Mhd Amer Al Hakawati lebt seit vier Jahren als Geflüchteter in Deutschland. Inzwischen setzt der Syrer sich als Vorsitzender des neu gegründeten Kissinger Begegnungszentrums der Kulturen selbst aktiv für Integration ein. Beim ersten Integrationsgipfel des Landkreises berichtet er von seinen Erfahrungen. Er erzählt von den Schwierigkeiten, als es darum ging, einen Platz in einem Sprachkurs zu bekommen, vom Frust als der studierte Rechtsanwalt auf der Suche nach Arbeit nur Absagen kassierte. Und davon, dass es trotzdem irgendwie geklappt hat und er inzwischen unbefristet bei der Post arbeitet. "Trotz mancher Schwierigkeiten habe ich viele meiner Ziele erreicht", sagt der Mann aus Damaskus. Ohne die vielen ehrenamtlichen Helfer wäre das so nicht möglich gewesen, sagt er.
Der Integrationsgipfel war für das Landratsamt der Startschuss auf dem Weg zu einem Integrationskonzept. "Wir möchten am Ende ein Handbuch haben für Kommunen und Vereine, wie Integration funktionieren kann", sagt Stefan Seufert , Asylkoordinator und Leiter des Bildungsbüros. Dieses Handbuch soll nicht nur aus grauer Theorie bestehen, sondern praxisorientiert sein. "Wir wollen es mit den Leuten erarbeiten, die mit Integration zu tun haben", erklärt er. Gekommen waren rund 70 Ehrenamtliche aus den Helferkreisen, Geflüchtete, Mitarbeiter von Bildungsträgern und Sozialeinrichtungen, Vertreter von Polizei , Arbeitsagentur und anderen Behörden. Sie haben sich auf sechs Arbeitsgruppen verteilt, die sich in den nächsten Monaten treffen, um an dem Konzept zu arbeiten.
Gute Bedingungen auf dem Land
Landrat Thomas Bold ( CSU ) erinnert daran, dass es nach 2015 erfolgreich und mit großer gesellschaftlicher Unterstützung gelungen ist, viele Flüchtlinge überall im Landkreis aufzunehmen. Das sei aber noch vergleichsweise einfach gewesen. "Jetzt ist langer Atem gefragt, um die Menschen zu integrieren", sagt er. Damit das gelingt, müssten die Migranten vor allem die Sprache lernen sowie Zugang zu Bildung und Arbeitsplätzen erhalten. Politik und Gesellschaft müssten hier unterstützen. "Wir brauchen ein praxisorientiertes Konzept um zu erkennen, wo wir ansetzen müssen", sagt Bold.
Professor Friedrich Heckmann ist Leiter des europäischen Forums für Migrationsstudien (efms) in Bamberg und Vorsitzender des Expertenforums beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Der Migrationsforscher hat den Integrationsgipfel begleitet. Er lobt das Engagement Bad Kissingens, weil es als einer der ersten Landkreise in Bayern an einem Integrationskonzept arbeitet. "Integration sollte eine normale kommunale Aufgabe sein und nicht freiwillig", fordert er. Integration verlaufe über Generationen. Auf der einen Seite sei erforderlich, dass der Migrant sich integrieren will, auf der anderen Seite müsse die Aufnahmegesellschaft auch offen sein und ihn dabei unterstützen. "Integration wird erfolgreich, wenn in sie investiert wird", sagt Heckmann.
Ländliche Regionen wie Bad Kissingen bieten nach Ansicht des Wissenschaftlers gute Voraussetzungen. Es gebe Arbeitsplätze und vergleichsweise günstige Wohnungen. Migranten haben weniger Möglichkeiten sich ethnisch abzuschotten, dafür ist der Druck größer, sich auf die Mehrheitsgesellschaft einzulassen. Problematisch sei hingegen die schlechte Abdeckung mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Für die Region wiederum sei positiv - neben der kulturellen Bereicherung - dass die Migranten zur Auslastung und zum Erhalt der öffentlichen Infrastruktur beitragen.
Mehr Kurse für Mütter
Die bayerische Integrationsbeauftragte Gudrun Brendel-Fischer ( CSU ) würdigt ebenfalls die Vorreiterrolle des Landkreises. Der hat "eine gute Richtung eingeschlagen". Sie wies auf die Fortschritte bei der Integration in Deutschland hin, zum Beispiel, dass zuletzt deutlich mehr Geflüchtete einen sozialversicherungspflichtigen Job gefunden haben. "Wir wollen kein neues Prekariat schaffen, sondern Aufstiegsmöglichkeiten bieten", sagt Brendel-Fischer. Sie fordert mehr Angebote, um Frauen in Integrationskurse zu vermitteln. Hierfür brauche es entsprechende Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder. "Die Frauen sollen nicht im Privaten verschwinden", sagt sie.