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Bad Brückenau
Landkreis Bad Kissingen plant Netzwerk Demenz
Der Landkreis Bad Kissingen möchte ein Netzwerk anstoßen, das alle Akteure aus dem Bereich Demenz zusammenbringt. Der Bedarf ist riesig.
Im Patientengespräch: Tobias Goebel, Chefarzt für Innere Medizin und Geriatrie an der Prümmer-Klinik Bad Brückenau, kennt das Krankheitsbild Demenz in all seinen Facetten. Foto: Ulrike Müller       -  Im Patientengespräch: Tobias Goebel, Chefarzt für Innere Medizin und Geriatrie an der Prümmer-Klinik Bad Brückenau, kennt das Krankheitsbild Demenz in all seinen Facetten. Foto: Ulrike Müller
| Im Patientengespräch: Tobias Goebel, Chefarzt für Innere Medizin und Geriatrie an der Prümmer-Klinik Bad Brückenau, kennt das Krankheitsbild Demenz in all seinen Facetten. Foto: Ulrike Müller
Ulrike Müller
 |  aktualisiert: 20.08.2022 01:55 Uhr
Am Mittwoch erst waren sie im Kino, die Bewohner von Haus Waldenfels und Haus Rafael in Zeitlofs. Mucksmäuschenstill sei es gewesen, erzählt Martin Pfeuffer am Rande der Auftaktveranstaltung für das Netzwerk Demenz. "Die Drei von der Tankstelle" in der Verfilmung von 1930 flimmerte über die Leinwand der Rhönlichtspiele. "Großartig war das", sagt Pfeuffer und wird dann still. Eigentlich hätte man noch andere Leute mitnehmen können, ergänzt er nach einer kurzen Pause. "Den ganzen Saal machen wir ja eh nicht voll." Und schon ist passiert, was das Netzwerk Demenz möchte: Vernetzung der Angebote, die es schon gibt. Ein Weiterdenken von allen, die mit Menschen zu tun haben, deren Lebenserinnerungen und Lebensfähigkeit stückweise zusammenschmilzt.


Gefährdung steigt mit dem Alter

1,8 Millionen Menschen in Deutschland sind aktuell an Demenz erkrankt, berichtet Matthias Matlachowski von der Deutschen Alzheimer Gesellschaft. Er nennt Demenz die "schleichende Krankheit". Die Wahrscheinlichkeit, daran zu erkranken, steige mit dem Älterwerden. Sei ein 60-Jähriger noch wenig gefährdet, so sei unter den 90-Jährigen bereits jeder zweite dement. "Wir sehen, dass die Entwicklung mit einer Dynamik weitergeht, und das stellt uns vor große Herausforderungen", sagt Landrat Thomas Bold (CSU) in seinem Grußwort.

Was dann zusammengetragen wird, zeigt die ganze Bandbreite der Thematik. "Immer mehr Angehörige suchen nach demenzsensiblen Angeboten als Alternative zum Heim", berichtet Monika Dürr von der Fachstelle für pflegende Angehörige des Juliusspitals Münnerstadt von ihren Erfahrungen. Ingrid Vorndran von der Fachstelle der Caritas in Bad Kissingen fügt an, die Pflege eines an Demenz Erkrankten sei für Angehörige "eine der anspruchsvollsten" überhaupt. Rund um die Uhr da zu sein für einen Menschen, der nicht mehr derselbe ist wie früher, zehre alle Kraft auf - körperlich und psychisch.


Herausforderung im Klinikalltag

Sabine Hein, Verwaltungsdirektorin der Capio Franz von Prümmer-Klinik gibt einen Überblick über Schwierigkeiten der medizinischen Behandlung von Patienten, die an Demenz erkrankt sind. Zum Teil gebe es keine Gegenfinanzierung für die aufwendige Betreuung. An vielen praktischen Fragen - wie etwa der Beschilderung im Krankenhaus oder den besonderen Bedürfnissen beim Essen - hapere es derzeit noch oft. Hier und dort nicken Teilnehmer im Publikum. Gerade die Pflegekräfte wissen, was die Diagnose Demenz im hektischen Klinik- oder Heimalltag bedeutet.

"Sicher kann man die Angst vor der Krankheit nicht völlig nehmen", sagt Regionalmanagerin Antje Rink einfühlsam. "Aber man kann Unsicherheit und Hemmschwellen abbauen." So wüssten viele Angehörige nicht, dass es auch Sportmöglichkeiten für Demenzerkrankte gibt oder dass man als Familie noch immer in den Urlaub fahren kann. Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft halte eine Liste bereit, in der demenzsensible Gasthäuser (auch in der Rhön) notiert seien, gibt Matlachowski einen kurzen Hinweis.


Förderantrag ist gestellt

Um die Netzwerkarbeit zu unterstützen hat der Landkreis bereits einen Förderantrag beim Bundesamt für Familie gestellt. Werde der Antrag bewilligt, könne das Projekt mit bis zu 10.000 Euro gefördert werden, erklärt Rink. Projektstart solle bereits im September sein. Was mit dem Geld passieren soll, ist derzeit noch offen. Ideen aber gibt es schon. Immer wieder regen die Teilnehmer einen "Wegweiser Demenz" an, der alle Angebote bündelt.

Als "grundsätzlich sehr gut", lobt Johanna Schießl die Initiative. Zusammen mit ihrer Kollegin Daniele Roth vertritt sie die Kirchen. Schießl wünscht sich, dass auch Menschen, die in einem frühen Stadium erkrankt sind, ins Netzwerk eingebunden werden. Ob das Geld allerdings ausreiche, bezweifelt sie. "Es wird eine schlagkräftige Gruppe aus Überzeugungstätern werden", meint Martin Pfeuffer. Eigentlich, so sagt er, wundere er sich, dass das Thema nicht längst schon angepackt wurde. Der Bedarf sei riesengroß.


Was will das "Netzwerk Demenz"?

Initiative Das Regionalmanagement des Landkreises Bad Kissingen hat das Projekt "Netzwerk Demenz" angestoßen. Nach einer ersten Befragung haben 38 Akteure Interesse signalisiert, darunter Pflegeheime, Krankenhäuser, Betreuungsdienste und weitere Vertreter aus Medizin, Wirtschaft und Kirchen.

Anliegen Ziel des Netzwerkes ist es, den Wissensstand und die Reaktionsfähigkeit der einzelnen Akteure zu verbessern. Im zweiten Schritt soll damit die Versorgung von Patienten und Angehörigen gestärkt werden. Auf lange Sicht ist das Anliegen, die Hemmschwellen in Bezug auf Demenz weiter abzubauen und der Unsicherheit und Angst im Umgang mit der Krankheit zu begegnen. Wie das konkret aussehen soll, ist noch offen. Die Auflage eines "Wegweisers Demenz" oder mehr Schulungen wurden konkret angesprochen.

Termin Am 21. Juni soll das Netzwerk Demenz gegründet werden. Los geht's um 17.30 Uhr in der Georgi-Halle. Mehr Informationen zum Projekt "Demografie" des Landkreises Bad Kissingen finden Sie hier .
 
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