Im Jahr zwei nach Lior Shambadal und den Berliner Symphonikern wagte der Winterzauber ein Novum und betraute Hermann Freibott mit einem Projektorchester aus der Region. Zusammen mit dem Star des Abends, der Sopranistin Anja Gutgesell entstand daraus ein vielschichtiges Neujahrskonzert .
Fünfzehn Jahre waren Lior Shambadal und die Berliner Symphoniker Garant für die Neujahrsunterhaltung in Bad Kissingen . Dass es auch in diesem musikalischen Neujahrsauftakt Jubel und stehenden Applaus für das Konzert und die Akteure gab, mag zum einen der Erleichterung geschuldet sein, dass es nach diesen so schwierigen Zeiten überhaupt möglich war, sich wieder den schönen Dingen des Lebens zuzuwenden, ist aber auch Dank an die Staatsbad GmbH als Veranstalter des Winterzauber. Der Mut, nicht irgendein Orchester zu verpflichten, das den Kultstatus der Berliner sowieso nicht erreichen könnte, sondern auf Künstler der Region zu setzen, zahlte sich aus.
Für die Gäste spielten die - zuletzt eher gescholtene - Staatsbad Philharmonie aus der Kurstadt unter Leitung von Hermann Freibott , den in mehreren Genres bewährten und in der Region vernetzten Dirigenten mit der Leitung eines Projektorchesters, der das Salonorchester aus der Wandelhalle mit ausgezeichneten Musikern aus der Region verstärkt und so eine "Frankenland Philharmonie" als Festivalorchester mit Anspruch generierte. Die Vorbereitung der Musiker durch Hermann Freibott - in Kissingen bekannt als Dirigent der Sängervereinigung - führte dazu, dass sich im Max-Littmann-Saal ein formidabler Klangkörper präsentierte.
Gekonntes Spiel der Musiker
Beim "Wiener Programm" gab es etwa den "Persischen Marsch" zu hören. In Bad Kissingen spielten die Musiker das Stück etwas langsamer, aber durchaus pointiert und selbstbewusst. Mehr Tempo nahm Freibott bei der Ouvertüre zu "Figaros Hochzeit" und dem Ungarischen Tanz Nr. 5 von Brahms . Da eilten die Streicher den Bläsern ein ganz klein wenig davon, vielleicht weil die Hörner räumlich getrennt von Trompete und Posaune saßen, aber beim Kaiserwalzer waren sich die Fraktionen des Orchesters wieder einig. Weiche Ansätze bei den Bläsern trafen auf gekonnte wiedergegebene Pizzicati aus dem "Sylvia" Ballett von Delibes.
Solistin dominierte die Bühne
Dass dieses "Wiener Programm" ein nachhaltiges Erlebnis war, ist vor allem der Solistin des Abends zu verdanken: Anja Gutgesell . Eine vielseitige Musikerin, die sich keineswegs auf "Wien" beschränkte. Sie zog mit ihrem Auftreten, und ihrer Stimme das Publikum schon beim ersten Auftritt bei der "Habanera" aus Carmen auf ihre Seite. Auf der Bühne passte es zusammen - der kokette Augenaufschlag, die laszive Gestik und das mitreißende Temperament. Der feurige Sopran füllte den Raum.
Für Applaus sorgte das Stück "Lippen schweigen". Und mit Marlene Dietrichs "Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt" und "Nimm dich in acht vor blonden Frau'n" legte Gutgesell nach. Ein Höhepunkt des Abends war "La vie en rose" von der französischen Chansonette Edith Piaf , getragen von Trompete und Posaune. Verantwortlich für das gefühlvolle Spielen war das eingespielte "Staatsbad Philharmoniker-Duo Reinhold Roth und Roman Riedel.
Zum Abschluss schlugen die blauen Donauwellen sanft ans Saale-Ufer und - ein kleiner Gag muss sein - es gelang, eine 70er Jahre Triumph-Adler Schreibmaschine aufzutreiben - mit der sich "The Typewriter" von Leroy Anderson trefflich untermalen ließ. Dirigent und Moderator Hermann Freibott gab, dankbar und bestens gelaunt dem Publikum das Motto für 2022 auf den Weg: "Das Leben ist nicht kompliziert, sondern eine Herausforderung."