Am Sonntag besuchten die Wittershäuser Einwohner einen am Nachmittag angesetzten Gottesdienst zum Gedenken an die Gefallenen und Vermissten beider Weltkriege. Anschließend ging es zum Friedhof, wo die Freiwillige Feuerwehr einen Kranz zur Ehre der Gefallenen am Kriegerdenkmal niederlegte. Der Musikverein Wittershausen umrahmte das Zeremoniell mit den entsprechenden Musikstücken.
Und das vollziehen die Wittershäuser jedes Jahr am ersten Sonntag nach Neujahr. Eigentlich ungewöhnlich, denn der Volkstrauertag wird doch im November begangen, nicht aber in Wittershausen . Hintergrund ist ein Gelöbnis der Eltern gefallener und vermisster Soldaten im 1. Weltkrieg . Mit Errichtung des Kriegerdenkmals 1920 stifteten sie ein Seelenamt für ihre gefallenen Söhne, das immer an diesem Sonntag zu halten ist. Die damalige Gemeinde Wittershausen hat sich verpflichtet, das Kriegerdenkmal zu schmücken. Somit fällt der Volkstrauertag in Wittershausen jedes Jahr auf diesen Sonntag.
Nach dem Gottesdienst hielt der Ortsbeauftragte und Feuerwehrkommandant Elmar Sell seine Rede zu diesem Tag. Darin stellte er eine immer mehr nachlassende Teilnahme an diesem Gedenktag fest. Das Ableben der Kriegsteilnehmer und Zeitzeugen, sowie andere Interessen von Jüngeren führe zu diesem Trend. Doch die aktuelle Situation in der Ukraine lasse wieder Verbindungen zur Kriegsvergangenheit wach werden. Umso wichtiger sei es, das Gedenken wachzuhalten und die Lehren daraus nicht verkümmern zu lassen.
Anschließend stellte Hans Dünninger , wie jedes Jahr, einen der 16 gefallenen Soldaten von Wittershausen vor. Er recherchierte bis 2017 das Schicksal aller 96 Kriegsteilnehmer am 2. Weltkrieg und veröffentlichte darüber ein Buch mit 300 Seiten. Heuer wurde das Schicksal des Ernst Hülbig vorgestellt, dessen 100. Geburtstag und 80. Todestag sich jähren. Mit 17 Jahren musste er 1942 einrücken, gelangte über das Grenadierbataillon in Würzburg als MG-Schütze in den Einsatz. Nach Vernichtung der 44. Infanterie Division in Stalingrad kam Hülbig 1943 in die neuaufgestellte Reichsgrenadier-Division „Hoch- und Deutschmeister“. Über Südtirol, wo sie die ehemals verbündeten Italiener in Gefangenschaft nahmen, gelangte er in den Raum südlich von Rom. Im Januar 1944 landete die US-Armee über den Brückenkopf Net-tuno mit der Operation „Shingle“ in Italien an.
Bei den heftigen, aber aussichtslosen Abwehrkämpfen fiel der MG-Schütze Hülbig mit nur 19,5 Jahren. Nach Umbettungen liegt er heute auf den 1947 vom Volksbund für Kriegsgräberfürsorge errichteten deutschen Soldatenfriedhof Pomezia, 25 Kilometer südlich von Rom, mit weiteren 27.432 Kameraden. Er war einer der wenigen, die nicht in Russland eingesetzt waren und deshalb ein Grab mit Grabstein hat – ein junger Mann, der all seiner Träume und Hoffnungen und schließlich seines Lebens in einem sinnlosen Krieg beraubt wurde. Heute erlebe man das Gleiche aktuell in der Ukraine wieder. Nach der Kranzniederlegung am Kriegerdenkmal zogen die Teilnehmer mit Marschmusik zum Feuerwehrhaus, wo sie sich bei einem Umtrunk vom eisigen Wind erholten. red