Sein Markenzeichen: sein Lächeln. Seine hervorstechendste Eigenschaft: Freundlichkeit zu jedem Menschen. Sein Job: Betreuer der Gäste in den Logen beim Kissinger Sommer . Otmar Lutz (75) ist seit 2013 Ansprechpartner für die VIPs des Festivals. Und hatte jetzt seinen letzten Kissinger Sommer , er hört auf. Ein Gespräch über Menschen, Handys und Empfänge und wie man am freundlichsten sagt: Sie sind nicht eingeladen, „du kommst hier nicht rein“.
Herr Lutz, Sie waren nicht immer Gästebetreuer beim Kissinger Sommer, doch Ihr voriger Job dürfte Ihnen dabei geholfen haben. Denn als Spielbankdirektor von 1999 bis 2013 haben Sie ja bereits Kontakte zu vielen Menschen, ob prominent oder nicht, geknüpft.
Ja, das stimmt. Zuvor war ich beim Finanzamt, zum Schluss Sachgebietsleiter in Bad Neustadt, war daneben an den Hochschule Dresden-Meißen und in Hersching tätig. Und Dozent bei der IHK.
Da lernt man viele Menschen kennen. War Ihr großes Netzwerk ausschlaggebend, dass Sie den Job als Gästebetreuer bekommen haben?
Es war sicherlich nicht hinderlich. In der Pensionierung hat mich der Vorstand des Fördervereins Kissinger Sommer angesprochen, ob ich nicht Lust hätte, die Personen zu betreuen, die viel Geld dafür ausgegeben haben, um Plätze in den Logen zu bekommen. Denn die sind oft herumgeirrt, wussten nicht, wo sie sitzen sollten, wo der Empfang ist und ob sie tatsächlich auch zum Empfang eingeladen sind. Ich habe sofort zugesagt.
Was genau war Ihr Job?
Ich fühlte mich als Empfangskoordinator für die acht Logen plus der Königsloge. Und: Ich bin eines der vielen freundlichen Gesichter des Kissinger Sommers.
Klingt nach einem schönen Job.
Und wie, auch wenn es natürlich neudeutsch Herausforderungen gab. Aber ich suche lieber Lösungen, als an Problemen festzuhalten. Beispielsweise, wenn Logen überbucht waren oder die Stadt oder Sponsoren kurzfristig noch Gäste eingeladen haben. Wir haben immer für jeden den richtigen Platz gefunden.
Sehr beliebt sind die Empfänge, da sind Sie ja auch so was wie ein Türsteher. Wie fühlt sich das an?
Das erfordert wirklich viel Fingerspitzengefühl und Diplomatie. Wer ist wirklich eingeladen und wer meint, eingeladen zu sein. Und dann kommt noch dazu, dass ich auch oft Menschen im Publikum entdecke, von denen ich meine, dass sie unbedingt zum Empfang kommen sollten. Weil sie da netzwerken, weil sie wichtig für den Kissinger Sommer sein könnten.
Und? Mit Erfolg?
Oft! Ein Beispiel: Ich habe zwei Bekannten vom Kissinger Sommer vorgeschwärmt. Die waren neugierig, so habe ich beide in der Königsloge platzieren können. Die waren so begeistert, dass sie jetzt Fördervereinsmitglieder sind und einer im fünfstelligen Bereich für das Festival spendet, der andere im vierstelligen.
Sie hatten es mit Ministern, Botschaftern, Wirtschaftsbossen und Musikern und Musikerinnen zu tun. Was bleibt Ihnen im Gedächtnis?
Ach, das würde Bücher füllen. Barbara Stamm zum Beispiel. Einer der verbindlichsten Menschen, die ich kennenlernen durfte. Als sie vor zwei Jahren das letzte Mal zum Kissinger Sommer kam, war sie schon schwer vom Krebs gezeichnet, sie starb ja auch kurz darauf. Sie wollte – darauf hat sie immer bestanden – kein Brimborium. Doch sie war zu schlecht auf den Beinen, als dass sie die Loge zum Empfang hätte verlassen können. Ich besorgte ihr einen weichen Stuhl und einen Hocker, dass sie ihre Beine hochlegen konnte. Und sie wusste noch immer, dass ich beim Musikverein 1962 Oerlenbach und im Rotkreuz-Orchester Posaune spiele. Das ist einfach schön.
Gab es auch die andere Art von Gästen?
