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Hammelburg
Bericht von Klimaschutzmanager Philipp Spitzner: So weit ist Hammelburg mit seinen Klimazielen
Der Bericht des Klimaschutzmanagers Philipp Spitzner ist seit kurzem online verfügbar. Er zeigt, wo die Stadt steht, was sie gut macht und wo sie sich noch verbessern muss.
Klimaschutzmanager Philipp Spitzner auf dem Baderturm: Auch Photovoltaikanlagen in der Altstadt gehören zu seinen Themen.       -  Klimaschutzmanager Philipp Spitzner auf dem Baderturm: Auch Photovoltaikanlagen in der Altstadt gehören zu seinen Themen.
Foto: Ralf Ruppert | Klimaschutzmanager Philipp Spitzner auf dem Baderturm: Auch Photovoltaikanlagen in der Altstadt gehören zu seinen Themen.
Steffen Standke
 |  aktualisiert: 16.10.2024 09:02 Uhr

In diesen 168 Seiten steckt viel Arbeit. Das lässt sich schon erahnen, wenn man die ersten Seiten anklickt: Klimamanager Philipp Spitzner hat den  Klimaschutzbericht der Stadt Hammelburg erarbeitet. Er bietet einige überraschende Erkenntnisse. 

Am Anfang stellte sich Spitzner eine zentrale Frage: Wie weit ist Hammelburg beim Thema Klimaneutralität? Er schaute sich den Energiemix im Stadtgebiet an: Wer verbraucht wieviel Strom und Wärme? Wer stößt welche Treibhausgase aus? Wer produziert welche Art von Strom und Wärme?

Private Haushalte brauchen am meisten Energie

Spitzner betrachtete weitere Bereiche, darunter die Mobilität, Erneuerbare Energien, die privaten Haushalte, aber auch stadteigene Liegenschaften, das Beschaffungswesen, das Flächenmanagement und die IT-Struktur. Ergebnis: Die Saalestadt mit knapp 11.000 Einwohnern unterscheidet sich in vielem kaum von vergleichbar großen Kommunen. In manchen Dingen ist sie aber etwas weiter.

Nach Spitzners Erkenntnissen verbrauchten private Hammelburger Haushalte im Referenzjahr 2019 mit rund 29 Prozent knapp die meiste Energie aller Akteure. Dicht dahinter folgten Industrie und Verkehr mit jeweils rund 28 Prozent. Der Sektor Gewerbe, Handel und Dienstleistungen trug 14 Prozent am Gesamtenergieverbrauch. Der Anteil kommunaler Einrichtungen war gering: nur 1,08 Prozent.

Öl und Gas immer noch vorherrschende Energieträger

Wenig Überraschendes fand der Klimamanager zu den "bevorzugten" Energieträgern. Da dominierten im Referenzjahr Mineralöl (39 Prozent) und Erdgas (35 Prozent); zusammen deckten sie mehr als drei Viertel des Energiebedarfs. Strom kam auf  15 Prozent, „Erneuerbare Wärme“ auf acht , sowie „Nah- und Fernwärme“ auf gerade mal 1,66 Prozent. Laut Spitzner leisten "nachhaltige Energiequellen in  Hammelburg bereits einen gewissen Beitrag zur Energieversorgung".

In den folgenden beiden Corona-Jahren sank der Energieverbrauch insgesamt etwas, wobei sich das vor allem auf Öl und Gas bezog. Sowohl die Nutzung von Biomasse als auch die von Solarthermie und Umweltwärme stiegen leicht an. Der Stromverbrauch der Haushalte blieb über Jahre hinweg stabil.

Erdgas dominiert Haushalte und Industrie

Die privaten Haushalte näher betrachtet, dominierte 2019 Erdgas mit knapp 39 Prozent die Energieversorgung. Erst dann folgten Biomasse (23 Prozent), Strom (16 Prozent) und Heizöl (15,5 Prozent). Allerdings basieren die Daten teilweise auf Durchschnittswerten, weil genaue Angaben von Kaminkehrern fehlen. Nahwärme (4,38 Prozent) und Umweltwärme (1,21 Prozent) hatten eher geringe Anteile. Auch hier galt für die Folgejahre: Wegen Corona und milder Winter sank der Energieverbrauch insgesamt sowie der Anteil fossiler Energien; der der regenerativen stieg.

In Hammelburgs Industrie war Erdgas mit rund  70 Prozent vorherrschende Energiequelle. Es folgte Strom (knapp 29 Prozent); Heizöl machte nicht einmal zwei Prozent aus. Im Coronajahr 2021 stieg der Erdgasverbrauch sogar noch an. Auch der Sektor Gewerbe, Handel und Dienstleistungen war und ist von fossilen Energieträgern abhängig: Heizöl und Erdgas machten fast 80 Prozent des Energiemixes aus. Strom war ebenfalls relevant mit 15 Prozent. Erneuerbare Quellen wie Biomasse, Solarthermie und Umweltwärme spielten eine geringe Rolle (zusammen um die 5,5 Prozent). Spitzner sieht dort "erhebliches Potenzial, den Anteil nachhaltiger Energiequellen zu erhöhen und den Energieverbrauch
klimafreundlicher zu gestalten".

Diesel und Benzin bevorzugte Kraftstoffe

Im Verkehrssektor machten dem Klimamanager zufolge Diesel und Benzin nahezu 100  Prozent des Verbrauchs aus. Der Anteil des Stroms war mit 0,07 Prozent fast vernachlässigbar. Das dürfte sich zwar inzwischen geändert haben. Trotzdem waren Industrie und Verkehr für rund 60 Prozent der Emissionen von Treibhausgas im Stadtgebiet verantwortlich; private Haushalte folgten mit 23 Prozent. Spitzner plädiert dafür, "alternative Antriebsarten wie Elektromobilität zu fördern und den Ausbau der Ladeinfrastruktur voranzutreiben".

