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Bad Kissingen
Wunderschöne Stimmungsbilder auf der Harfe
Die beiden Harfenistinnen Regine Kofler und Silke Aichhorn brillierten im Rossini-Saal und legten das Geheimnis ihres Instruments offen.
Die beiden Harfenistinnen Regine Kofler und Silke Aichhorn in den Rossini-Saal       -  Die beiden Harfenistinnen Regine Kofler und Silke Aichhorn in den Rossini-Saal
Foto: Thomas Ahnert | Die beiden Harfenistinnen Regine Kofler und Silke Aichhorn in den Rossini-Saal
Thomas Ahnert
 |  aktualisiert: 07.11.2023 16:18 Uhr

„Wer den Begriff Harfe hört, denkt meistens an lange Haare, blond, und langes schwarzes Kleid.“ Ein etwas ungewöhnlicher Einstieg in ein Konzert, zu dem die beiden Harfenistinnen Regine Kofler und Silke Aichhorn in den Rossini-Saal geladen hatten. Aber er war gut, um die lastende weihnachtliche Besinnlichkeit ein bisschen zu durchbrechen und auch den Eindruck des Mystischen, den zwei fast zwei Meter hohe Konzertharfen auf einer Bühne vermitteln, in die Wirklichkeit zu holen.

Und so nutzte Silke Aichhorn in ihrer informativen, aber eben auch humorvollen Moderation – wie später auch Regine Kofler – die Gelegenheit, nicht nur sich, sondern vor allem ihr Instrument vorzustellen. Denn es gibt kaum ein Musikgerät, das so geheimnisvoll ist, dessen Geheimnis von den Musizierenden allerdings auch gerne gepflegt wird.

Eine athletische Angelegenheit

Dabei ist das Spielen der Harfe nicht damit getan, täglich ein paar Saiten zu zupfen und dazu Halleluja zu singen. Sondern es ist eine ziemlich athletische Angelegenheit. Schon der Transport dieses mit 40 Kilo und mehr schwersten (klassischen) Orchesterinstruments ist logistische und physische Anstrengung. Dann das ständige Stimmen, denn die Harfe reagiert sehr stark auf Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsschwankungen.

Und dann das Spielen! Schon die Haltung ist nicht allzu bequem. Man sitzt hinter dem Korpus, der an die Schulter gelehnt wird, und muss ständig um ihn herumgreifen, um die Saiten zu treffen – die strukturierenden roten Saiten sind immerhin eine kleine Hilfe. Aber einen nicht unwesentlichen Teil der Arbeit müssen die Füße leisten. Die Harfe wird gerne als senkrecht stehendes Klavier beschrieben. Aber korrekt wäre: als Klavier ohne schwarze Tasten.

Appell an den Intellekt

Die Halbtöne werden ausschließlich durch die – in diesem Fall der Doppelpedalharfe – sieben Pedale erzeugt, mit denen über eine komplizierte Mechanik die schwingenden Saiten verkürzt werden. Und das erfordert zusätzlich vollste Konzentration. Treffender wäre ein Vergleich mit einer Orgel, wenn auch ohne Register.

Der Vergleich mit dem Klavier ist auch deshalb nicht ganz treffend, weil das Klavier mehr Klangfarben hat als die Harfe . Das Klavier appelliert stärker an die Emotionalität, die Harfe an den Intellekt; da rückt die Ausführung wesentlich weiter nach vorne. Bestes Beispiel war gleich zu Beginn die „Aria in a Classic Style“ des Franzosen Marcel Grandjany.

Die Aria erwies sich als eine barocken Strukturen verpflichtete Komposition mit klarer Themenführung, typischen Verzierungen und dynamischen Kontrasten. Pianisten könnten sich hier durch die Dichte des Satzes zum Pathetischen verleiten lassen. Bei der Harfe funktioniert das zum Glück nicht. Hier war es die große Transparenz, mit der die Musik punkten konnte.

