Hinter der Kulissen von Paris ist das Leben noch einmal so süß, . . .“ Da sitzen sie vor malerischer Kulisse, Mönchsturm und Stadtmauer, und genießen ihren Erfolg. Ein Erfolg ist sie zweifelsohne, die zweite Auflage von Klein Montmartre, die das Dutzend Frauen in bestem Alter im neu angelegten Pfarrgarten von Hammelburg besingt. Baskenmützen auf dem Kopf, Trikolore-Schleifchen am Revers oder auf der Bluse und ein Glas Wein in der Hand – so feiern sie, fast ausgelassen. Nur eine stößt erst später hinzu: Andrea Mohr, die Vorsitzende von Kulturbunt, zieht noch Bilanz mit den Schaustellern und Künstlern, insgesamt 35 an der Zahl.
Diese dürften ihr kaum etwas anderes sagen als zuvor dem Marktforscher von der Zeitung. Zufrieden geben sich alle, einige sogar sehr zufrieden. Kein Ausreißer nach unten. Zwar jubelt auch keiner überschwänglich; doch dies wurde weder angestrebt noch erwartet. „Unser Ziel ist ja nicht, den Verein mit den Einnahmen zu finanzieren“, macht Martina Bay deutlich. Sie ist hauptsächlich am Mönchsturm zugange, trägt ab und an französische Gedichte vor in der Turmstube unter der Haube des Kuppeldaches, auf dem das mittlerweile verlassene Storchennest thront.
Die 90 Stufen nach oben erklimmen an diesem sonnigen Sonntag Hunderte. Wobei der Euerdorfer Künstler Helmut Droll, dessen Werke auf die Etagen des Turms verteilt sind, eine schwierige Aufgabe zu meistern hat: Er und seine Frau sorgen dafür, dass nicht mehr als 20 Personen im Treppenhaus unterwegs sind. Denn die Treppen sind so schmal, dass sie keinen Gegenverkehr zulassen und die Holzstufen oben so kurz, dass mancher ins Stolpern kommt – aber auch so steil, dass viele sich wundern: „Was, schon oben?!“
„Da sieht man ja fast die ganze Welt von hier oben“, staunt die kleine Rosa und lehnt sich aus dem kleinen Turmfenster. „Naja, ganz Hammelburg“, korrigiert der Papa. „Auf jeden Fall“, so Rosa abschließend „die ganzen Leute dort unten.“ Diese kommen nicht in Scharen, doch deren Strom plätschert gemütlich und kontinuierlich dahin, und das vom Auftakt um 11 Uhr bis die Sonne hinter Mauern und Bergen verschwindet. Wenn's stündlich 500 sind, kommt man auf etwa 3000 Besucher.
So sollte es auch sein: überschaubar und genussvoll. Hier spielt Michael Lukaszczyk aus Bad Kissingen auf dem Akkordeon, dort sorgt Peter Gernert mit seiner E-Gitarre für Begleitmusik. Auch das Akkordeon-Orchester von Thaddeus Folwarczny ist mit von der Partie.
Farblich dominiert zwar das französische Blau-Weiß-Rot. Beim Wein aber wird nur heimischer eingeschenkt. Der Plootz wird als Flammkuchen verkauft. Bratwürste gibt's keine. Die Kulturbunt-Theke ist um 16 Uhr geleert: 30 Kuchen ratzeputz weggegessen. Die Alufolien-Roller zum Kuchen-mit-nach-Hause-Nehmen werden nicht gebraucht. Auch der Ziegenkäse reicht nicht ganz: Am Abend servieren die Kulturbunt-Frauen zum Baguette nur noch fünf Käsesorten auf Tellern.
Die Schausteller kommen je zur Hälfte aus der Stadt und dem Umland. Ein Korbflechter aus Knetzgau, Kiefernrindenschnitzer Martin und Anke Rodde, die den Gästen vor allem Lust machen will, ihre Schätze zuhause mit Passepartouts kunstvoll zu präsentieren. Nebenbei verkauft sie auch eines ihrer großen Bilder. Bei vielen Künstlerkollegen sind es nur kleinere. Doch zählt für sie: Dabei sein, heißt, beachtet werden – zumal die Kunstwerke an der Steinmauer eine ganz eigene Wirkung entfalten. Visitenkarten sind die Währung des Tages. Mal schau'n, was nachkommt.
Handverlesen von den rund 20 Kulturbunt-Frauen sind die Anbieter. Ja, Frauen organisieren anders, zeigen sie sich selbstbewusst. „Wir sind zwölf Häuptlinge“, sagt eine. Jede habe eine klar definierte Aufgabe. Nur so geht's. Ihre Männer würden vor allem zum Auf- und Abbauen gebraucht. Auch Barbara Stross' Mann Ernst ist da – größtenteils als Bürger, wie er betont. Als solcher lobt er die angenehme und entspannte Atmosphäre, die gute Auswahl, die liebevolle Deko. Als Bürgermeister schwärmt er: „Eine wunderschöne Werbung für Hammelburg.“