Freie Meinungsäußerung ist wichtig. In der Sitzung eines politischen Gremiums stehen aber zunächst Fakten auf der Tagesordnung. Deshalb war es nicht besonders geistreich, dass Architekt Christian Teichmann bei seinem Auftraggeber Landkreis mit einer "Maulkorb"-Maske aufkreuzte – ohne etwas dazu zu sagen. Denn zum einen hat ihm in den Kreistagsgremien niemand den Mund verboten. Im Gegenteil schätzt man Teichmann im Kreistag als pfiffigen architektonischen Künstler.
Zum andern wird der "Maulkorb" als Masken-Aufdruck nun mal mit der Querdenker-Bewegung assoziiert. Verständlich, dass die Kreisräte*innen wissen wollten, wes Geistes Kind ihr Gegenüber ist. Schließlich haben sie dem Mann, der ihnen jetzt mit dieser vermeintlichen Protest-Aufschrift gegenüber trat, vertraut und ihm den Auftrag für ein 11,5-Millionen-Euro-Projekt übertragen, bei dem allein die Architektenleistung mehr als eine Million Euro wert sein dürfte.
Quer denken wird inzwischen negativ konnotiert
Deshalb war es wichtig, Teichmann im Kreisausschuss auf seinen persönlichen Mundschutz anzusprechen. Inzwischen stellte der Architekt klar, dass er keiner Protestbewegung angehört. Aber er will trotzdem "quer denken" dürfen im eigentlichen Sinn des Wortes, wenn er Kritik an den staatlichen Corona-Einschränkungen übt. Eine solche eigene Meinung zu haben, vielleicht sogar damit gegen den Strom zu schwimmen, muss aber auch zu Corona-Zeiten weiter möglich bleiben, ohne dass der Betreffende deswegen gleich in die Ecke von teils radikalen Protestlern gestellt wird. Toleranz ist angesagt.
Der Vorgang im Kreisausschuss macht auch deutlich, dass unser Umgang mit Kritik während der Corona-Pandemie auf den Prüfstand muss, denn allein eine Gesichtsmaske mit der Aufschrift "Maulkorb" macht den Menschen dahinter noch nicht zu einem Corona-Leugner. Im Umkehrschluss gilt aber auch: Wenn zahlreiche Leute derzeit ohne Murren in der Öffentlichkeit FFP2-Masken tragen, sind sie deswegen nicht, wie das Querdenker gern behaupten, blind staatshörig und einer angeblichen Diktatur verhaftet. Die meisten dieser Bürger*innen wollen sich damit vielmehr ihren Mitmenschen gegenüber solidarisch zeigen.