Die Badekabinen im Sanatorium und Gesundheitszentrum Uibeleisen sind der Arbeitsplatz von Rosi Back. Hier verabreicht die Wellnessmasseurin den Patienten Solebäder nach ganz traditioneller Art. Dreht sie den Zulauf auf, fließt Heilwasser aus dem Luitpoldsprudel in die Edelstahlwannen, etwa 150 Liter pro Anwendung. Die Sole kommt direkt aus der Quelle über Leitungen in dem Sanatorium in der Prinzregentenstraße an. Sie ist zunächst noch kalt und wird erst in der Wanne auf 36 Grad Badetemperatur erwärmt. "Heißer sollte es nicht sein, weil es sonst auf den Kreislauf geht", sagt Back. Ein Dampfkessel pumpt heißen Wasserdampf in Heizspiralen, die im Innern der Wanne angebracht sind. Nach rund vier Minuten ist das Wasser warm.
Solebäder werden bei rheumatischen Beschwerden eingesetzt, erklärt die Therapeutin. Sie helfen bei Hautkrankheiten , wirken blutdrucksenkend und entspannend. Weil sie den Kreislauf anstrengen, sind sie nicht für Menschen mit schweren Herzerkrankungen geeignet.
Viele Stammgäste des Hauses schwören auf die Solebäder. "Das in der Sole setzt sich auf der Haut wie Sektperlen ab", beschreibt Rosi Back. Für die Patienten sei die Anwendung etwas besonderes. "Viele bedauern, dass es seit der Schließung des Kurhausbades nicht mehr viele Bäder mit Kissinger Sole in der Stadt gibt", sagt sie.
"Das ist eine ganz klassische Kuranwendung, hier wird noch Kur gelebt", sagt Gabriele Eckloff. Die Unternehmerin führt seit 18 Jahren das Uibeleisen. Das Sanatorium ist als Privat- wie auch als Rehaklinik zugelassen. 120 Mitarbeiter sind hier beschäftigt. Drei festangestellte Ärzte gibt es, zudem kommen zwei Badeärzte als Belegärzte ins Haus. Das Therapie-Portfolie reicht von traditionellen Anwendungen wie Bädern und Inhalationen, über Massagen und Wärmebehandlungen bis hin zu Physio- und Ergotherapien sowie Biomechanischen Stimulationen. 180 bis 190 Patienten mit Herz-Kreislauferkrankungen , orthopädischen Beschwerden und Krankheiten im Bereich innere Medizin werden im Normalfall gleichzeitig betreut. Für das Sanatorium ist es wichtig, breit aufgestellt zu sein. "Unsere Gäste sind sehr gesundheitsbewusst und kommen nur wegen der Therapien zu uns", sagt Eckloff.
Gelebte Kurtradition
Drei Kurhäuser gibt es aktuell in Bad Kissingen , die medizinische beziehungsweise Wellness-Soleanwendungen anbieten und die ganz wie früher über Leitungen direkt von der Quelle mit dem Heilwasser gespeist werden: das Sanatorium Uibeleisen , das Hotel Kaiserhof Viktoria sowie das Hotel Erika. Diese gelebte Tradition ist für Bad Kissingens Welterbe-Bewerbung als Teil der Great Spas of Europe von Bedeutung. Im Antrag, den die Bewerbergruppe Angang 2019 bei der Unesco eingereicht hat, legen alle elf Kurorte dar, inwieweit bei ihnen bis heute die Kur als "living tradition" existiert. "Die Kur ist dabei ganzheitlich gedacht", erklärt Bad Kissingens Unesco-Sitemanagerin Anna Maria Boll.
Gelebte Tradition kann Freizeitgestaltung, Sport und Kultur betreffen, oder aber den Bereich Medizin. "Da geht es um das Wissen, wie Heilquellen genutzt werden und darum, dieses Wissen an zukünftige Generationen weiterzugeben, um die Nutzung auch in Zukunft zu ermöglichen. Das ist für die Bewerbung besonders wichtig", sagt sie.
Das Uibeleisen sei ein gutes Beispiel für die "living tradition", weil das Sanatorium die Sole medizinisch nutzt. Außerdem geht das Sanatorium auf die Weltbadzeit zurück und ist auch architektonisch als Heilanstalt dieser Zeit erkennbar.
Von Brunnenfrau bis Rehaklinik
Wenn es um den medizinischen Aspekt der "living tradition" geht, hat Bad Kissingen natürlich mehr vorzuweisen. In der Wandel- und Brunnenhalle ist die Trinkkur mit dem Heilquellenausschank zu erleben. Die großen Bädehäuser von früher wie Luitpold- und Kurhausbad sind zwar geschlossen, in der Kisssalis-Therme können Besucher aber immer noch im Heilwasser entspannen. Zudem zieht in das Kurhausbad das Institut für Kurortmedizin des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) ein. Dies "steht damit in Bad Kissinger Tradition medizinischer Forschung ", merkt Boll an. Kneippbecken im Park und an der Unteren Saline, letzteres direkt durch die Mineralquelle Runder Brunnen gespeist, führen die Kurtradition fort. Und: "Das Gradierwerk an der Unteren Saline dient bis heute als Freiluftinhalatorium", sagt die Sitemanagerin.
Überhaupt liege Bad Kissingens große Stärke darin, ein facettenreicher Gesundheitsstandort zu sein. Die modernen Kliniken führen das Weltbaderbe der Stadt genauso fort wie physiotherapeutische Praxen, die Moorpackungen oder Kohlesäurebäder verwenden, Badeärzte, die Patienten mit Kissinger Heilquellen behandeln und die Brunnenfrauen in der Wandelhalle, die das Heilwasser an Gäste ausschenken. Wichtig für die Bewerbung ist, zu zeigen, "dass Bad Kissingen als Kurstadt weiterbestehen und sein Erbe in die Zukunft führen kann", betont Boll, und: "Die bedeutenden Kurstädte, die sich um die Heilquellen entwickelt haben und das Wissen um die Kurmittel sind ein kultureller Schatz, den es zu schützen gilt."
Zur Unesco-Serie
Bewerbung Elf traditionsreiche Kurorte aus Deutschland, Tschechien, Österreich, England, Italien, Frankreich und Belgien wollen als "Great Spas of Europe" von der Unesco als Weltkulturerbe anerkannt werden. Warum ist die Gruppe, warum ist Bad Kissingen als Teil der Gruppe welterbewürdig?
Die Saale-Zeitung beleuchtet regelmäßig in einer redaktionellen Serie die Hintergründe. Im nächsten Serienteil geht es um die kulturelle Seite der "living tradition". lbo