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Landkreis Bad Kissingen
Das Ende der NS-Herrschaft im Landkreis Bad Kissingen
Mit nichts als einer Rot-Kreuz-Fahne radelte Karl Schöpfner den US-Panzern entgegen. Eine Chronik der letzten Kriegstage im Landkreis Bad Kissingen.
Abb. Die gesprengte Ludwigsbrücke 1945       -  Abb. Die gesprengte Ludwigsbrücke 1945
Foto: Stadtarchiv Bad Kissingen, Fotosammlung
Jürgen Wittrin
 |  aktualisiert: 18.04.2025 02:37 Uhr

In Europa endete der Zweite Weltkrieg am 8. Mai 1945 mit der vollständigen Kapitulation der deutschen Wehrmacht . Ende März 1945 überquerte die US-Armee den Rhein und rückte in die Rhön vor. Die Städte Bad Brückenau, Hammelburg, Bad Kissingen, Münnerstadt und Steinach wurden bereits Anfang April 1945 durch die US-Streitkräfte eingenommen. 

5. April 1945: Einmarsch der US-Streitkräfte in Bad Brückenau

In Bad Brückenau waren bis kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs rund 110 Wehrmachtssoldaten stationiert. Der zuständige Kampfkommandant für die Region war Oberst Grießbach, der seinen Kommandostand bis zum 5. April 1945 im Lager Wildflecken hatte. Grießbach unterstellt und für den Ort Brückenau verantwortlich war Oberstleutnant Weiner. Dieser wollte die Stadt bis zuletzt verteidigen.

Doch laut Augenzeugenberichten waren 90 der 110 Soldaten bereits am frühen Morgen des 5. April geflohen. Anstelle des Versuchs, Brückenau mit Waffengewalt zu verteidigen, setzte sich der damalige Bürgermeister Egid Trost bei Oberst Grießbach für eine kampflose Übergabe ein.  Der Kampfkommandant befahl Weiner noch am selben Morgen den Rückzug.

Es blieb jedoch die Frage, wie die Aufgabe von Brückenau den US-Amerikanern überbracht werden sollte. Auf eigene Initiative hin machte sich der Leiter der Rot-Kreuz-Bereitschaft, Karl Schöpfner, daran, die Stadt zu übergeben. Mit einer Rot-Kreuz-Fahne in der Hand fuhr er auf seinem Rad den heranrollenden Panzern entgegen.

Der verbliebene Rest der deutschen Truppen eröffnete das Feuer. Unversehrt kam Schöpfner bei den amerikanischen Truppen an und übergab ihnen ein Schreiben. Noch war er allerdings nicht in Sicherheit, denn er musste vor den US-Panzern wieder in die Stadt radeln. 

Um 8 Uhr Ortszeit am 5. April 1945 rückten die ersten Panzer in der Stadt ein. 

Der Morgen des 5. April 1945 - Amerikanischen Panzer in der Ludwigsstraße       -  Der Morgen des 5. April 1945 - Amerikanischen Panzer in der Ludwigsstraße
Foto: Otto Trapp, Stadtarchiv Bad Brückenau | Der Morgen des 5. April 1945 - Amerikanischen Panzer in der Ludwigsstraße

7. April 1945: Einnahme von Hammelburg

Am Vorabend der Einnahme hatten die US-Streitkräfte bereits das Gefangenenlager Hammelburg besetzt. Der deutsche General von Goeckel hatte den Kampf aufgegeben und kapituliert. 

Der ursprüngliche Vorstoß auf Hammelburg hatte weder strategische noch humanitäre Gründe. Seit 1943 befand sich der Schwiegersohn von US-General George S. Patton Jr., Oberstleutnant John Waters, in deutscher Kriegsgefangenschaft. In einer waghalsigen Aktion sollte Hauptmann Abraham J. Baum von Aschaffenburg aus mit einem 300 Mann starken Trupp hinter die feindlichen Linien vorrücken und Waters befreien.

Zwar erreichten die Amerikaner das Lager, wurden aber beim darauffolgenden Rückzug am 28. März komplett aufgerieben. Zehn Tage später konnte das Lager schlussendlich befreit werden. 