Erstaunlichen Selbstverständlichkeit

Auch César Francks bekanntes „Prélude, Fugue et Variation“ profitierte davon. Denn das ursprüngliche Orgelwerk des Klassizismus bekam seine Überzeugungskraft nicht durch die klangliche Wucht der Orgel – obwohl natürlich auch Harfen ziemlich laut werden können –, sondern durch die konstruktive Transparenz und Verdeutlichung der inneren Logik.

Musikalisch war die „Etude de concert“ op. 193 von Felix Godefroid vielleicht nicht so ergiebig; aber der Belgier war gefeierter Harfenist und wusste, was technisch möglich war an raffinierten Glissandi oder komplizierten Akkorden oder Dämpfungen. Er konnte damit beeindrucken – wie auch Regine Kofler, die die Etüde mit einer ganz erstaunlichen Selbstverständlichkeit spielte.

Mit dem Original im Ohr

Eine höchst anregende Sache war die Bearbeitung von Bedrich Smetanas „Die Moldau“ für zwei Harfen wegen ihrer beliebten bildkräftigen Musik. Aber noch spannender wurde sie, wenn man das Original im Ohr hatte, wenn man nachvollziehen konnte, wie die vollsinfonischen Möglichkeiten auf die zwei Harfen übertragen wurden.

Köstlich war gleich der Beginn, an dem die Flöte mit eiligen Sechzehntelläufen das Auftauchen des Wasser aus dem Boden beschreibt. Das funktioniert mit einer Harfe genauso gut. Vielleicht ist das „Flötenwasser“ ein bisschen weicher, aber in den „Harfentropfen“ spielt das Licht genauso intensiv.

Bedrängnis ist spürbar

Natürlich lässt sich die gefährliche Wucht der Sankt-Johann-Stromschnellen mit einem Orchester leichter furchteinflößend gestalten. Aber die Bedrängnis wurde auch in dem packenden Fortissimo der beiden Harfen deutlich. Die waren dafür am Ende überzeugender, an dem die Moldau in der Elbe verschwindet. Denn ganz leise waren sie da wieder, die Tropfen, die zu Beginn so munter aus der Erden gesprudelt waren.

Wunderschöne Stimmungsbilder zeichneten die drei Lieder der Suite „Cambria“ von John Thomas, thematisch inspiriert von der walisischen Folklore und in ihren Farben und Stimmungen weite Klangräume eröffnend. Futter für die Pathetiker hätte auch Godefroids „La prière des bardes“ werden können, aber das Interesse wurde recht schnell auf die technische Umsetzung mit überraschenden Wendungen geleitet.

Wie das auch Silke Aichhorn bei Gabriel Piernés Impromptu caprice op. 9 gelang mit seinen höchst virtuosen Effekten und Verzierungen. Franz Liszts Notturno Nr. 3 „Liebestraum“ hatte durch seine starke, dynamisch delikate Gestaltung wirklich viel Träumerisches, konnte da aber durch die Doppelbesetzung kleine Spannungen aufbauen.

Lustvoll und spannend

Die große Überraschung war „Baroque Flamenco“ der kalifornischen Komponistin und Harfenistin Deborah Henson-Conant, die die Harfe im Jazz etabliert hat.

Sie hat Zitate aus Singspielen von Jean-Jacques Rousseau mit wildem spanischem Flamenco kombiniert und damit nicht nur lustvoll spannende Musik geschaffen, sondern auch gezeigt, wie sehr die Harfe über prägnante Rhythmen hinaus perkussiv einsetzbar ist: nicht nur im Anspiel der Saiten, sondern auch durch rhythmisches Schlagen auf den Korpus. Das Vergnügen war nicht nur bei den beiden Musikerinnen enorm.

Als Zugabe spielten Regine Kofler und Silke Aichhorn die „Toccata for a Wild Old Lady“, die Peter Horton für Harfenduo geschrieben hat. Da ging es noch einmal zur Sache. Aber zum Schluss wurde es dann doch weihnachtlich mit dem ruhigen „Staad werd’n“ der Traunsteinerin Karin Schroll. 

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