„Das sieht fast aus wie ein Hund“, sagt Julia und lacht. Dann ist die 13-Jährige wieder voll konzentriert und untersucht weiter die Probe unter dem Mikroskop. Noch etwas unsicher dreht sie an dem kleinen Rädchen, um die Schärfe einzustellen, dann schiebt sie das Glasplättchen etwas nach links.
Was sie untersucht? Schlamm aus dem Belebungsbecken der Bad Kissinger Kläranlage. Und das, was sie als Hund beschreibt, ist ein Mikroorganismus, der - vereinfacht gesagt - das bereits mechanisch geklärte Abwasser biologisch reinigt. Oder, wie Alexander Pusch, Bereichsleiter des Klärwerks in Bad Kissingen, es nennt: „Er macht eine Brotzeit.“
Mikroorganismen, Belebungsschlamm, Klärwerk – das hört sich nicht nach dem an, was 13-jährige Mädchen typischerweise interessiert. Doch der Bad Kissingerin ist das egal. Die Schülerin der Anton-Kliegl-Schule nutzt am Girls' Day die Chance hinter die Kulissen der Anlage zu schauen. Auch das sie die Einzige ist, stört sie nicht. Im Gegenteil: „So haben die Mitarbeiter viel Zeit, um mir alles genau zu zeigen.“
Julia ist erst das zweite Mädchen, das in den vergangenen vier Jahren an einem Girls' Day im Klärwerk Bad Kissingen teilgenommen hat. Sie ergriff die Initiative und bewarb sich dort. „Wir haben im Unterricht gelernt, wie ein Klärwerk funktioniert. Jetzt möchte ich mir das einmal anschauen“, sagt sie. Doch das ist nicht der einzige Grund, weshalb sich Julia für einen Probetag im Klärwerk entschieden hat.
Sie beeindruckt vor allem, dass das alltägliche Leben ohne ein Klärwerk und seine Mitarbeiter nicht möglich wäre. Und dass durch die Tätigkeit dort die Umwelt direkt geschützt werden kann. Wie genau das funktioniert, erfährt Julia direkt vor Ort.
Proben nehmen, Schlamm mikroskopieren, mit chemischen Tests die Wasserqualität überprüfen - das sind nur einige der Dinge, die die Schülerin übernehmen darf. Gemeinsam mit Azubi Johnny Heyn testet sie unter anderen den Nitratwert des Auslaufwassers. Chemieunterricht pur. Und genau das macht Julia Spaß. „Ich züchte Kristalle, da ist es auch wichtig sich etwas mit Chemie auszukennen“, erzählt die Schülerin.
Doch die Arbeit im Klärwerk hat mehr Facetten. „Als Fachkraft für Abwassertechnik hat man Einblicke in viele Berufe von Elektrotechniker über Chemielaborant bis hin zu Schlosser“, erklärt Bereichsleiter Alexander Pusch. Auch Julia merkt schnell, dass Arbeiten im Klärwerk mehr ist als Laborarbeit. Am Nachmittag muss sie beispielsweise einen Lkw mit einem Container beladen oder darf bei einer Kanalabsaugung zuschauen.
Stinkig, dreckig, ekelig - das sind die Vorurteile, die viele Menschen gegenüber der Arbeit in einer Kläranlage haben. Und auch Julia gibt zu: Es stinkt tatsächlich, doch man gewöhnt sich daran. Aber dreckig sei es nicht – zumindest nicht im Labor oder den Büroräumen, sondern allenfalls bei der Arbeit in den Kanälen.
Ob Julia tatsächlich einmal in einem Klärwerk arbeiten möchte, weiß sie noch nicht. Aber eines hat sie in jedem Fall mitgenommen: Die Arbeit im Klärwerk ist sehr vielseitig und es gibt nach Julias Ansicht keinen Grund, weshalb eine Frau den Job nicht machen könnte.