"Tatsächlich, wie die Zeit vergeht." Andrea Schallenkammer reagiert überrascht, als sie vom Reporter dieser Zeitung mit dem Thema konfrontiert wird: 20 Jahre Kurdirektorin im Staatsbad Brückenau . Am 1. April 2001 trat die heute 57-Jährige ihr Amt an. Im Interview sagt Schallenkammer, was sie von ihrem Jubiläum hält. Sie schaut zurück und voraus, erklärt, warum sie trotz anderer Angebote geblieben ist. Und wie das angeblich schwierige Verhältnis zur Stadt Bad Brückenau wirklich ist.
Frau Schallenkammer, 20 Jahre Kurdirektorin zu sein, ist etwas Besonderes, oder?
Früher, im Heilbäderverband, gab es viele Wegbegleiter, die ihren Posten als Kurdirektor/in ähnlich lange Zeiträume ausübten. Im Bäderland Bayerische Rhön zählen Werner Angermüller aus Bad Königshofen und Thomas Beck aus Bad Bocklet zu den langjährigen Kollegen.
Aber so lange im Amt zu sein, wird doch immer seltener....
I n allen Berufsbereichen gibt es heute etwas mehr Fluktuation, als das früher der Fall war. Ich bevorzuge die Kontinuität mit langfristigen Zielvorgaben und glaube an die nachhaltigeren Wege.
Bei der Interviewanfrage zu "20 Jahren Kurdirektorin" schien es, als hätten Sie Ihr Jubiläum gar nicht so auf dem Schirm.
Ich bin nicht so der Jubiläumsmensch.
Aber Sie freuen sich schon, oder?
Man muss sich fragen, was bedeutet das: 20 Jahre. Der reine Zeitablauf ist nicht so wichtig, was man feiern sollte, sind die besonderen Momente oder Erfolge.
Welche Projekte aus den 20 Jahren sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Da wäre zum Beispiel die Umstellung der Fernheizzentrale auf Holzhackschnitzel oder die Einweihung des Parkdecks mit der Remise und vor allem die Ansiedlung unserer Privatkliniken im Staatsbad. Das waren für mich spannende Projekte. Aber auch die stetige Weiterentwicklung unseres Parkhotels zu begleiten, ist eine Herausforderung, die keine Langeweile aufkommen lässt. Kleinere Projekte, die wir als Team umsetzen konnten, wie die Bewässerungsanlage, die Parkbeleuchtung oder das Sonnenplateau haben den Schlosspark ergänzt und im Ergebnis viele Freude bereitet.
Im Staatsbad wird gerne das "königliche Ambiente" betont. Haben Sie in den 20 Jahre eher eine konservative oder an modernen Strömungen orientierte Strategie gefahren?
Sagen wir mal so: Manche Kurdirektoren verfolgen gefühlsmäßig mehr das Moderne. Da bin ich eher die Traditionelle. Ich will das historisch Gewachsene bewahren; aber was die Annehmlichkeiten für die Patienten und Gäste des Staatsbades angeht, müssen das Moderne und der Komfort dominieren. Da geht es um die Produktqualität für die Kunden. Ich finde, die Heilquellenlounge verbindet Tradition und Moderne perfekt.
Würden sie sich als "Kurdirektorin vom alten Schlag" bezeichnen?
Damit kann ich wenig anfangen. Ich hänge nicht so an Einschätzungen und Titeln. Mir liegt mehr an Taten, Geschichten und Projekten, Erfolgen, die wir hier als Team erreicht haben. Wir haben strenge Zielvorgaben, die es einzuhalten gilt. Das gelingt nur gemeinsam. Jeder weiß, wo wir hinwollen und was an Projekten ansteht. Die Kurverwaltung hat sieben Abteilungen. Eine Vielfalt, die Sie als Kurdirektorin nicht allein stemmen können. Da braucht es die Fachkompetenz aus den einzelnen Abteilungen. Und zum Beispiel auch die des Staatlichen Bauamtes Schweinfurt.
Apropos strenge Vorgaben. Manch einer behauptet, das Staatsbad werde nur auf Wirtschaftlichkeit getrimmt.
Mit den vielen historischen Gebäuden wird es uns nicht gelingen, die Verluste auf Null zu bringen. Wir brauchen den Freistaat als verlässlichen Partner. Angesichts dessen langjährigen Engagements im Staatsbad kann ich Zwänge eher weniger erkennen; die Infrastruktur wird auf einem hohen Niveau erhalten. Aber wir achten natürlich auf Sparsamkeit. Die Corona-Pandemie verändert allerdings alles, setzt uns gewaltig zu.
Können Sie das genauer erklären?
