Tim Weidig und Philipp Mohr kannten sich schon vorher vom Percussionsstudium an der Nürnberger Musikhochschule und vom Musizieren in diversen Schlagzeugensembles. So wundert es nicht, dass die beiden in der Zeit des konzertierenden Weggesperrtseins in der Coronapandemie die Zeit nutzten, sich an der Hochschule ein Marimbaphon „auszuleihen“ – so ganz legal war die Aktion offenbar nicht, aber manchmal heiligt eben doch der Zweck die Mittel – und zuhause zu üben.
Percussion-Duo „zweiPLUSeins“
Sie bauten vorher die Resonanzrohre aus, um die Nerven der Nachbarschaft zu schonen. Und so entstand so ganz nebenbei durch das gemeinsame Üben ein neues Ensemble: das Percussion-Duo „zweiPLUSeins“ – klar: zwei Musiker, ein Instrument.
Früher im Jugendmusikkorps gespielt
Dass die beiden jetzt beim Winterzauber gastierten, ließ sich nicht nur musikalisch begründen. So mancher wird über den Namen Philipp Mohr gestolpert sein: Er ist Kissinger, begann bei Thomas Friedrich in der Städtischen Musikschule auf die Pauke zu hauen und spielte viele Jahre im Jugendmusikkorps. Jetzt kam er als Profi zu einem Heimspiel.
Bongas, Congas, Bremstrommeln
Natürlich hatten die beiden nicht nur ein Marimbaphon mitgebracht, sondern eine ganze Auswahl über Vibrafon, jede Art von Trommeln, Bongos, Congas und vieles mehr bis hin zu Bremstrommeln, die übrigens wunderbar klingen können – also alles, womit man Krach machen kann, aber auch nur so viel, wie zwei Leute gleichzeitig bedienen können. Und so begann das Konzert zwar spektakulär, aber leise: mit dem Prélude aus Johann Sebastian Bachs Englischer Suite a-moll BWV 807 in einer Version für Marimbafon zu vier Händen.
Ob es Johann Sebastian Bach gefallen hätte?
Die Frage ist müßig, ob Bach das gefallen hätte – vermutlich schon, denn instrumententechnisch war er immer auf der Höhe der Zeit. Heute jedenfalls konnte die in die Gegenwart geholte Interpretation des Duos gefallen, weil der Marimbaklang außerordentlich klar ist und weil die beiden Musiker diese Klarheit nutzten, um in einer sehr differenzierten Anschlagtechnik, deutlicher Dynamisierung und Agogik und mit wechselnden Klangfarben die raffinierte Bauart des Satzes und die Emotionalität offenzulegen – und zwar deutlicher, als das mit einem Cembalo oder Clavichord möglich ist. Ein wunderbarer Beginn.
Bach tauchte auch im zweiten Teil des Konzerts noch einmal auf: Tim Weidig spielte, wieder am Marimbafon, aus der bekannten Lauten-Suite e-moll BWV 996 Bourrée und Gigue. Auch hier konnte das Instrument seine Klangqualitäten ausspielen, aber gerade deshalb fiel auf, dass die beiden Sätze kompositorisch nicht ganz die Raffinesse der Englischen Suite erreichen.
Komponisten leben noch
Und im barocken Geist ging es nach der Ouvertüre erst einmal weiter mit der „Passacaglia“ der Warschauerin Anna Ignatowicz-Glinska (*1968) – das war überhaupt ein erfreulicher Aspekt, aber das liegt auch in der Natur der Sache, dass es neben Bach ausschließlich Originalkompositionen von lebenden Zeitgenossen gab. Formal folgt die Passacaglia noch dem barocken Schema. Aber durch die Verwendung von Marimbafon und Vibrafon mit ihren völlig verschiedenen Klangfarben bekam die Musik bei allen Verschmelzungen nicht nur reizvolle Kontraste, sondern sie begann auch ein bisschen zu swingen und zu tanzen.
Klänge wie am Bahnübergang
In eine völlig andere Richtung ging „Crossing“ von Benjamin Holmes. Crossing bedeutet hier Bahnübergang, und das lässt schon einiges befürchten. Aber Holmes schafft es mit verblüffend kleiner Instrumentierung – zwei Snaredrums, zwei Toms, Zil-Bel und Bremstrommel – ein höchst plastisches und plausibles Bild zu erzeugen.
Zil-Bel und Bremstrommel liefern die Töne der Bahnübergangsglocke, die von den beiden Musikern im Wechsel absolut präzise gespielt werden müssen (da fühlt man sich an Ravels „Le gibet“ erinnert) und die überlagert werden von den höchst virtuos gespielten polyrhythmischen Geräuschen der vorbeifahrenden Wagen und vor allem der Lokomotive. Da kommt man dann doch ins Schmunzeln.
Erinnerung an die Taigatrommel
Denn man denkt unwillkürlich an den Bahnübergang zwischen Schmiedefeld und Stützerbach. Die schwere russische Diesellok, die den Zug den Thüringer Wald hinaufschleppte (heute leider nicht mehr) nannten die DDR-Bürger „Taigatrommel“. Jetzt wissen wir warum.
Geradezu meditativ wirkte dagegen „Fragment“ von John Psathas, die rhythmisch den Zuhörer weniger forderten, aber mit abschattierten Klangfarben von Marimba- und Vibraphon punkteten.
Emmanuel Séjourné knüpfte in seinem Prélude Nr. 1 auch noch einmal an Bach an, zeigte dann aber, zu was eine Snaredrum fähig ist – ein Unterfangen, das von Alexej Gerassimez und seinem „Asventuras“ für di Snaredrum und ihre Anschlagsmöglichkeiten noch erweitert wurde.
Und natürlich durfte Steve Reichs Monument der Minimal Music, seine „Clapping Music“ nicht fehlen, eine Klatetüde, in der sich ein konstanter und ein sich immer leicht verändernder Rhythmus schließlich wieder treffen – eine enorme Konzentrationsleistung.
Mit Stricknadeln
Der Amerikaner Gene Koshinski, Schlagzeugprofessor an der University of Delaware, stand mit drei Stücken im Mittelpunkt des zweiten Teils mit „Dance oft he Drums“, „Swerve“ und „As one“. Er erwies sich als der verblüffendste unter den Komponisten, bei dem die Musik auch schon mal im Off beginnt, auch mit einer archaisch geheimnisvollen Tröte, die sich als große Muschel erwies. Und der mit Echoeffekten und Klanghölzern arbeitet, der auf „Fremdklänge“ wie die einer Laute zielt, der auch mal mit Stricknadeln oder einem typischen amerikanischen Türstopper arbeitet. Nein, bei Gene Koshinski gab es nicht nur jede Menge zu hören und zu sortieren, sondern auch zu sehen.
Die Zugabe war ein virtuoses Ausrufezeichen: der extrem schnell gespielte „Hummelflug“ von Nikolai Rimski-Korsakow .
Auch interessant: