Die Location
Für den zweiten Wirtschaftsempfang des Landkreises hat sich das Landratsamt die Bayerische Musikakademie Hammelburg als Veranstaltungsort ausgesucht. Schon bei der Anfahrt gegen 17 Uhr ist klar: An diesem Abend wird hoher Besuch erwartet. Zahlreiche Polizeiautos sind an der Auffahrt zu Akademie und Kloster zu sehen, Sicherheitskräfte mit Kopfhörern im Ohr stehen vor und im Gebäude.
Der Empfang
Zum Empfang geladen sind Wirtschaftsgrößen der Region, Verbandsvertreter, die Sparkasse, die das Event neben dem Kreis sponsert, Bürgermeister sowie Politikerinnen und Politiker. Gastgeber Landrat Thomas Bold (CSU) begrüßt die rund 250 Gäste.
Dass der Ministerpräsident nun in die CSU-dominierte Region komme, sagt Bold, sei schon vor einem dreiviertel Jahr ausgemacht worden. Trotzdem passe der Besuch, weil es um die wirtschaftliche Entwicklung im ländlichen Raum gehen soll. Bold: „Vor 20 Jahren war der Landkreis Schlusslicht bei den Arbeitslosenzahlen.“ Heute liege er knapp unter dem bajuwarischen Schnitt. „Diese Entwicklung ist auch auf die Leitung in den Firmen zurückzuführen.“ Und sie trügen auch die Handschrift Markus Söders, etwa die Einführung der Telemedizin, die er als Gesundheitsminister angestoßen habe.
Der Talk mit Söder
Eigentlich, so Landratsamt-Pressesprecherin Nathalie Bachmann, sei ein Vortrag Söders zum Thema „Politik für Unternehmen und Betriebe im ländlichen Raum“ und eine Fragerunde vorgesehen gewesen. Kurzfristig habe Söder eine Talkrunde angeregt – die nutzt der Politprofi, um mit markigen Sprüchen für Bayern, sich und die Union zu werben.
Nach großem Applaus betritt Söder die Bühne. Zunächst die Charmeoffensive: „Ein Termin in Unterfranken ist eine emotionale Aufhellung“, sagt der CSU-Chef. Der gebürtige Mittelfranke sagt, sie seien die „Semi-Depressiven“, während er Oberfranken als „die Kernigen“ und Unterfranken als „die Fröhlichsten“ bezeichnet, was, wie er mutmaßt, am Wein in der Region liegen könnte.
Die Themen
Eigentlich könnte man den Inhalt des Gesprächs kurz zusammenfassen: Laut Söder ist Bayern in so gut wie jedem Feld das Maß aller Dinge. Probleme gibt es nur, weil der Bund – und damit die seit gut vier Jahren regierende und Ende 2024 gescheiterte Ampelkoalition – die Aufgaben nicht ordentlich erfüllt. Für seine Ausführungen in dem etwa zweistündigen Talk erntet er Szenenapplaus vieler im Publikum – selbst bei abschätzigen Kommentaren, etwa über SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach („Der schaut ja sehr gesund aus“).
Angriff auf die Grünen
Hauptgegner ist Grünen-Wirtschaftsminister Robert Habeck, den er als „nicht kompetent, Deutschland aus der Wirtschaftskrise zu führen“ bezeichnet. „Die ideologisch geleitete Wirtschaftspolitik der Ampel ist grundlegend falsch“, so der Ministerpräsident. „Zugunsten einzelner ausländischer Großkonzerne“ würden mittelständische Betriebe, Handwerk, Handel und Familienbetriebe „über Gebühr belastet“.
Migration und Wirtschaft
Die politischen Spannungen in Deutschland führt er, neben der Migration, die er immer wieder thematisiert und die besser gesteuert werden müsse, auf die Wirtschaftslage zurück: „Wenn der Wohlstand wackelt, wackelt die Demokratie.“ Auf die Abstimmung zu Friedrich Merz’ (CDU) Fünf-Punkte-Plan mit Stimmen von Union, FDP und AfD geht er nur am Rande ein. „Um zu verhindern, dass Extreme Entscheidungen treffen, müssen wir uns mehr anstrengen.“
Söders Credo, um die Wirtschaft anzukurbeln: „Wir brauchen niedrigere Steuern und Energiepreise. Zu viel Bürokratie ist eine Fessel und kein Halt. Dazu braucht es massive Investitionen in Innovation und Forschung. Leistung muss sich lohnen, denn Beschäftigung schafft Stabilität – und Integration. Dabei darf der ländliche Raum nicht vergessen werden.“
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Medizinische Versorgung
Bürokratieabbau, bessere Nachwuchsarbeit und Erhalt von Krankenhäusern im ländlichen Raum sind laut Söder Herausforderungen, um die medizinische Versorgung zu verbessern. Eine Pflegereform und eine neue Krankenhausreform seien notwendig. Die Teillegalisierung von Cannabis hält Söder für jugendgefährdend.
Energie und Verteidigung
Um den Energiebedarf zu decken und Kosten zu senken, möchte Söder Atomkraftwerke „wo es geht reaktivieren“ und das Bohren nach Gas ermöglichen.
Die Landesverteidigung ist laut Söder angesichts der russischen Aggression wichtiger denn je. „Wir brauchen mehr Geld für die Bundeswehr und mehr Soldaten. Viele junge Menschen sagen, sie würden Dienst für ihr Land leisten.“ Zudem müsse die Forschung an Unis für das Militär geöffnet werden.
Im Anschluss an den Talk kommen Politik und Wirtschaft zu Gesprächen beim Abendessen zusammen.
Die Reaktionen
Der Landkreis wollte Söder – und hat ihn bekommen. Positiv sehen den Auftritt natürlich die CSU-Mitglieder. Als Vollprofi und Mann markiger Worte, der nicht um den heißen Brei herumrede, wird Söder bezeichnet. So auch von Hammelburgs Bürgermeister Armin Warmuth (CSU): „Ich fand, er hat die Dinge angesprochen, die den Unternehmern am Herzen liegen.“ Warmuth gefällt das Talk-Format – „und das ausgezeichnete Essen in der Musikakademie“.
Kritisch äußert sich Bad Brückenaus Rathauschef Jan Marberg. Vor allem für die Attacken auf Grüne und Sozialdemokraten hat der SPD-Mann kein Verständnis; diese sei zum Teil „unangebracht gewesen“. Mit Blick auf die politisch angespannte Situation hält Marberg wenig von solchen Angriffen auf demokratische Parteien. Vereinzelt hört man ähnlich lautende Worte.
Söder, der Food-Blogger
Das Essen für Söder und die Gäste hat Armin Klein, Küchenleiter der Musikakademie, kreiert. Vor seiner Abfahrt Richtung München darf der Ministerpräsident die geschmorten Ochsenbäckchen probieren, eigens auf einem für ihn gestalteten Teller mit der Aufschrift #söderisst.
Musikalisch umrahmt wird der Wirtschaftsempfang vom Blechbläserensemble „Brass Quartett – Hier klingt’s besser“.
Die Gegendemonstration
Mit einem friedlichen Protest machen nach Veranstalterangaben am Donnerstagabend rund 100 Menschen am Rande des Söder-Besuchs gegen die gemeinsame Abstimmung der Union mit der AfD in Fragen der Asylpolitik mobil. Lesen Sie dazu einen eigenen Bericht .
