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Bad Kissingen
Ladendiebe immer jünger
Nach einem Hoch bei den Senioren gehen der Polizei seit Jahren immer mehr Minderjährige ins Netz.
Die Polizisten Jessica Räth und Jochen Emmerling haben für die Zeitung die Festnahme einer Ladendiebin in einem Bad Kissinger Supermarkt nachgestellt. Fotos: Ralf Ruppert       -  Die Polizisten Jessica Räth und Jochen Emmerling haben für die Zeitung die Festnahme einer Ladendiebin in einem Bad Kissinger Supermarkt nachgestellt. Fotos: Ralf Ruppert
| Die Polizisten Jessica Räth und Jochen Emmerling haben für die Zeitung die Festnahme einer Ladendiebin in einem Bad Kissinger Supermarkt nachgestellt. Fotos: Ralf Ruppert
Ralf Ruppert
 |  aktualisiert: 19.08.2022 19:25 Uhr
Ladendetektiv Bernd H. (Name von der Redaktion geändert) schlendert durch den Supermarkt. In Franken und Hessen jagt er Ladendiebe. "Es spricht sich schnell in der Szene herum, wo die interessanten Waren nicht gesichert sind oder wo das Personal ausgedünnt ist", erzählt er. Früher seien oft Zeichen außen an die Märkte gemalt worden, wenn ein Detektiv kontrolliert oder sonst erhöhte Vorsicht geboten ist. "Heute gibt es Smartphones", verweist er darauf, dass gerade Diebesbanden gut organisiert seien. Er sei auch schon fotografiert worden, um das Bild dann als Warnung zu verteilen.

Die organisierte Kriminalität aus dem Ausland nehme vor allem entlang der Autobahnen zu, berichtet Bernd H. aus der Praxis. Sonst gebe es in seinem Zuständigkeitsbereich, der auch Supermärkte im Kreis Bad Kissingen umfasst, aber keine Auffälligkeiten: "Die Diebe kommen aus allen Bevölkerungsschichten und umfassen alle Berufsgruppen." Begehrt sei vor allem, was sich gut weiterverhehlen lasse: vom Zahnbürstenaufsatz über Rasierklingen bis zu teuren Parfums und Cremes.


Steigende Zahl an Anzeigen

Mehrere Diebe pro Woche werden in der Bad Kissinger "Kaufland"-Filiale erwischt. Ab einem Warenwert von 2,50 Euro erstattet die Marktleitung konsequent Anzeige. "Die Detektiv-Einsätze sind gleich geblieben, aber wir haben unser Personal sensibilisiert", vermutet die stellvertretende Marktleiterin Rebekka Weikard als Ursache für die steigende Zahl der überführten Ladendiebe.

Auf Grund steigender Inventur-Verluste hat Kaufland sogar sein Sortiment umgestellt: "Den Bestand in der Kosmetik-Abteilung haben wir bereits reduziert", berichtet Weikard, und: "Zum Teil ist mehr gestohlen als verkauft worden." Bei teuren Gesichtscremes zum Beispiel werden nur wenige Päckchen ins Regal gestellt, bei anderen Waren wie Parfüms stehen schon längst nur noch die Verpackungen dort. Den Inhalt müssen sich die Kunden nach der Kasse an der Info-Theke abholen. "Das bedeutet für uns natürlich zusätzlichen Aufwand."

Besonders begehrt seien auch Batterien, kleinere Elektro- oder Geschenkartikel. "Und Schwangerschaftstests werden fast täglich geklaut, aber da geht es wohl weniger ums Geld, das passiert mehr aus Scham", vermutet Weikard. Im Kaufland bestätigt sich ein Trend, den die Polizeiinspektion Bad Kissingen insgesamt feststellt: "Wir greifen verstärkt junge Leute auf", berichtet die stellvertretende Marktleiterin.

"Die Ladendiebe heuer waren zwischen acht und 88", fasst der Bad Kissinger Polizei-Chef Stefan Haschke die Statistik der ersten neun Monate zusammen. Der Achtjährige habe ein Schnitzmesser, der Senior einen Stift in einem Schreibwarenladen mitgehen lassen. 29,5 Prozent aller Ladendiebe heuer waren Minderjährig, vor zwei Jahren waren es noch 7,9 Prozent, damals wurden besonders viele Senioren erwischt.


Abwärtstrend geht zu Ende

Insgesamt sank eigentlich die Zahl der Ladendiebstahl: 2012 registrierte die Bad Kissinger Polizei 152 Tatverdächtige, 2015 waren es nur noch 84, also ein Rückgang um 44 Prozent. Das führt Haschke vor allem auf die elektronische Sicherung der Waren, den Einsatz von Detektiven und die Schulung des Verkaufspersonals zurück. Allerdings gab es nun zwischen den ersten drei Quartalen 2015 und 2016 wieder einen Anstieg um 28 Prozent: von 74 auf 95. Das sei natürlich nur die Spitze des Eisbergs: "Tatsächlich müssen wir annehmen, dass das Dunkelfeld sehr hoch ist", weiß auch Haschke, dass nur ein kleiner Bruchteil der Diebe gefasst werden. Und selbst wenn sie beobachtet wurden, würden viele noch entkommen, bevor die Polizei vor Ort ist. In einigen Fällen agiere die Polizei sogar selbst als eine Art Ladendetektiv in Geschäften: Wenn beispielsweise bei amtsbekannten Drogenabhängige der Verdacht besteht, dass sie auf Diebestour gehen, würden auch mal Polizisten in zivil zum Einsatz kommen. Keine Auffälligkeiten gebe es dagegen bei Asylbewerbern in Bad Kissingen: Bislang sei nur ein einziger Flüchtling unter den 88 Tatverdächtigen heuer.

Zufrieden ist Haschke mit der abschreckenden Wirkung der Strafen beim Jugendrichter: "Das wird konsequent durchgezogen." Und erzieherische Maßnahmen wie Arbeitsstunden in sozialen Einrichtungen würden die Jugendlichen durchaus beeindrucken. Hinzu komme die so genannte Fang-Prämie, also eine Aufwandsentschädigung für die Detektive von rund 50 Euro. "Wir haben kaum Wiederholungstäter", berichtet der Polizei-Chef.
 
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