In die Eisdiele gehen ist nicht drin für Wolfgang Z. (Name geändert) und seine Familie. Seit sieben Jahren ist er Kunde bei der Tafel – und das nicht freiwillig.
„Ich habe 25 Jahre als Landschaftsgärtner gearbeitet. Dann kamen eine Atemwegserkrankung und immer mehr gesundheitliche Herausforderungen dazu, die mich eingeschränkt haben“, erzählt der 61-Jährige. Einige Jahre arbeitete er noch als Hausmeister, doch dann sank seine Belastungsgrenze immer mehr.
Vor gut zwei Wochen hatte er einen Herzinfarkt. Ein Telefonat mit der Redaktion ist trotzdem möglich, „meine Frau kümmert sich gut um mich“, beruhigt er.
Angst um die Familienexistenz
Arbeitsfähig sei er immer noch, „sieben ärztliche Gutachten wurden vom Amtsarzt abgelehnt. Er meint, ich könnte trotzdem noch sechs Stunden am Tag arbeiten, als Pförtner oder Kontrolleur. Aber diese Jobs gibt es nicht.“ Der Arbeitsplatz seiner Frau wurde Anfang des Jahres wegrationalisiert.
Am schlimmsten sei die psychische Belastung, von den Ämtern abhängig zu sein und um die Existenz der Familie zu bangen. Und das muss er trotz Bürgergeld. Deswegen geht er jede Woche zur Tafel.
„Am Anfang war es schon beschämend sich dort anzustellen, die Tafel war damals mitten in der Stadt und die Leute schauen einen an. Da hat man schon den Stempel der Bedürftigkeit an sich.“ Das sei für viele Familien schwierig, oft werden die Frauen vorgeschickt.
Ein halber Monat nur Nudeln mit Ketchup
„Aber irgendwann ist die Not so groß, da verschwendet man keinen Gedanken mehr daran.“ Die Tafel ist dann die einzige Möglichkeit satt zu werden, wenn Mitte des Monats das Geld ausgeht.
Doch wenn diese niemanden mehr aufnehmen kann, sieht es schlecht aus: „Hier auf dem Land gibt es ja keine Suppenküchen. Ich kenne viele Leute, die leben in der zweiten Hälfte des Monats nur von Nudeln mit Ketchup.“
Wolfgang Z. und seine Familie versuchen so gut es geht zu haushalten: „Einmal in der Woche ist Schnipsel-Tag, das heißt wir schnippeln alle Reste in einen Eintopf, von dem wir mehrfach essen. Freitags gibt es einen gemischten Salat zu essen.“
Samstags werden dann alle Sonderangebote gesichtet. Vom Fachhandel, auf dem Wochenmarkt oder gar Bio-Produkte zu kaufen ist undenkbar. „So wie die Lebensmittelpreise gestiegen sind, kann man sich bessere Qualität nicht leisten.“
Reicht zum Überleben
Allein fürs Essen würde das Bürgergeld zwar reichen, „aber es kommen ja noch so viele andere Kosten dazu, die man auf Anhieb gar nicht sieht.“ Kosten, beispielsweise für Medizin, für Kleidung oder wenn die Winterreifen abgefahren sind.
„Der Staat sagt, wenn man mit dem zur Verfügung gestellten Geld richtig umgeht, reicht es auch. Aber das stimmt nicht, es reicht zum Überleben, aber nicht zum Leben.“
Das merkt auch sein schulpflichtiges Kind. Vor kurzem ist es volljährig geworden. „Da konnten wir keine große Party machen. Aber wenigstens sind wir essen gegangen.“
Gerade spart es eisern auf den Führerschein. „Mein Kind hat bei uns eine bescheidene Lebensweise gelernt, auch als wir noch gearbeitet haben.“
Die Abiturprüfungen sind geschafft, aber der kaputte Laptop hatte vorher große Sorgen verursacht: „Es heißt immer, Bildung ist für alle gleich. Aber mit dem ganzen Schulmaterial, Büchern, Schulfahrten und Computer sind das massive Kosten – da werden Kindern die Bildungschancen genommen, auch wenn sie zum Abitur fähig wären“, findet Wolfgang Z..
Anpassung an die Inflation
Einen Unterschied zwischen dem früheren Hartz 4 und dem jetzigen Bürgergeld merkt er nicht wirklich: „Außer der Erhöhung um 50 Euro hat sich nichts verbessert. Auch die Drohungen vom Amt setzen einen weiterhin unter Druck.“
Forderungen an die Politik sieht er realistisch: „Natürlich darf ein Bürgergeld-Empfänger nicht mehr bekommen als ein Arbeiter.“ Aber die Höhe des Bürgergelds an die Inflation anzupassen, würde schon helfen.
Auch Arbeitsfelder für nicht so belastbare Personen zu erhalten und nicht in Billiglohnländer abzuschieben , würde Arbeitslosigkeit bekämpfen. „Wenn wir Arbeit hätten, die wir noch machen können, wären wir die glücklichsten Menschen.“
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