Zum Abschluss des Kissinger Sommers im Kurtheater gab es ein "Literarisches Kammerkonzert ", eine Lesung mit Musik. Im Mittelpunkt der Texte stand Robert Schumann , der, dramaturgisch nicht ungeschickt, am Ende von Johannes Brahms zur Tür hinausgedrückt wurde. Dazu waren die beiden Herren auch als Komponisten zu hören - neben Felix Mendelssohn-Bartholdy , dem Schumann in Leipzig jederzeit auf der Straße begegnen konnte.
Die Schauspielerin Martina Gedeck hatte zwei Bücher mitgebracht, aus denen sie las: "Clara und Robert Schumann , Roman einer Liebe", herausgegeben von Hans-Walther Bär und "Schumanns Schatten" von Peter Härtling . Und sie machte sich zur Clara, an deren stimmlicher Gestaltung gut zu hören war, dass zwischen den vier Passagen aus den Büchern immer ein paar Jahre der Veränderung lagen.
Natürlich begann Martina Gedeck mit dem ersten Kuss im Treppenhaus vor der Wieckschen Wohnung, überschattet von der Furcht vor dem Vater. 1830 war er in das Haus von Friedrich Wieck, seinem Klavierlehrer in Leipzig gezogen, hat damals aber mit dem sechs Jahre jüngeren Mädchen nichts anfangen können. Bis er eines Tages feststellte: "Das Kind wächst mir entgegen."
In der zweiten Episode lädt Clara Schumann bereits zu einem ihrer Konzerte im Leipziger Gewandhaus ein. Er bemerkt, dass sie nicht mehr das dressierte Kind ist, sondern pianistisch erwachsen. Und: "Sie ist wunderschön geworden." Mendelssohn, der ihn zum Essen einlädt, schafft es nicht, mit ihm eine Unterhaltung zu führen.
Die dritte Episode zeigt den depressiven Schumann. "Ich habe aufgehört!" hat er auf einen Zettel geschrieben. Er träumt, dass er im Rhein ertrunken sei. Und das setzt er dann in die Tat um. Als er gerettet und nach Hause gebracht wird, sind nur die sechs Kinder da. Clara muss konzertieren. Er wird nach Endenich eingewiesen.
Die vierte Episode springt ein Jahr zurück: Sie bringt zum ersten Mal den jungen Brahms in Schumanns Haus. Er löst, trotz seiner Schüchternheit, bei beiden größte Begeisterung aus. Aber er erkennt auch Schumanns Zustand und seine wachsende Nähe zu Clara. "Er ist gekommen", schreibt Schumann in seinem Jubelartikel in seiner Neuen Zeitschrift für Musik und gibt seiner Karriere den wichtigsten Impuls.
Die musikalische Begleitung war gut gewählt. Das Scherzo aus Schumanns 1. Streichquartett konnte mit seinem unruhigen Staccato gut die inneren Verwirrungen der jungen Leute illustrieren. Mendelssohns Canzonetta aus seinem 1. Streichquartett spiegelte mit seinem tänzerisch intimen Tonfall Schumanns wachsende Zuwendung zu Clara. Und das Adagio molto aus Schumanns 3. Streichquartett klang wie eine auskomponierte Verwirrung. Folgerichtig war, dass am Ende das 3. Streichquartett von Johannes Brahms stand. Denn als der das erste Mal Schumann traf, hatte der schon aufgehört zu komponieren. Das Brahms-Quartett wurde zum Zeugnis von Schumanns Verstummen.
Das Schumann-Quartett (wenn das kein Zufall war) hatte den musikalischen Part übernommen: Erik und Ken (Violine) und Mark (Violoncello) haben als Brüder halt den prominenten Nachnamen. Zu ihnen gesellte sich der Bratscher Veit Hertenstein. Die Vier spielten sehr genau an den Notentexten entlang. Das war ja verdienstvoll, aber man hätte sich mitunter schon eine raumgreifendere Gestaltung gewünscht, etwas mehr produktiven Widerstand gegen die strukturelle Dominanz der 1. Violine, den nur Veit Hertenstein gelegentlich leistete. Vor allem das Violoncello hätte immer mal den Kopf herausheben können.