Interessant gestaltet sich ein Blick auf die lokale Stromerzeugung in Hammelburg. Dort spielen Erneuerbare Energien schon eine bedeutende Rolle. Für das Jahr 2021 berechnete Spitzner einen Strombedarf für die Stadt von 43.354 Kilomattstunden. Die Erzeugung aus Erneuerbaren Energien habe da schon bei knapp 35.568 Megawattstunden gelegen - ein Anteil von 82 Prozent am gesamten Stromverbrauch. Das liegt weit überm deutschen Schnitt von 42 Prozent.

Windkraft vorne bei Stromerzeugung

Wesentlich dafür verantwortlich: die übers Stadtgebiet verteilten sechs Windenergieanlagen, ein Photovoltaikpark, zwei Biomasseanlagen, vier Wasserkraftwerke und 876 kleinere Photovoltaik-Dachanlagen (Stand Juli 2023). Die Windkraft machte ab 2021 durch die Verdoppelung dreier bestehender Anlagen im Jahr zuvor mit 53 Prozent sogar den größten Anteil an der Stromerzeugung in Hammelburg aus.

Bei der klimaneutralen Wärmeproduktion besteht hingegen Nachholbedarf. Erneuerbare Energien trugen 2021 nur zu rund 16 Prozent zur Versorgung bei. Bundeschnitt: 17, 4 Prozent. Spitzner sieht - außer bei Biomasse - noch Potenzial, zum Beispiel bei Nah- und Umweltwärme sowie Solarthermie, wenn auch in begrenztem Rahmen.

Hammelburg "vergleichsweise umweltfreundlich"

Unterm Strich hält der Klimamanager in Hammelburg schon eine " vergleichsweise umweltfreundliche Energieversorgung" für umgesetzt. Die Stadt dürfe aber nicht nachlassen im Bestreben, "das Potenzial Erneuerbarer Energien voll auszunutzen und eine dauerhaft nachhaltige Energieversorgung sicherzustellen." Besonders bei der nachhaltigen Wärmeversorgung bestehe Potenzial. Der Ausbau von Nahwärmenetzen verspreche die effiziente Verteilung der Wärme.

Im Klimaschutzkonzept spricht Spitzner Photovoltaik und Windenergie eine Schlüsselrolle bei der Energiewende zu. Zusätzlich zur bestehenden PV-Fläche auf einer früheren Mülldeponie bei Untererthal hat er im Auftrag der Stadt drei relativ unauffällige Areale bei Untererthal, Pfaffenhausen und Morlesau für Module herausgesucht. Fürs Gelände bei Morlesau stellte sich im Stadtrat bereits ein Investor vor (wir berichteten).

Südöstlich von Gauaschach ist im Vorbehaltsgebiet WK  10 „Heide“ eine weitere Windkraftanlage geplant. Dort läuft das Flächenpooling. Da heißt laut Spitzner, dass sich die dortigen Flächeneigentümer zusammenfinden sollen, um gemeinschaftlich von den Pachterlösen der Anlage zu profitieren.

Stromverbrauch komplett mit Windenergie decken

Überhaupt könnte die Stadt über den Ausbau der Windenergie ihren Stromverbrauch bald komplett decken; eventuell sogar einen Überschuss erzeugen.  Mit den sechs bestehenden Anlagen tut sie das bisher zur Hälfte.

Dazu käme das Potenzial von PV-Anlagen nicht nur auf Freiflächen, sondern auch auf Dächern von Wohngebäuden, an Gebäudefassaden und Lärmschutzeinrichtungen sowie auf den Überdachungen von Parkplätzen. Bisher unterhält  die Kommune nur auf der Kinderkiste in Diebach und der Feuerwehr in Hammelburg solche Anlagen.

Der Stadt Hammelburg weist ihr Klimamanager eine Führungsrolle zu - durch die Umsetzung energetischer Maßnahmen und den verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien in ihren Liegenschaften. "Die Stadtverwaltung kann direkt gestalten und zugleich exemplarisch für nachhaltige Energieverwendung stehen." Dazu gehöre, die noch teilweise durch Diesel dominierte kommunale Fahrzeugflotte komplett auf Elektro umzustellen. Zu den insgesamt fünf öffentlichen E-Ladepunkte für PKW und einem Ladepunkt für E-Fahrräder in der Kernstadt und am Hotel Neumühle sollen weitere kommen, wünscht sich Spitzner.

Stadtverwaltung als Vorreiter

Er, der das Klimaschutzmanagement gerne dauerhaft in der Stadtverwaltung angesiedelt sähe, führt in seinem Bericht weitere Maßnahmen im Verantwortungsbereich der Stadt auf, darunter die Sanierung und Umstellung weiterer städtischer Gebäude auf stromsparendes LED (Straßenbeleuchtung und Rathaus wurden 2017 bis 2019 umgerüstet). Ein kommunales Energiemanagement müsste den Energieverbrauch der Liegenschaften überwachen, eine kommunale Wärmeplanung erstellt werden. Die Bauleitplanung müsse nachhaltig und klimafreundlich, die Beschaffung in der Stadtverwaltung nachhaltig erfolgen. Das Beratungsprogramm für private Eigentümer gehöre ausgebaut. Auch strebt er eine Änderung der Gestaltungssatzung für die Altstadt Richtung mehr Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel an.

 
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