Professor Heiko Paeth ist Klimaforscher an der Universität Würzburg . Sein Spezialgebiet: das Klima in Würzburg und Unterfranken allgemein. Somit kann er auch etwas dazu sagen, wie die Aussichten im Landkreis Bad Kissingen sind.
Rhön wird Würzburger Klima haben
"Im Großen und Ganzen kann man sagen: bis Ende des Jahrhunderts werden die kältesten Regionen in Unterfranken die Temperaturen der wärmsten Regionen in Unterfranken haben. Die Rhön wird also das Klima von Würzburg oder Aschaffenburg haben."
Zahl der Nächte über 20 Grad steigt
Zudem steigt die Anzahl der Tropennächte – also die Nächte, in denen die Temperatur nachts nicht unter 20 Grad fällt. Wie groß dieses Ausmaß ist, unterscheidet sich je nach Szenario, mit dem in die Zukunft geblickt wird.
Würde sich die Erde bis 2100 um 2,2 Grad erwärmen, stiegen die Tropennächte im Landkreis von ein bis zwei Tagen im Jahr auf drei bis fünf im Jahr. Beim 3,8-Grad-Szenario wären es sogar 13 bis 16 Tropennächte.
Niederschlag verteilt sich neu
Über das Jahr gesehen ändert sich die Niederschlagsmenge im Landkreis kaum. "Aber der Niederschlag wird sich umverteilten", weiß Paeth. Diese Umverteilung findet auf zwei verschiedene Arten statt.
"Zum einen verteilt sich der Niederschlag auf der Skala der Jahreszeiten um. Im Winter gibt es ein bisschen mehr Niederschlag, im Sommer wird es deutlich weniger." Das ist ein Problem, denn im Sommer ist der Wasserverbrauch sowieso höher. Neben Landwirtschaft und Weinbau auch bei privaten Haushalten. Sie duschen mehr, füllen Pools, sprengen den Rasen.
Zum anderen ändert sich der Niederschlag auf der Skala der einzelnen Tage. Es gibt Tage mit weniger Niederschlag als sonst und dann wieder Tage mit mehr Niederschlag als sonst, sagt Paeth. Heißt auch, dass es längere Trockenperioden und mehr Starkregentage gibt. Das Problem, das sich daraus ergibt: Der Niederschlag trifft auf trockene Böden. Diese können das Wasser nicht gut aufnehmen. "Ein gleichmäßiger Niederschlag wäre besser", meint Paeth.
Forschungsprojekt mit unterfränkischen Landwirten
In dem Forschungsprojekt " Bigdata@geo " arbeiteten Paeth und sein Team mit Betrieben aus der Forst- und Landwirtschaft in Unterfranken zusammen. Dafür haben er und sein Team ganz Unterfranken in einen Quadratkilometer große Flächen aufgeteilt und berechnet, wie sich das Klima ändern wird.
Das ist nun auf einer Karte im Netz abrufbar – vom durchschnittlichen Niederschlag über die durchschnittliche Temperatur, lassen sich auch Frosttage, Hitzetage und etliches mehr abrufen.
Zudem lassen sich zwei Szenarien einstellen:
- "rcp45" nimmt an, dass die mittlere Erwärmung bei 2,2 °C liegt (Ufra: 2,7 °C)
- "rpc85" nimmt an, dass die mittlere Erwärmung bei 3,8 °C liegt (Ufra: 4,4 °C)
Unterfranken hat etwas höhere Werte, da die Erwärmung dort überdurchschnittlich ist.
"Wir haben das berechnet, um Land- und Forstwirten oder Winzern etwas an die Hand zu geben, nach dem sie sich richten können", sagt Paeth. Nun beginnt die Neuauflage des Projektes, wo es um ganz Franken gehen soll.
Umgang mit Wasser muss sich ändern
Was bedeuten nun die Folgen des Klimawandels für die Region? Zum einen muss sich etwas im Umgang mit dem Wasser ändern: "Genauso wie eine Energie- und eine Wärmewende, brauchen wir eine Wasserwende.
Unsere derzeitige Wasserwirtschaft war darauf ausgerichtet, das Wasser so schnell wie möglich wegzubekommen. Jetzt brauchen wir genau das Gegenteil."
Die Infrastruktur dafür sei aber nicht vorhanden. Eine Möglichkeit, damit umzugehen, sieht er etwa in einem landwirtschaftlichen Umbau, der eine größeren Schwammwirkung des Bodens verfolgt – also, dass der Boden dann mehr Wasser aufnehmen kann.
Große kommunale Zisternen wären wichtig
Daneben gibt es technische Möglichkeiten wie ein Rezessionsbecken oder Zisternen. Aber hierbei meint Paeth nicht die Zisternen, die sich einzelne Haushalte in den Garten setzen. "Das ist rohstofftechnisch ein Unsinn. Sinnvoller wären große kommunale Zisternen, etwa unter Straßen."
