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Wildflecken
Glaubensexperte zu "Glory Life": "Lasst die Finger davon"
Zwei Experten für Weltanschauungsfragen aus München und Hamburg haben eine klare Meinung zum Wundergottesdienst: Was da passiere, sei "unbarmherzig und zynisch".
Symbolfoto       -  Symbolfoto
Foto: Franziska Schäfer, Dall-E | Symbolfoto
Susanne Will
 |  aktualisiert: 01.11.2024 02:43 Uhr

Georg Karl, Leiter des religiösen Vereins „Glory Life“, hat kürzlich in Wildflecken einen Gottesdienst gehalten, in dem er Wunderheilungen versprochen hat. Durch bloßes Handauflagen und tiefes Gebet proklamierte er, im Haus des TV Wildflecken Knochen nachwachsen zu lassen, dort will er auch ein Hüftgelenk geheilt und eine Taube hörend gemacht haben. Kirchenrat Dr. Matthias Pöhlmann ist Landeskirchlicher Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Wie auch Pastor Jörg Pegelow von der Arbeitsstelle für Weltanschauungsfragen in Hamburg kennt er „Glory Life“.

Die Einschätzung der Experten: Die Gefahr besteht, dass den Kranken die alleinige Schuld gegeben wird. Wer wahrhaft glaubt, wird reich und gesund. „Das heißt im Umkehrschluss: wenn ich noch leide, habe ich mich noch nicht ganz im Geist geöffnet – und das fällt auf mich zurück.“ Unbarmherzig und zynisch nennt das Matthias Pöhlmann.

Problem: Heilungserwartungen, die beim Publikum geweckt werden

Matthias Pöhlmann,  Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern       -  Matthias Pöhlmann,  Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern
Foto: ELKB, McKee | Matthias Pöhlmann, Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern

Matthias Pöhlmann hat selbst schon einen Gottesdienst von "Glory Life" besucht. „Glory Life ist eine neocharismatische Gemeinde. Das heißt: Sie legt großen Wert auf Wirkung des Heiligen Geistes , etwa auf Prophetie und Heilungen.“ Das Problem seien die stetig neu befeuerten  Heilungs- und Wundererwartungen, die beim Publikum geweckt werden würden. „Georg Karl beruft sich auf göttliche Visionen, die sich jeglicher Hinterfragung entziehen. Ich erkenne eine autoritäre Struktur.“ Außerdem enthalte sich "Glory Life" jeglichen Kontakts zur Ökumene .

"Unbarmherzig und zynisch"

Für Matthias Pöhlmann bestehe die Gefahr, „dass Kranken die alleinige Schuld gegeben wird. Wenn man wahrhaft glaubt, wird man reich und gesund. Im Umkehrschluss: wenn ich noch leide, habe ich mich noch nicht ganz im Geist geöffnet  - und das fällt auf mich zurück. Das ist für mich unbarmherzig und zynisch.“

"Lasst die Finger davon"

Pastor Jörg Pegelow hat bereits einen Text über "Glory Life" in einer Publikation der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen verfasst. Inhalt: Seine Eindrücke von der „neocharismatischen Gemeinde“. Was würde er Menschen raten, die sich für "Glory Life" interessieren? „Kurz und knapp: Lasst die Finger davon“, sagt er. Es würden Heilserwartungen geweckt, „die weit über jede religiöse oder christliche Verheißung hinausgehen.“ Für ihn habe es nichts mit christlichem Glauben zu tun, „übersteigerte und utopische Hoffnungen bei Krankheiten zu suggerieren, die schulmedizinisch überhaupt nicht heilbar sind“.

Im Prinzip würde Gott so zu „einer Marionette unserer Gedanken gemacht, als Erfüllungsgehilfe unserer Wünsche, Vorstellungen und Sehnsüchte“. Das sei nicht sein Verständnis von christlichem Glauben. „Und das finde ich auch in anderen christlichen Kirchen nicht.“

Abwertende Äußerungen über andere Glaubensformen

Was er bei seinem Besuch eines Gottesdienstes von "Glory Life" erlebt  habe: „Dass Pastor Georg Karl sich sehr abwertend über andere Glaubensformen äußert – und auch das ist nicht mein Verständnis christlichen Glaubens.“

Hat er eine Erklärung, warum manche Gottesdienstbesucher glauben, dass es ihnen besser gehe? „Die enthusiastische Atmosphäre trägt dazu bei, dass man die eigene Befindlichkeit ein bisschen übersteigt. Zum anderen glaube ich, dass hier suggestive oder autosuggestive Mechanismen wirken.“

Verständlich, dass sich Menschen an Wunder klammern

Es sei zutiefst verständlich und menschlich, dass sich austherapierte Menschen daran klammern, „auf wunderbare Weise geheilt zu werden“. „Wenn ich dann aber höre oder lese, dass Schilddrüsen neu wachsen sollen, dass Karl eine neue Hüfte ,befiehlt‘, dann ist das jenseits dessen, was ich aus meiner nüchtern-norddeutsch-protestantischen Sicht als seriöse christliche Verkündigung ansehen kann. Es werden Versprechungen gemacht, die aller Wahrscheinlichkeit nach nicht Wirklichkeit werden. Und im Nachhinein löst das bei den Betroffenen ein schlechtes Gewissen aus, weil sie meinen, ihr Glaube lange dafür nicht.“ Und somit würden sich Kranke die Schuld am Verbleib der eigenen Lebensbeeinträchtigung gegeben.

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