Eines der bekanntesten Fotos von der Aktion der 'Task Force Baum' ist diese Aufnahme, die das Eintreffen des Kampfkommandos im Lager Hammelburg am 27. März 1945 zeigt.       -  Befreiung des Lagers Oflag XIII B in Hammelburg am 6. April 1945 durch das 47. Tank Bataillon der 14. US-Panzerdivision
Foto: ©US National Archives | Befreiung des Lagers Oflag XIII B in Hammelburg am 6. April 1945 durch das 47. Tank Bataillon der 14. US-Panzerdivision

Von dort aus beschossen die US-Amerikaner Hammelburg mit drei bis vier Batterien, da sie in der Stadt große Wehrmachtsteile vermuteten. Im Rathauskeller hatten knapp 1000 Menschen Unterschlupf gesucht – darunter auch der erste Bürgermeister Clement. Dieser ließ sich dazu überreden, Verhandlungen mit den US-Streitkräften einzugehen.

In der Folge wurde der städtische Angestellte Kirchner mit zwei Gefangenen und einer weißen Fahne losgeschickt. Sie sollten dem amerikanischen Kommando die sofortige Übergabe der Stadt anbieten. Es folgte eine formlose Übergabe und der Einzug der US-Truppen nach Hammelburg.

7. April 1945: Kampflose Übergabe von Bad Kissingen an die US-Truppen

Obwohl Bad Kissingen zum Kriegsende hin 3000 Kriegsverwundete und 4000 evakuierte Kinder beherbergte, war die Stadt nie eine offizielle Lazarettstadt. Dazu liegt „weder ein Antrag, noch eine Zuerkennung dieses Status“ vor, erklärt Peter Weidisch, Abteilungsleiter des Stadtarchivs.

Dennoch unternahm der zuständige Kampfkommandant, Oberstleutnant Karl Kreutzberg, den Versuch, Kampfhandlungen zu vermeiden. Er verwies dabei auf die vollen Lazarette und darauf, dass sich keine Kampftruppen in Bad Kissingen aufhalten würden. Zur Bekräftigung kennzeichnete man Kliniken, Lazarette und Ausfallstraßen entsprechend.

Später gab Kreutzberg, wenn auch widerwillig, den Befehl, die Ludwigsbrücke zu sprengen. So brachten Pioniere der Wehrmacht in der Nacht auf den 7. April Detonationsladungen an der Brücke an.  Die Ladungen waren bewusst klein, damit die Sprengung keine weiteren Umgebungsschäden anrichtete. 

Am Morgen darauf rückte das 30. Infanterieregiment der US Army an. Über Albertshausen und Garitz kommend, erreichten sie letztlich am 7. April die Stadt. Karl Kreutzberg  bereitete indes mit den örtlichen Stellen die Übergabe der Stadt vor. Unterstützt wurde das auch vom Infanterie-General Hans von Obstfelder.

Auf Befehl des Standortkommandanten wurde der Militärarzt Dr. Wilhelm Metz mit Unterstützung des Dolmetschers Jens von Hagen zu Verhandlungen mit den Amerikanern entsandt. Der vorausgegangenen Brückensprengung zum Trotz erreichten sie eine friedliche Übergabe. Vom Westen aus rückten die US-Truppen mit Hilfsbrücken über die Saale in die Stadt ein. 

Letzten Endes hatte Bad Kissingen nur geringe Schäden davongetragen. Damit war sie gleichzeitig eine der wenigen Städte in Franken, die vergleichsweise glimpflich davonkamen. Laut Peter Weidisch „blieb die noch am 7. April 1945 gesprengte Ludwigsbrücke der größte Schaden in der Kurstadt“.

8. April 1945: Eroberung von Münnerstadt 

Münnerstadt hatte zum Kriegsende hin den Status einer Lazarettstadt. In der Theorie bedeutete das, dass der Ort nicht angegriffen werden durfte. Es kam allerdings anders. Versprengte Wehrmachtstruppen versuchten den Stadtstatus zu nutzen und verschanzten sich in den anliegenden Scheunen. 

Am 8. April rückten die US-Truppen schließlich bis zum oberen Tor von Münnerstadt vor und verlangten die kampflose Übergabe der Stadt. Im Falle einer Weigerung drohten sie einen Luftangriff an.

