Man konnte damit rechnen, dass das zweite der beiden Wandelkonzerte ein großes Vergnügen würde. Und in der Tat: Der Trompeter Simon Höfele und der Pianist Frank Dupree sind zwei absolute Lustmusiker – was man nur sein kann, wenn man auch absolut souverän ist. Und sie schienen die Gelegenheit genutzt zu haben, ein paar ihrer Lieblingsstücke zu spielen.
Das brachte die eine oder andere Überraschung. Wie zu Beginn die Sonate für Trompete und Klavier op. 69 des Amerikaners George Antheil von 1951. Da merkte man, wie sich die Wahrnehmungen geändert haben. Antheil galt ja bei seinen Zeitgenossen als „Bad Boy“ oder „Max und Moritz der amerikanischen Musik“. Seine Musik wurde damals vor allem als störend empfunden.
„Bad Boys“ gab es eigentlich schon immer, etwa Komponisten in der Barockzeit, die harmonisch verpönte „Teufelsakkorde“ komponierten. Heute ist das Thema völlig in Vergessenheit geraten, weil harmonisch alles erlaubt ist. Auch für George Antheil .
Bad Boy
Das Erstaunliche: Womit sich 1951 das Publikum schwertat – es war ja auch schon so programmiert – erwies sich in der Interpretation von Simon Höfele und Frank Dupree als interessante, gut geschriebene und sehr gut hörbare Musik.
Sie beginnt weich und lyrisch auf beiden Seiten, wobei schnell hörbar wird, dass Antheil das Melodische nie ganz aus den Augen verlor, vor allem der Trompete lyrische Passagen gab, die der „Bad Boy“, das Klavier, natürlich stören muss, um auch die Trompete ins Grelle zu treiben. Nicht ohne Grund heißt der langsame Satz „dolce espressivo“.
Die gestopfte Trompete kann sich hier aussingen, bevor das Klavier beginnt, harmonische Irritationen einzustreuen – eine überraschend schöne, emotionale Musik.
Hämmernd und rasend
Zur Sache ging es im Scherzo in einem hektischen Gewühl mit hämmerndem Staccato, in dem die beiden Virtuosen dennoch ihre Freiräume fanden, um einen Aspekt dieser Musik hörbar zu machen: den Humor.
Das Finale erinnerte an Gershwin und seine Großstadtmusik, ein bisschen bruitistisch, hämmernd, rasend, mit plötzlich in der Trompete auftauchenden Motorengeräuschen und einem enormen Vortrieb. Und trotzdem durfte der Schluss ein kleines bisschen pathetisch sein.
Auch Giacinto Scelsis „Quattro pezzi für Trompete solo“ erwies sich als eine Musik, bei der das Zuhören Spaß machte. Nicht weil sie so witzig gewesen wäre. Sondern weil der Avantgardist aus La Spezia in den vier unbenannten Sätzen (fast) alle Möglichkeiten der Klangbildung mit und ohne allerlei Dämpfer auslotete und in kleine Mosaiksteine einbettete.
Delikat und leise
Simon Höfele konnte sorgfältig auch in der einen oder anderen Eile die Töne artikulieren. Am verblüffendsten war der Satz III. Da blies Höfele derart delikat und leise und ohne jedes Anblasgeräusch, als würde die Luftsäule im Instrument nur ganz behutsam vorwärtsgeschoben wie eine Seifenblase. Und man hatte Bedenken, ob sie nicht plötzlich zusammenbrechen könnte.
Die solistische Antwort von Frank Dupree war „Une barque sur l’océan“ aus den „Miroirs“ von Maurice Ravel . Das war genau das Richtige für einen Filigranvirtuosen wie ihn. Denn es gibt in kurzer Zeit viele Töne zu spielen.
Dennoch erzählte Dupree auch die Geschichte eines Bootes, das in einem immer stärkeren Seegang gerät, und er machte deutlich, dass, vor allem bei zunehmendem Wind, viele Klang- und Anschlagsarten gebraucht werden, um Dramatik zu erzeugen. Das gelang ihm fabelhaft; trotzdem hätte man bei Frank Dupree einen noch lauteren, dramatischen Höhepunkt des Sturms erwartet.
Zurück nach Amerika
Dann ging’s wieder zurück nach Amerika, zuerst zum Jazz, zu „Almost Blue“ von Elvis Costello in einer Bearbeitung der Chet-Baker-Fassung: Musik von verträumter Sanglichkeit, die plötzlich volle Kraft gewinnt. Und schon war man beim Schlusspunkt des Abends, George Gershwins „An American in Paris“ in der Duo-Bearbeitung von Frank Dupree.
Er schaffte es, ein 90-Mann-Orchester durch ein kleines Duo zu ersetzen; und das schaffte es, den Geist der Originalmusik zu erhalten, das laute, hektische Großstadtgetriebe, die angespannte und dennoch heitere Grundstimmung, das „Immer weiter!“
Die Musik war perfekt und mitreißend zugleich. Und doch dachte man immer ein bisschen die originale Orchesterfassung mit ihren vielen Klangfarben mit. Denn in der Zweierversion wurde deutlich, mit wie vielen Wiederholungen Gershwin gearbeitet hat. Aber die beiden lenkten davon bestens ab mit vielen Variationen des Klangs und der Agogik. Fazit: Zwei Mann können wirklich reichen.
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