Doch er weiß, dass Theorie und Wirklichkeit hier sehr weit auseinander liegen. "Das ist leider noch nicht richtig durchdacht. Es gibt auch noch kaum Förderprogramme dafür."
Rhön: Keine Wintersportregion mehr
Aufgrund der Temperaturveränderungen wird die Rhön zudem keine Wintersportregion mehr sein: "Man kann getrost davon ausgehen, dass der Skitourismus in allen deutschen Mittelgebirgen vor dem Aus steht. Das ist eine Entwicklung, die wir schon lange beobachten."
Landwirte müssen sich anpassen
Viel muss sich in der Landwirtschaft verändern. "Es wird wärmer, daher sind wärmeliebende Sorten sinnvoll. Aber es wird auch trockener. Hier wäre es sinnvoll, das Wasser zu speichern." Auch Landwirte hätten große Flächen, wo sie etwa Rückhaltebecken bauen könnten.
Auch ein Weg sei es, andere Produkte anzubauen, die weniger Wasser brauchen. Und es gebe die Möglichkeit der Bodenbearbeitung, die viel Einfluss auf die Beschaffenheit des Bodens und das Wachstum der Pflanzen hat. "Zuletzt wäre ein Vorschlag, Hecken zwischen den Feldern anzusähen, um den Wind zu brechen. Das verhindert die Verdunstung von Wasser auf den Flächen. Das gab es früher oft."
Doch der Klimaforscher weiß: "Das heißt aber auch, dass diese Hecken gepflegt werden müssen. Die großen Maschinen haben außerdem wahrscheinlich Probleme, über einen Feldweg zu fahren, an dessen Seiten auch noch Hecken sind. Zudem kostet das Geld."
Weinbau: Einfach neue Sorten sind keine Lösung
Ähnlich muss sich auch der Weinbau sich verändern und tut das schon jetzt. "Natürlich ist es eine Möglichkeit, dass Winzer wärme- und trockenverträglicher Pflanzen anbauen. Aber ich habe viel mit Winzern zu tun, und ich weiß: Das ist nicht ihre Strategie." Sie würden es eher mit anderen Kultivierungsmethoden versuchen.
"Die fränkischen Weinsorten haben ein charakteristisches Spektrum und einen Markt dafür." Und es wäre unsicher, ob sich die Winzer im Markt von neuen Weinsorten behaupten könnten. Sie versuchen also, ihre Sorten im neuen Klima zu erhalten.
Entweder, indem sie vom Südhang zum Südost- oder Südwesthang wechseln, oder mittels Blattschnitt – der mache auch schon viel aus. Paeth, der selbst aus einem fränkischen Weindorf kommt, weiß: " Winzer sind von Natur aus sehr experimentierfreudig." Das helfe ihnen in Zeiten des Klimawandels besonders.
Von Klimakonferenz (COP 28) enttäuscht
Von der im Dezember stattgefundenen Klimakonferenz (COP 28) in Saudi-Arabien ist der Klimaforscher "notorisch enttäuscht." Diese Klimakonferenzen hätten nie große Fortschritte gebracht, außer vielleicht in den Anfangsjahren. "Seit Paris dümpeln wir nur noch rum. Aber das Problem ist: Das Klimasystem interessiert das nicht. Das entwickelt sich rasant weiter."
In der Presse hieß es danach oft, das sei ein Paradigmenwechsel, weil die Staaten sich zum Ausstieg von fossilen Brennstoffen durchgerungen hätten. "Aber was bringt das, wenn keine verbindlichen Ziele und kein Zeitrahmen dabei sind?", fragt er.
"Die Fakten sind bekannt"
Die Vertreterinnen und Vertreter seines Fachs seien schon seit vielen Jahren nicht mehr auf den Klimatreffen vertreten. "Wir haben unser Wissen eingebracht. Die Fakten sind bekannt. Jetzt ist es eigentlich nur noch eine große Schlacht von Lobbyisten." Er beobachtet, dass viele Beteiligte auf den Konferenzen eher auf der Bremse stehen als gegen den Klimawandel zu kämpfen.
Über Prof. Heiko Paeth
Heiko Paeth lehrt am Institut für Geographie und Geologie und ist in der Arbeitsgruppe "Klimatologie - Team Climate".
Werdegang:
- 1997 schloss er sein Studium der Geographie, Meteorologie und Geologie an der Universität Bonn ab.
- 2000 promovierte er zum Thema "Anthropogene Klimaänderungen auf der Nordhemisphäre und die Rolle der Nordatlantischen Oszillation"
- Seit 2006 ist er Professor für Physische Geographie am Institut für Geographie und Geologie der Universität Würzburg
Seine Forschungsschwerpunkte sind:
- Klimaänderungforschung
- globale und regionale Klimamodellierung
- Klimafolgenforschung
- Saisonale Vorhersage
- Statistik
- Geoinformatik
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