Die gibt es immer, aber ich hatte nie Probleme. Einer, der ein Konzert gesponsort hatte, meinte mal, sich beschweren zu müssen, schließlich sitze er bei ARD und ZDF in der ersten Reihe, beim Kissinger Sommer aber nur in der zweiten Reihe der Königsloge. Da habe ich ihn ganz ruhig bei seiner Ehre als Gastgeber gepackt und ihm gesagt, dass ich als Gastgeber immer meinen Gästen die besten Plätze geben würde. Das hat er dann verstanden. Ansonsten: Elf Jahre ohne Ärger, Meckereien und Probleme!
Und was ging schief?
Eigentlich nur Kleinigkeiten. Als uns beim Empfang mal die Weingläser ausgingen, habe ich den Frankenwein in der Biertulpe ausgeschenkt – die Gäste fanden es spitze, die hatten großen Durst und haben sich bedankt, weil ins Bierglas mehr Wein hineinging.
Und dann angeschickert zurück in die Loge?
Ich habe nie eine Person im Konzert betrunken erlebt. Die Gäste sind wirklich sehr wohlerzogen, auch wenn es mal Handypannen gab. Ach ja, die eine Dame … Plötzlich klingelte ein Handy, das gesamte Publikum in den Logen wurde nervös, die Männer klopften ihre Taschen ab, die Damen durchsuchten ihre Handtaschen. Nur eine Dame war die Ruhe selbst und versunken in die Musik – und aus ihrer Handtasche klingelte es unablässig. Da bin ich dann hingerannt, habe sie angetippt, sie ist so erschrocken und war so nervös, dass sie die Handtasche nicht öffnen konnte. Ich habe es dann geschafft und das Handy ausgestellt.
Haben Sie sich auch die Konzerte angehört?
Nein, leider kein einziges. Von 18.45 bis 19.30 Uhr war ich jeden Abend voller Adrenalin. Und wenn ich wusste, dass alle auf ihren Plätzen saßen, verließ ich den Konzertsaal und habe mit dem Team zusammen den Pausenempfang organisiert. Das Team wird mir sehr fehlen. Ich war umgegeben von respektvollen, freundlichen Menschen, es ist eine familiäre Struktur im Team Kissinger Sommer ein sehr warmherziger Umgang. Alexander Steinbeis, der Intendant, Thomas Lutz und Erna Buscham pflegen einen sehr guten Führungsstil.
Was haben Sie am meisten genossen?
Die Gespräche mit den Musikern und Musikerinnen . Unglaublich, unter welchem Druck die herausragenden Musiker wie die ersten Geiger oder Hornisten stehen. Die bekommen ja mehr Geld – und viele haben den Eindruck, dass die übrigen Register-Musiker nur darauf wartet, dass der Solist einen Fehler macht und sein Job dadurch frei wird. Interessant ist auch, wie viele Gäste wir haben, die sich exzellent in der Musik auskennen. Einer hat mir beispielsweise prophezeit, dass Wolfgang Sawallisch, der an diesem Abend die Wiener Philharmoniker dirigierte, nicht zum Empfang kommen wird. Ich war absolut erstaunt und wollte wissen, warum. Der Mann sagte: Weil die Philharmoniker gespielt haben, wie sie wollten – und nicht wie er dirigiert hat. Und tatsächlich: Sawallisch war so verärgert, dass er dem Empfang fernblieb.
Sie dürften mittlerweile auch der Experte für den berühmten Littmann-Saal sein.
Bin ich wirklich, ich kann alle Details dazu erzählen. Seit einigen Jahren sehe ich mich auch als eine Art Botschafter für Bad Kissingen, weil ich den Gästen in der Logen alles über die Stadt, die Kuranlagen, das Welterbe und den tollen Sälen erzählen kann. Und daneben mache ich für die VIPs auch Stadtführungen.
Stadtführungen scheinen Ihr Hobby zu sein und Sie sind eine Institution in Bad Kissingen.
Ob ich eine Institution bin, das weiß ich nicht, glaube ich nicht und will ich auch nicht sein. Aber es stimmt schon, Stadtführungen mache ich weiter. Ich weiß meinen Job beim Kissinger Sommer in den allerbesten Händen. Stephanie Voll, die Leiterin des Gästeservices, ist eine unheimlich fähige Frau – das macht es mir leicht, wenn ich schweren Herzens sage: it’s time to say good bye.
Was machen Sie denn jetzt? Ruhe geben Sie doch kaum.
Stimmt. Jetzt freue ich mich erst mal aufs Rakozcy-Fest, da habe ich schließlich auch noch meinen Auftritt.
Welchen?
Ich bin seit Jahren der berühmte Barockbaumeister Balthasar Neumann im Festzug. Und als solcher mache ich während des Festes Gästeführung durch die Welterbestätte. Auch darauf freue ich mich schon sehr.
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