Der Rückgang sowohl der Übernachtungs- als auch der Tagesgäste ist enorm. Das betrifft auch den Bereich der Hochzeiten und Tagungen. Im ersten Lockdown standen die Kliniken nahezu leer, was sehr hohe Einbrüche bei der Kurtaxe nach sich zog. Auch Konzerte fanden keine statt. Ich bin weit entfernt, von einem normalen Jahr zu sprechen. Aber wir stehen alle in den Startlöchern, dann loszulegen, wenn die Lockerungen kommen.
Seit Jahren wird über das Verhältnis zwischen Kurverwaltung und Stadt Bad Brückenau diskutiert. Es soll angespannt sein. Wie empfinden Sie das?
Das Verhältnis zur Stadt gestaltet sich so, wie es sich gehört, nämlich normal. Wir kommunizieren miteinander; ich treffe mich mit dem Bürgermeister. In der täglichen Zusammenarbeit haben wir kein Problem. Das Gerücht, dass es anders ist, kocht immer wieder hoch, seit 30 Jahren. Ich weiß nicht, woher es kommt. Auf direktem Weg konnte immer alles geklärt werden. Das war auch schon mit Jochen Vogels Vorgängern so.
In Bad Kissingen ist die Stadt über die Staatsbad GmbH am Kurbetrieb beteiligt. Die Verknüpfung ist so stärker gegeben.
Dieses Modell wurde auch für Bad Brückenau diskutiert - man hat sich für den Weg der Teilprivatisierung entschieden. Bestimmte Dienstleistungen wurden in den privatwirtschaftlichen Bereich ausgegliedert, zum Beispiel bei der Technik. Die Kurgärtner kooperieren mit externen Firmen; es gibt einen privaten Wach- und Schließdienst.Der Kurmittelbereich ist am Dorint-Hotel angesiedelt; bei Veranstaltungen arbeiten wir mit dem Bayerischen Kammerorchester und der Konzertagentur Provinztour zusammen.
Haben sie in all der Zeit nicht dran gedacht, anderswo zu arbeiten?
Ein paar Anfragen von außerhalb waren da. Abgewogen habe ich sie schon, dann aber für mich festgestellt: Hier ist es am schönsten und ich habe noch Projekte. Das Arbeitsumfeld mit dem Ambiente denkmalgeschützter Gebäude auf der einen und den umgebenden Wäldern auf der anderen Seite ist einmalig, auch für die Patienten und Gäste. Hier kann man wirklich durchatmen durch den Luftaustausch mit der Rhön. Und das sind jetzt keine Marketingsätze.
Haben die mehr als 20 in der Kurverwaltung Sie nachhaltig verändert?
Man verändert sich immer im Leben und wenn man einfach nur älter wird. Die Pandemie und die Beschränkungen, die das Bayerische Staatsbad massiv belasten - Hotellerie, Gastronomie, Veranstaltungswesen und vieles mehr sind nahezu lahm gelegt - das macht mich traurig. Aber als unverbesserliche Optimistin denke ich, dass wir schnell erfolgreich zurückkehren, sobald dies möglich wird.
Mit der Erfahrung aus 20 Jahren. Würden Sie den Job wieder annehmen?
Auch wenn es manchmal sehr schwierige Zeiten gibt und gab, ist das Aufgabenfeld mit seiner Vielfältigkeit immer spannend und Langeweile kenne ich nicht. Insofern ja, ich würde diese Herausforderung immer wieder gerne annehmen und genieße das absolut einzigartige Arbeitsumfeld.
Welche Ziele sehen Sie unmittelbar vor sich?
Im Moment gilt es, die Sanierung der Wandelhalle voranzutreiben, mit Schutz- und Hygienekonzepten den Betrieb aufrechtzuerhalten und bald mit Öffnungskonzepten zu starten. Hoffentlich kann das ehemalige Regena wieder etabliert werden und neue Kundenkreise erschließen. Unternehmensziel bleibt die moderate Ausdehnung des Staatsbades durch gezieltes Immobilienmanagement und die Vermarktung als Gesundheitsresort und Refugium der Ruhe mitten im Biosphärenreservat Rhön .
Haben Sie sich Gedanken gemacht, wie lange Sie noch Kurdirektorin bleiben wollen?
Ich weiß es nicht. Ich bin gesund und munter; die Arbeit macht mir Spaß. Wenn es nicht mehr so sein sollte, würde ich übers Aufhören nachdenken. Noch einmal 20 Jahre Kurdirektorin werden es wohl nicht werden. Mal sehen, was die Zukunft mit sich bringt.
Das Gespräch führte
Steffen Standke