Taten plante, die Länge, die Art und Weise - ein Jugendlicher ist nicht in der Lage, so etwas nur annähernd durchzuführen." Auch "die wahre Reue" habe beim Angeklagten "total gefehlt".

Eltern wollten härtere Bestrafung

Eine Verurteilung nach Erwachsenenstrafrecht - diesen Wunsch nahm Jürgen Scholl als Anwalt der Nebenkläger bei vielen Eltern wahr. "Sie können nicht ganz nachvollziehen, dass man ihn noch so reifeverzögert sieht und ihn einem Jugendlichen gleichstellt." Auch würden die Eltern dem 21-Jährigen eine echte Reue und Einsicht nicht abnehmen. "Sie erkennen bei ihm keine wirkliche Auseinandersetzung mit seinen Taten."

Das liege wohl auch daran, dass der 21-Jährige sein Geständnis habe durch seinen Verteidiger verlesen lassen. Auch sonst sei er im Prozess eher wortkarg gewesen.

Scholl nannte die Strafe für den Ex-Trainer aus juristischer Sicht "deutlich. Das ist eine Ansage, die selbst im Jugendstrafrecht selten ist." Das erklärte er nach der Verhandlung auch den Eltern . Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

 
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  • S. K.
    hart aber gerecht. Mal sehen ob das Urteil rechtskräftig wird...
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