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Bad Kissingen
Kissinger "Welterbe-Managerin" im Gespräch: Wann wird der Titel in der Stadt sichtbar?
Anna Maria Boll ist Site Managerin und seit zwei Jahren für das Bad Kissinger Welterbe verantwortlich. Das sagt sie zum vielen Leerstand und wie sich das Leben in Bad Kissingen durch ihre Arbeit verbessert.
Anna Maria Boll in der Wandelhalle       -  Anna Maria Boll in der Wandelhalle
Foto: Benedikt Borst | Anna Maria Boll in der Wandelhalle
Charlotte Wittnebel-Schmitz
 |  aktualisiert: 21.10.2022 15:55 Uhr

Seit Juli gehört Bad Kissingen zum Unesco-Welterbe "Great Spa Towns of Europe". Zeit, mit Site Managerin Anna Maria Boll eine Bilanz zu ziehen.

Sie sind Site Managerin. Darunter können sich viele Menschen nichts vorstellen.

Anna Maria Boll: Der Begriff kommt aus dem Englischen. Die "Site" oder "property" bedeutet "das Schutzgut", "die Stätte". Also der "Stättenverwalter". Das ist etwas technisch. Im Englischen ist der Begriff gebräuchlicher.

Alle Welterbestätten müssen einen Ansprechpartner nachweisen, der sich vor Ort für den Schutz, Erhalt und die Vermittlung einsetzt. Jemanden, der im Blick behält, ob der Managementplan und das Monitoring umgesetzt wird. Jede Welterbestätte hat also einen Site Manager.

Wie erklären Sie einer fremden Person, was Sie konkret in Bad Kissingen machen?

Als Site Managerin bin ich vor Ort Ansprechpartner für die Belange des Welterbes und habe die Aufgabe, gemeinsam mit den verschiedenen Behörden - von Denkmalschutz bis Wasserwirtschaftsamt - vor Ort den Schutz, Erhalt und die Vermittlung der Welterbestätte voranzubringen. Ich beschäftige mich mit vielfältigen Themen wie Stadtentwicklung , Tourismus, Öffentlichkeitsarbeit, Bildung und Nachhaltigkeit.

Auch der Austausch mit den Bürgern und Bürgerinnen, dem Einzelhandel, Vereinen, den Kirchen und Privateigentümern und Privateigentümerinnen ist ein wichtiger Teil der Arbeit. Und ich bin Teil der internationalen Arbeitsgruppen der gemeinsamen Welterbestätte "Great Spa Towns of Europe", in denen wir Site Manager uns auf internationaler Ebene austauschen.

Was ist bei Ihrer Arbeit für Sie selbstverständlich, das Sie anderen Leuten aber immer wieder erklären müssen?

Wichtig ist, immer wieder in Erinnerung zu rufen, das nicht Bad Kissingen allein Welterbe ist, sondern wir im Verbund, insgesamt elf bedeutende Kurstädte gemeinsam Zeugnis des europäischen Kurphänomens sind. Nur zusammen sind wir eine Welterbestätte, zusammen stehen wir auf der Liste des Welterbes und nur zusammen sind wir stark.

Wie viel Neues werden die Menschen in der nächsten Zeit durch die Welterbe-Zugehörigkeit in Bad Kissingen entdecken?

Das Welterbe wird Stück für Stück präsenter im Stadtbild werden. Von der geplanten Welterberoute als Ergänzung zu den bestehenden Denkmalrouten, über ein Führungsangebot, das den Bad Kissinger Teil des Welterbes erschließt bis hin zu Merchandisingprodukten. Mit der "Great Spa Towns of Europe" (GSTE) Tasse, die es auch in anderen Städten der GSTE gibt, haben wir einen Startpunkt gesetzt.

Wir arbeiten zudem an neuen Autobahnschildern, Ortsschildern und einem Welterbe-Willkommensschild auf dem Tattersallparkplatz. Außerdem möchten wir eine Interimslösung für das Welterbebesuchszentrum umsetzen. Last but not least feiert dieses Jahr die Stadt erstmals interdisziplinär und mit vielen Partnern den Welterbetag mit Rahmenprogramm.

Ein Leser schrieb uns in einem Leserbrief: "Wegführungen, Schilder, Willkommensstationen, Tassen, Bücher - Wo sind die wirklich neuen Ideen?" Wie sehr stehen Sie unter Erfolgsdruck?

Natürlich spüren wir den Druck. Ich glaube, das ist aber ein gutes Zeichen. Es zeigt, dass die Menschen am Welterbe interessiert sind. Ich finde es gut, dass die Bad Kissinger und Bad Kissingerinnen anspruchsvoll sind. Ich finde es auch gut, dass der Ruf nach neuen Ideen laut wird. Und das Site Management ist jederzeit gerne bereit ins Gespräch zu kommen, wenn es eine Idee aus der Zivilgesellschaft gibt.

