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LKR Bad Kissingen
Landkreis Bad Kissingen: Schwanger in der Pandemie
Werdende Mütter müssen mit einigen Widrigkeiten kämpfen. Eine junge Frau und eine Hebamme erzählen, wie es ist, in Corona-Zeiten ein Kind zu bekommen. Schwangere und Mütter dürfen sich seit dieser Woche wieder für Kurse treffen.
Elena Väth mit ihrer Tochter Sumin       -  Elena Väth mit ihrer Tochter Sumin
Foto: Katrin Schubert, Kinderzimmerpaparazzi | Elena Väth mit ihrer Tochter Sumin
Charlotte Wittnebel-Schmitz
 |  aktualisiert: 17.08.2022 08:00 Uhr

Hochschwanger konnte sie im Frühjahr 2020 keine Treppen mehr gehen und musste zuhause bleiben. Den Geburtsvorbereitungs- und den Rückbildungskurs machte sie digital. Die 20-Jährige war damals noch Schülerin.

Eine "totale Problemschwangerschaft" sei es gewesen, findet Elena Väth im Rückblick. Im Dezember musste sie das erste Mal ins Bad Kissinger Krankenhaus. "Ich hatte Untergewicht und an Gewicht verloren." Dann - viel zu früh - hatte sie in der 28. Schwangerschaftswoche einen Blasensprung. Wieder ging es ins Krankenhaus, diesmal aber nach Schweinfurt. Die Ärzte setzten ihr einen Pessar ein, einen Ring, der die Geburt nach Prognose der Ärzte zumindest noch eine Woche verzögern sollte. So schnell ging es dann glücklicherweise doch nicht, erzählt Väth.

Als sich die Geburt in der 35. Schwangerschaftswoche ankündigte, musste der Vater des Kindes arbeiten. Aber ihre Mutter , die werdende Oma, sei viermal von Nüdlingen nach Schweinfurt ins Krankenhaus gefahren, um sie zu unterstützen. Ihre Mutter musste vor dem Kreißsaal warten, bis es richtig losging. Dann durfte sie mit in den Kreißsaal und die Geburt ihrer Enkelin miterleben.

Väths Familie sah das Baby erst, als Mutter und Kind nach einer Woche aus dem Krankenhaus nach Hause kamen. "Als das Baby da war, durfte keiner rein und es mal anschauen oder in den Arm nehmen", sagt Oma Kerstin Väth. Noch nicht einmal der Blick durch eine Glasscheibe der Frühchenstation sei für sie erlaubt gewesen. Zunächst hätten sie das Baby nur auf Bildern und Videos gesehen. Außerdem sei immer nur eine Kontaktperson erlaubt gewesen. Der Vater des Kindes und ihre Mutter durften Elena Väth also nicht zeitgleich besuchen.

Dank Schnelltests ist dies mittlerweile besser. Aber: "Die Frauen im Landkreis müssen sehr lange Wege zu ihren Geburtskliniken auf sich nehmen", sagt Ute Hammerl von der Hebammenpraxis und dem Familienzentrum Bad Bocklet. Die Frauen fahren nach Bad Neustadt, Schweinfurt, Fulda, einige auch nach Würzburg.

Im Januar 2015 wurde die Geburtshilfe am Helios St.-Elisabeth-Krankenhaus in Bad Kissingen, die über Jahrzehnte bestanden hatte, dauerhaft geschlossen. Neun Kreißsäle schlossen in Bayern seit 2015. Drei sind vorübergehend geschlossen, und ein Kreißsaal ist laut den Angaben des Deutschen Hebammen Verbandes von einer Schließung bedroht.

Und das Problem verschärft sich, denn seit der Pandemie könnten die Kliniken aus Platzgründen nicht mehr so viele Frauen aufnehmen. "Die Kliniken melden sich ab. Sie sagen: Wir sind voll. Bitte suchen sie sich eine andere Klinik", berichtet Hammerl. "Das ist Stress! Die Frauen fragen sich, wo kann ich überhaupt hinfahren? Muss ich vorher alle anrufen?" Dass es in Unterfranken so weit komme, sagt sie, hätte sie vor zehn Jahren nicht gedacht. Von München oder Berlin seien Hebammen diese Umstände bekannt, aber in Unterfranken habe sie damit nicht gerechnet.

Hebammen gesucht

Außerdem fehlt es an Hebammen . Im Landkreis gebe es etwa 700 Lebendgeburten pro Jahr. Einige Frauen hätten auf eine Nachsorge durch eine Hebamme verzichten müssen. Der Landesverband Bayerischer Hebammen hat in seiner Mitgliederdatei 23 Hebammen im Landkreis gelistet. Fünf Hebammen davon sind passive Mitglieder. Vier Hebammen bräuchte es mindestens noch, um den Bedarf zu decken, schätzt Ute Hammerl.

