
Die Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP) hatte zu einem Vortrag in das Parkwohnstift eingeladen. Das Thema an diesem Abend war „Die Arktis , der Klimawandel und die Rivalität der Großmächte“. Referent war Dr. Michael Paul von der Forschungsgruppe Arktis der Stiftung Wissenschaft und Politik (Berlin).
Die Arktis , jene Zone auf der Nordhalbkugel nördlich des 60. Breitengrades, war bis vor wenigen Jahren wenig spektakulär: zum einen die dünne Besiedlung, zum anderen die das Leben einschränkende Kälte. Diese Region war lange Zeit geopolitisch stumm.
Das änderte sich mit dem Klimawandel und mit dem aggressiven Imperialismus der Russischen Föderation und Chinas. Genau genommen mit dem Ende der Perestroika 1991. Ein Prozess zum Umbau und zur Modernisierung der gesamten Sowjetunion unter Gorbatschow, der 1991 begann und vielversprechend für Frieden und Zusammenarbeit stand. Mit Putin und den vielfältigen, durch das Klima ausgelösten Änderungen war allen Anrainerstaaten klar, nicht nur Putin , die Arktis hat Zukunft.
Die Arktis , eine schlafende Region. Polarnächte, Eisbären, das mit einer dicken Eisschicht bedeckte Nordpolarmeer und Anrainerstaaten, die mehr wissenschaftlich die Polkappe, das Eis und die Gletscher erforschten, und dies in gutem Einvernehmen der Staaten.
Was bewirkte der Klimawandel? Die Baumgrenze wanderte von Süden nach Norden. Riesengebiete wurden eisfrei, die Permaböden tauten auf. Die Nordostpassage für die internationale Schifffahrt war möglich. Diese Route versprach kürzere Transportwege und damit günstigere Frachtraten. Die Russen, im Bau von Eisbrechern erfahren, setzten auf Beteiligung, wenn die Reedereien sich auf diese Route einlassen. Auch wenn die Route von Hamburg nach Shanghai sich um 4000 Kilometer verkürzt, die Erwartungen haben sich nicht erfüllt.
Die Ausdehnung des arktischen Eises geht zurück. Schätzungen des Pentagon gehen so weit, ein eisfreies Nordmeer sei ab 2030 zu erwarten. Da der Klimawandel in der Arktis um den „Faktor vier“ schneller verläuft als beim globalen Rest, sind die Schätzungen der Wissenschaftler realistisch.
Damit wird das bisherige Ökosystem einem grundlegenden Wandel unterzogen.
Wird aus der der Zone des Friedens eine waffenstarrende Festung? Diese Frage stellte der Referent. Längst hat die Russische Föderation Militärbasen eingerichtet. Langstreckenbomber können starten und landen. Hier ist Russland klar im Vorteil. Putin hat den größten Anteil am Festlandsockel. In der Propaganda wird die russische Polarregion geradezu mystisch überhöht. Völkerrechtlich hat es keine Bedeutung, wenn ein russisches U-Boot genau am Nordpol unter der meterhohen Eisdecke auf dem Meeresgrund eine russische Flagge versenkt. Diese besitzanzeigende Marke soll aus Platin gearbeitet sein. Für Putin ist die Arktis Identität stiftend. Es soll eine Überlegenheit vorangetrieben werden, die Fakten schafft. Ein Aspekt der Putin-Doktrin, Russland zurück zur alten Größe.
Wo liegen die wirtschaftlichen Vorteile? Eindeutig in der Gewinnung von Öl und Gas in der russischen Arktisregion. Der Verkauf der fossilen Energieträger machen die Hälfte des russischen Staatshaushaltes und ein Drittel des Bruttosozialproduktes aus!, so Dr. Paul.
Wo bleibt China in diesem Spiel der Weltmächte ? China ist kein Anrainerstaat. Und dennoch erklärt sich China als arktisnah und ist Mitspieler in dem riesigen Geschäft mit Öl, Gas und Rohstoffen. Dies gelingt den Chinesen über Beteiligungen bei russischen Staatsunternehmen. Ja, die Chinesen betreiben eigene Forschungsstationen. Sie wissen, der arktische Raum gewinnt langfristig an Bedeutung.
Auch die USA nahm Dr. Paul ins Visier. Über den Bundesstaat Alaska haben auch sie Anrainerrecht an der Arktis . Aus „wohlwollender Vernachlässigung“, so der Referent, scheinen auch die USA aus dem Dornröschenschlaf zu erwachen und die militärische und damit politische Bedeutung der Arktis „interessant“ zu finden. Wenigen ist bekannt, dass ein „Arktischer Rat“, dem die Anrainerstaaten angehören, Interessen ausgleichend wirkt und dieser eigentlich ein friedliches Instrument sein könnte. Dem ist nicht so. Russland ist auf Konfliktkurs.
Geopolitisch ist die Arktis heute schon gespalten. Zunächst der Westen mit den Nato-Staaten, USA, Kanada. Dänemark mit Grönland, Norwegen, Schweden, Finnland, Island. Dem stehen die sogenannten BRIC-Staaten gegenüber. Dem Westen im besten Fall neutral und geneigt, in das chinesisch-russische Lager einzuschwenken. Die BRIC-Staaten sind Brasilien, Russland, Indien, Südafrika. Staaten mit schnell und dynamisch wachsenden Volkswirtschaften und Bevölkerungszahlen.
Dr. Paul beendete seinen Vortrag mit einer Vision, die Zusammenarbeit aller Länder mit Blick auf den Klimawandel und das friedliche Zusammenwirken zum Erhalt unseres Planeten. Dieter Galm