Keine Einwände?

Schade finde ich, dass manchmal unsere Arbeit mit Welterbestätten verglichen wird, die es teilweise seit 20 Jahren gibt.

Unsere Stärke liegt in der Vernetzung, vor Ort und auch in der internationalen Gruppe. Diese Stärke verlangt aber auch mehr Abstimmungsprozesse, die oft auch mehr Zeit in Anspruch nehmen. Ich bin aber überzeugt, dass es die Qualität der Arbeit steigern wird.

Vor Ort möchten wir natürlich auch erst einmal die Basics bereitstellen: Gästeführungen, Vermittlungsarbeit und den Schutz der Welterbestätte bei den Entwicklungs- und Bauprojekten unterstützen.

Wirklich neue Ansätze gibt es aber durchaus auch: So zum Beispiel der Fassadenwettbewerb des Kurparkressorts und das Kommunale Denkmalkonzept. Das Markenmanagement der gemeinsamen Marke der elf Städte ist ebenfalls völlig neu und soll unsere Welterbestätte bereichern.

Frühstens 2026 ist mit dem Welterbe-Besuchszentrum zu rechnen - von der Zwischenlösung mal abgesehen. Wieso dauert das so lange?

Zunächst muss ein endgültiger Standort gefunden werden. Der Stadtrat hat sich für eine klare Priorisierung für die Untere Saline ausgesprochen und der Verwaltung gleichzeitig den Auftrag gegeben, auch andere potentielle Standorte nicht gänzlich aus dem Blick zu verlieren.

Im besten Fall gelingt es uns, einen Leerstand zu beseitigen und mit dem Welterbebesuchs- und begegnungszentrum selbst einen Beitrag zum Erhalt der Welterbe-Werte und zur nachhaltigen Entwicklung zu leisten. Dann werden wir ein geeignetes Konzept erstellen, Fördergelder ausfindig machen und danach die Baumaßnahmen, eine behutsame Restaurierung und den Umbau anpacken.

Wenn man das alles wohl überlegt, fundiert und gut machen möchte, dauert es.

Es gibt Stimmen, die sagen: "Die blühenden Zeiten Bad Kissingen sind um. Alles dümpelt vor sich hin." Oder bröckelt: Etwa der Sockel des Bismarck-Denkmals.

Es ist nicht zu übersehen, dass es an manchen Stellen bröckelt. Wir - Site Management, Verwaltung und Stadtgesellschaft - werden uns neue Strategien überlegen müssen, wie wir gemeinsam unser Erbe erhalten. Die Maßnahmen sind mit Bedacht und immer in Absprache mit der Denkmalschutzbehörde festzulegen. Es gibt aber auch Fortschritte, zum Beispiel an der Unteren Saline.

Kritiker zählen etwa auf, dass die Pavillons am Gradierbau verrotten oder viele Häuser und Villen leer stehen. Worauf legt die Stadt den Fokus?

Der Erhalt der Unteren Saline hat oberste Priorität. Der Freistaat Bayern hat kürzlich die Dächer instandgesetzt, was ein wichtiger Startpunkt zum Erhalt der Anlage war. Natürlich ist es uns auch ein Anliegen, geeignete Nachnutzungen für bestehenden Leerstand zu suchen. Das spielt für den Erhalt der Bausubstanz und der Kurfunktion vor Ort eine große Rolle und hat Relevanz für das Welterbe .

Wird Bad Kissingen nochmal aufblühen?

Bad Kissingen hat nach seiner Blütezeit im 19. Jahrhundert und Anfang des 20. Jahrhunderts noch einmal im späten 20. Jahrhundert einen enormen Aufschwung erlebt. Der wurde leider durch die Reformen der Sozialkur abrupt beendet.

Die Geschichte hat aber gezeigt, dass sich die großen Kurstädte immer wieder neu erfunden haben und ich denke, alles was unsere Kurstadt ausmacht, vom Gesundheitsstandort bis zur Entschleunigung, von natürlichen Heilmitteln bis zur prächtigen grünen Landschaft aus Parks und Wäldern - das alles ist voll auf der Höhe der Zeit. Dass Bad Kissingen jetzt auch noch Teil des Welterbes und des Biosphärenreservats Rhön ist, birgt ein enormes Potential.

Also kein Grund, pessimistisch zu sein?

Prinzipiell bin ich der Meinung, dass man in Bad Kissingen ruhig ein bisschen selbstbewusster und optimistischer sein darf. Aber natürlich reicht nicht nur hoffen, jeder kann dazu beitragen, etwas zu verändern: Die Stadtverwaltung, der Freistaat Bayern, Eigentümer, Politik, Investoren und die Zivilgesellschaft.

Wie denn?

