Zum Abschluss des Kissinger Winterzaubers ist Prominenz im Regentenbau anwesend, sogar Bischof Franz Jung - der Musikliebhaber spielt Querflöte - ist aus Würzburg gekommen. "Der Winterzauber ist erwachsen geworden", meint Oberbürgermeister Kay Blankenburg ( SPD ) und Kurdirektorin Sylvie Thormann zieht eine positive Bilanz des Festivals. Dazu passend glänzte das Abschlusskonzert, das mit zwei außergewöhnlich populären Werken gespickte war. Gerd Schallers Orchester Philharmonie Festiva spielte Tschaikowskis Welterfolg, das Klavierkonzert Nr. 1. Dazu Beethovens Fünfte.
Gerade der fulminante Beginn des Klavierkonzerts mit schmetternden Waldhörnern, abgelöst von einem raumgreifenden Fortissimo-Gewitter des Flügels lässt keinen unbewegt: Einmal gehört, immer im Gedächtnis. Das Klavierkonzert wurde bereits von allen großen Pianisten gespielt, es gibt legendäre Aufnahmen, etwa Horowitz im intimen Musikvereinssaal in Wien oder Lang Langs frenetisch gefeiertes Konzert vor zwanzigtausend in der Waldbühne Berlin.
Wie Gerd Schaller, seine Philharmonie Festiva und die deutsch-rumänische Pianistin Luiza Borac diese Herausforderung angenommen haben, war nicht so beeindruckend zu erwarten. Dabei hatte es gar nicht so eindringlich angefangen. Schaller nahm die ersten Takte vielleicht einen Tick langsamer als abgesprochen, die vielfach ausgezeichnete Pianistin hätte es gerne etwas schneller gehabt. Sie eilte dem Orchester fast davon, aber mit Gerd Schaller steht ein hochaufmerksamer Dirigent am Pult. Mit klaren Gesten und intensivem Minenspiel kann er Nuancen an die Musiker weitergeben.
Blickkontakt aus den Augenwinkeln, fordernde Geste zum Orchester und nach 20 Takten war alles eine Einheit, die bis zum letzten Ton trug. Hochgelobt, vielfach ausgezeichnet und auf den großen Musikfestivals Europas zuhause, führt Luzia Borac mit den Akkorden und Läufen des ersten Satzes einen wahren Veitstanz auf. Sie übernimmt im zweiten Satz die Pizzicati der Querflöte mit Leichtigkeit, verklärt die Passage mit leichten Akkorden. Auch im dritten Satz, als das Anfangsgewitter zurückkehrt, gelingen lyrische Interpretationen, wenn Borac schwebenden Violinen mit federleichtem Sliel antwortet. Der Beifall der Musiker für die Pianistin spricht für sich, der Applaus des Publikums galt Schaller und Borac gleichermaßen. Die Bravos waren allemal verdient.
Die Sinfonie Nr. 5 in c-Moll ist als "Schicksalssinfonie" in die Musikgeschichte eingegangen. Beethovens Biograf Anton Schindler wird dieser Beiname zugeschrieben, als er bei der Frage nach dem Eingangsmotiv vom Komponisten die Antwort erhielt: "So pocht das Schicksal an die Pforte". Wie bei Tschaikowski ist das wieder ein so ins Ohr gehender Beginn. Vier Töne, drei markante Achtel auf G und ein lang gezogenes Es in fortissimo: Das eingängige Ta-ta-ta-taaa ist die vielleicht berühmteste Tonfolge der Klassik. Schön, bei der Festiva eine Frau an den Kesselpauken sitzen zu sehen, die mit sichtbarer Spielfreude betont, was Beethoven komponiert und Schaller weitergibt. Im 2. Satz dominiert ein ausholendes Motiv mit sattem Streicherklang, der fließend von jedem einzelnen der Bläser weitergetragen wird. Im dritten Satz überzeugt vor allem der Dialog der Celli mit dem warmen Holzton des Fagotts. Den vierten Satz gestaltet Schaller fordernd zum Triumphmarsch, zum Sieg über das Schicksal. Nach einem langen Moment des Schweigens gab es brausenden Applaus nicht nur für das Werk, sondern auch für die Interpretation. Nach dem mitreißenden Konzert gab es als Zugabe den Ungarischer Tanz Nr. 5 von Brahms. Womit die Juwelen der Klassik fast komplett wären.