Seit Juli vergangenes Jahres gibt es für Eltern , die trotz Bemühungen keine Betreuung gefunden oder akute Probleme in der Schwangerschaft oder im Wochenbett haben, eine "Hebammen-Notversorgung". Hilfe gibt es bei der "Kontaktstelle Frühe Hilfen" (KoKi). "Dort haben Frauen die Möglichkeit, ein bis zwei Notfalltermine vermittelt zu bekommen", erklärt Hammerl.

Wann um eine Hebamme kümmern?

Müssen sich Frauen also schon bei der Hebamme melden, bevor das Kind überhaupt gezeugt ist? "So schlimm ist es nicht", sagt Hammerl. Aber bis zur zwölften Schwangerschaftswoche sollte man sich melden, denn sie plane beispielsweise Anfang Mai mit ihren Kolleginnen bereits die Schwangerschaftsbetreuungen, die sie im Dezember habe. Momentan plane sie mit etwa zehn Frauen, die sich bei ihr in der Nachsorge befinden. Das sei schon eine "sehr gute Zahl". Üblich seien etwa sechs Nachsorgen pro Hebamme .

Die ersten zehn Tage nach einer Geburt sei jeden Tag Kontakt mit der Hebamme möglich. Die Mutter entscheidet, ob die Hebamme vorbeikommen soll oder ob telefonischer Kontakt ausreicht. "Die Familien überlegen sich in Corona-Zeiten genau, ob sie jeden Außenkontakt brauchen." Zumal Abstand halten schwierig ist. Wie soll eine Hebamme eine Frau oder das Baby nach der Geburt untersuchen, ohne ihnen nahe zu kommen?

Regelmäßiges Lüften und Maske sind deshalb Pflicht, und die Besuche werden zeitlich begrenzt. Trotzdem war die 20-jährige Elena sehr froh, dass ihre Hebamme kam und Tipps gab. Die Wochenbett-Betreuung war die ganze Zeit während der Pandemie erlaubt.

Waren die Familien auch froh, dass weniger Kontakt stattfand und sie dadurch mehr Ruhe hatten? "Es hat positive wie negative Seiten", sagt Hammerl. "Wir sehen, dass aus den Kliniken viel entspanntere Kinder kommen. Die Kinder sind weniger überdreht."

Väter, die sonst auf der Arbeit seien und nun von zuhause arbeiten, erlebten die Zeit mit dem Kind intensiver. "Das ist Zeit, die die Familien gewinnen. Man verbringt die Mittagspause zusammen oder trinkt gemeinsam einen Kaffee."

Aber: Gerade beim ersten Kind sei das Bedürfnis enorm groß, sich mit anderen Müttern auszutauschen, sagt Meike Nürnberger. Nürnberger bietet Kurse für Wickeltücher und eine Trageberatung in Bad Kissingen und Umgebung an. Die Kurse fehlten den Kursleiterinnen, die davon lebten. Aber sie fehlten auch den Frauen, die sie besucht hätten.

Neue Location "Kurstraum"

Seit dieser Woche gibt es wieder Veranstaltungen, bei denen sich Schwangere oder frisch gewordene Mütter persönlich kennenlernen. Meike Nürnberger hielt am Montag ihren ersten Kurs seit Monaten im Freien. "Die Mamas sind so glücklich", sagt sie. Sie läuft mit ihnen durch den Bad Kissinger Park in Richtung Hausen und zurück. Während der Tour machen sie Workouts, nutzen fürs Training Parkbänke oder Treppen und tanzen zu Musik. Solange die Inzidenz unter 50 bleibt, geht das mit Maske sogar ohne Testpflicht. Am 1. Juli will sie ihre Location "Kurstraum" eröffnen. "Pilates Schwangerschaft", "Kangatraining" oder "mentale Geburtsvorbereitung Flowbirthing" stehten auf dem Kursplan. "Kurstraum" soll ein neuer Treffpunkt werden, an dem Mütter Gleichgesinnte finden, mit denen sie über tägliche Herausforderungen im Familienalltag sprechen können. Ute Hammerl etwa kennt Frauen, die sich in der Geburtsvorbereitung kennenlernten und sich zehn Jahre danach immer noch träfen.

Elena Väths Tochter Sumin ist jetzt bald ein Jahr, sie kam im Juni 2020 auf die Welt. Väth fragte sich manchmal, wie sich der fehlende Kontakt zu anderen Kindern im vergangenen Jahr auf die Entwicklung ihres Babys auswirkte. Ihre Tochter habe das letzte Jahr viel mit dem Hund gespielt. Es werde Zeit für die Krabbelgruppe.

 
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