Ich denke, was wirklich wichtig ist, ist das alle dasselbe Ziel im Fokus haben: Den Erhalt der historischen Kurstadt und die behutsame Fortführung unserer Werte in die Zukunft für die nachfolgenden Generationen. Das Welterbe und das Site Management können hier als eine Art Triebfeder fungieren.

Braucht Bad Kissingen Ihrer Ansicht mehr "Nobel-Hotels" mit vier oder fünf Sternen?

Bad Kissingen hat einen tollen Mix aus großen Hotels und kleinen Hotels und Pensionen. Das war auch zu der Blütezeit der Kur im 19. und 20. Jahrhundert so. Für jeden Geldbeutel gab und gibt es hier ein Angebot.

Bad Kissingen hatte auch früher weniger Grandhotels als zum Beispiel Baden-Baden. Jede Art von Hotel oder Gästeunterkunft trägt einen wichtigen Beitrag zum Angebot bei. Wichtig ist, dass dieser Mix auch für die Zukunft erhalten bleibt, denn er ist charakteristisch für das Erbe Bad Kissingens.

Bad Kissingen ist also gut aufgestellt?

Sicherlich würde es das Angebot der Stadt Bad Kissingen erweitern, auch mehr "Nobel-Hotels" mit vier oder fünf Sternen zu etablieren. Aus meiner Sicht mit dem Fokus aufs Welterbe braucht es das aber nicht. Es ist wichtig, dass es diejenigen Hotels, die es hier seit Generationen in Familienbesitz und in alter Bausubstanz gibt, auch in zwei und drei Generationen noch gibt.

Wie kann das gelingen?

Qualität kann man auch ohne das Prädikat "Nobel" und ohne vier oder fünf Sterne erreichen. Denken Sie etwa an kleine Boutique Hotels oder das Albergo Diffuso Konzept in Italien. Kleine, familiäre Hotels, die authentisch sind, liegen voll im Trend. Wir haben das Biosphärenreservat, wir haben Welterbe , wir haben Heilquellen, einen Standort, der mit den Themen Gesundheit und Zeit wirbt und diese auch authentisch verkörpert.

Das sind Ressourcen und Werte, die verstärkt genutzt werden können. Die Zusammenarbeit mit der Hotellerie liegt uns auch am Herzen. Hier wird sich in Zukunft noch mehr tun. Natürlich sind Investoren für vier oder fünf Sterne Häuser in Bad Kissingen willkommen und finden hier auch ausgezeichnete Voraussetzungen und das passende Klientel.

Wie gelingt es, dass der Tourismus nicht schadet? Touristen also dorthin gehen, wie sich die Stadt das vorstellt?

Die Grundlagenstudie " Welterbe und Nachhaltiger Tourismus" hat uns einige interessante Optionen aufgezeigt. Im Grunde ist es wichtig, den Besuchern die Möglichkeit zu geben, auch Ecken zu entdecken, die interessant, aber weniger frequentiert sind. Sie aus dem zentralen Kurgarten auch raus zu locken in die Kurlandschaft oder ins Kurviertel , so dass sie auch die Kurstadt als Ganzes verstehen, erleben und kennen lernen können.

Mit der Denkmalroute Welterbetour setzen wir hier einen ersten Impuls. Auch möchten wir die weiter entfernten Stationen, das Museum Obere Saline und den Golfplatz, stärker in das Angebot einbeziehen.

Das Gespräch führte Charlotte Wittnebel-Schmitz.

 
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  • R. A.
    Tja Käsge, viel gepennt und nix dazugelernt. Jahrelang hat die Stadt behindernd verwaltet, bis potenzielle Geldgeber und Investoren verschwunden sind. Die zahlen ihre Gewerbesteuer nun woanders, so wie ich auch. Das Erbe der verwaltenden Besserwisser ist nun aufgebraucht, die Verhinderer sind größtenteils im Ruhestand und kosten weiter nur Geld. Für Kissingen wollen nicht mal junge Leute arbeiten, das beweisen die vielen Vakanzen.
    Der Ruf der Verwaltung ist eben mies, da müssen s halt mal was dagegen tun.
    Frei nach Joe Höfner: meine Herren, tuts was!!! Und diese Empfehlung war niemals leise!!!
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  • f. p.
    Ein Kommentar hier darf max. 1000 Zeichen haben. Um alles, was in Bad Kissingen fehlt in Kommentare zu schreiben bräuchte man 10.000 Zeichen. Ganz aktuell ist das was Welterbe ist in der Prinzregentenstraße im ehemaligen Schreibwarenladen untergebracht. Über Kissingen findet man nichts, aber was dort zum Welterbe gezeigt wird, kann nur in Englisch gelesen werden. Das ist nicht nachvollziehbar.
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    Welterbe in KG ?
    Außer Bilder Tafeln usw nichts zusehen
    Verfallene Häuser Leerstände in der Kernzone
    Kein 5 🌟 Hotel
    Andere Welterbe Städte machen es wohl leider besser
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