
Als wäre es gestern gewesen, sprudeln die Erinnerungen beim Klassentreffen derjenigen, die am 15. Oktober 1945 in Bad Kissingen eingeschult worden sind:
„Da hinten stand die Gulaschkanone für die Schulspeisung“, und: „Da war die damalige Hilfsschule drin.“ Oder: „Eine Schultüte hatte keiner von uns“, und „Reichen die Schulbänke für alle?“
Neben einem gemeinsamen Essen stand für den Sonntag ein Besuch in der Kissinger Anton-Kliegl-Mittelschule auf dem Programm. „Wir wurden in der ehemaligen Berufsschule in der Maxstraße eingeschult,“ erklärt Gerd Schindelmann als Organisator des Klassentreffens, das er seit 1984 alle fünf Jahre organisiert.
Zum achten Mal traf man sich jetzt, wobei der Kreis der ehemaligen Mitschüler immer kleiner werde, bedauerte Gerd Schindelmann. Ein altes Klassenfoto sei die gemeinsame Erinnerung an die Einschulung: „Wir waren 61 Schüler, eine reine Bubenklasse.“
Doch mittlerweile seien 45 Mitschüler gestorben und einige Adressen seien nicht mehr aktuell. So konnten 17 ehemalige Mitschüler eingeladen werden und zwölf kamen zum geselligen Teil, wogegen nur sechs an der sonntäglichen Besichtigung der Anton-Kliegl-Schule teilnahmen.
Begrüßt wurden sie von Hans-Jürgen Hanna als Rektor der 1931 gegründeten Schule mit aktuell 500 Schülern aus 40 Nationen, die von 52 Lehrkräften unterrichtet werden.
Da 1945 alle größeren Gebäude von den US-Streitkräften besetzt waren, darunter auch die Anton-Kliegl-Schule, waren die Gebäude an der Maxstraße das Ausweichquartier für die Einschulungsklassen mit 84 Mädchen und 94 Buben. Die aufsteigenden Klassen gingen in die Kliegl-Schule.
Aus den 178 Erstklässlern ergaben sich drei Klassen, und von daher war verständlich, wenn es Sorge um das notwendige Mobiliar gab.
Schindelmanns Klasse war eine reine Knabenklasse mit 61 Schülern, wobei es damals üblich war, die Klassen nach Geschlechtern und nach Konfessionen zu trennen.
Rektor Hanna hatte sich auf den Besuch der ehemaligen Schüler vorbereitet, in den Archiven gestöbert und tatsächlich noch Schülerbögen gefunden, die bis in das Jahr 1932 zurückreichen.
Mit Erlaubnis zitierte Hanna aus dem Schülerbogen von Gerd Schindelmann, in dem einerseits die Rahmenbedingungen der damaligen Zeit festgehalten waren und andererseits natürlich auch die Beurteilungen des Schülers Schindelmann, der eigentlich in die Volksschule des damals noch selbständigen Ortes Hausen hätte gehen sollen. Die Beharrlichkeit seiner Mutter und eine Ausnahmegenehmigung ermöglichten es ihm, dann doch die Schule in Bad Kissingen zu besuchen.
Auch wenn sich im Rückblick so manches verklärt, wie die mittlerweile 85-jährigen „Erstklässler“ feststellten, schaffte der Beginn der Schulzeit eine gewisse Normalität. Die Jahre zuvor waren ja durch die Ungewissheiten der Kriegsjahre geprägt gewesen.
Doch es gibt auch schmerzhafte Erinnerungen an Ohrfeigen und Schläge mit dem Rohrstock.
Erschwert wurde die Situation durch einen Lehrermangel, und deshalb griff man auf Aushilfslehrkräfte zurück, die teils im Schnellverfahren, teils gar nicht auf ihre Aufgabe vorbereitet worden waren.
Erinnerungen gab es auch an Erbsensuppe und Griesbrei, für den man ein Metalltöpfchen dabei hatte – auch wenn es manchmal nur eine Konservendose mit Drahtbügel war.
Der Schulalltag war geprägt durch unregelmäßigen Unterricht. Fächer waren Deutsche Sprache, Schrift, Rechnen und Raumlehre, Heimatkunde, Leibesertüchtigung oder Religionslehre.
Hefte und Bücher waren rar. So gab es pro Bank nur ein Buch, und anfangs habe man auf der Schiefertafel das Schreiben gelernt: „Die war kostbar, und wichtig waren noch Schwämmchen und Lappen.“
Trotz dieser schwierigen Umstände überwiegen aber die positiven Eindrücke. Sehr schön war der Gemeinschaftssinn, und schließlich gab es auch Lehrkräfte, die sich fürsorglich um die Kinder gekümmert haben.