Dr. Diethard Alzheimer, Enkel von Dr. Peter Como, zur damaligen Zeit Chefarzt des Reserve-Lazaretts, studierte den Nachlass seines Großvaters. Daraus geht laut Alzheimer hervor, dass der Bürgermeister eine Übergabe ablehnte. Daraufhin ergriff Como, die Eigeninitiative und war mit einer weißen Fahne auf die Amerikaner zugegangen. Der zuständige US-Kommandeur versprach die Einstellung aller Kampfhandlungen, sollte die Stadt übergeben werden. Tatsächlich wurde die Stadt wenig später aufgegeben.

Dennoch sei es im Nachgang noch zu einem letzten Luftangriff gekommen, wobei die Flieger auch eine Bombe neben dem Lazarett abwarfen. Chefarzt Como protestierte, woraufhin sich der amerikanische Befehlshaber entschuldigte und beteuerte, dass es ein Versehen gewesen sei. 

8. April 1945: Einmarsch der Amerikaner in Steinach (Bad Bocklet) 

Steinach war in den letzten Tagen vor seiner Einnahme heftig umkämpft. An den Tagen vom 6. bis zum 8. April starben insgesamt 85 Bewohnerinnen und Bewohner oder galten als vermisst. Durch den starken Flieger- und Artilleriebeschuss wurden zudem 152 Anwesen, und somit 75 Prozent des Orts zerstört. Das betraf 62 Häuser und 83 Gehöfte. 

Der damalige Ortspfarrer Johannes Schilling beschreibt die Ereignisse rund um das sogenannte Weißer-Sonntag-Wochenende in dem von ihm herausgegebenen Buch Kampf um Steinach. Darin schildert er die letzten Stunden der Bombardierung wie folgt: „Schauerlich hörte sich das Geheule der niederstoßenden Maschinen an. Ganze Feuergarben prasselten auf uns nieder. In Todesängsten kauerten wir uns zusammen und warteten buchstäblich auf unser Ende.“ 

 

 

 
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  • Petra Kaup-Clement
    Da keine weißen Fahnen gehisst waren und noch immer deutsche Wehrmacht in der Stadt war, begannen die Amerikaner am 6. April nach Sonnenuntergang (19.00 Uhr) vom Lager aus die Hammelburger Altstadt mit schwerer Artillerie zu beschießen. Das Krankenhaus in der von Hess Straße wurde schwer getroffen, es gab drei Tote. Um 21 Uhr ging der Pfarrer in den Rathauskeller und bat die beiden Nazi-Bürgermeister Eduard Kessler und Karl Clement nacheinander zu einem Vieraugengespräch in den Hirschenwirt. Kessler war als erster bereit, die Stadt kampflos zu übergeben. Clement brauchte drei Stunden, bis er die Angst vor der Rückkehr der SS und des Fliegenden Standgerichts überwunden hatte (Quelle: Pfarrchronik Hammelburg). So wurde die Stadt erst nach Mitternacht an die Amerikaner übergeben, eine Stunde vor dem geplanten Totalbeschuss. Stadpfarrer Dr. Mahr war von 1943 - 48 Pfarrer in Hammelburg. Ohne sein Engagement in der Nacht des 6./7. April wäre die Hammelburger Altstadt zerstört worden.
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  • Petra Kaup-Clement
    Das Foto von der Einnahme des Oflag XIII B in Hammelburg zeigt nicht die Task Force Baum am 27. März 1945, sondern die Einnahme des Lagers am späten Nachmittag des 6. April 1945 noch
    vor Sonnenuntergang durch das 47. Tank
    Bataillon der 14. US-Panzerdivision.

    Vgl. in Youtoube die historischen Filmaufnahmen zur Befreiung des Oflag XIII B am 6. April 1945: Serbische Offiziere begrüßen die Amerikaner mit Jubel.

    Das Lager konnte am 6. April kampflos eingenommen werden, das zeigen die Filmaufnahmen deutlich,
    währenddessen es am 27. März 1945 bei der Task Force Baum zu Kämpfen mit Toten und Verletzten gekommen war.

    Am frühen Nachmittag des 6. April waren Oberst Richard Hoppe, der Kommandant des Truppenübungsplatzes, und Generalmajor
    Günther von Goeckel, der die Gefangenenlager leitete, nach Grafenwöhr geflohen, wo sich Hoppe noch am selben Abend erschossen hat.

    Eine entscheidende Rolle bei der kampflosen Übergabe Hammelburgs spielte der damalige Stadtpfarrer Dr. Franz
    Mahr.
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