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Bad Kissingen
Kissinger Sommer: Tiefer Blick ins Wiener Seelenleben
Bassist Günther Groissböck und die Neuen Wiener Concert Schrammeln gastierten in der Konzertmuschel der Wandelhalle. Für die Besucher war es ein musikalischer und erkenntnisreicher Abend.
Heitere Unterhaltung im Kurgarten: Bassist Günther Groissböck und die Neuen Wiener Concert Schrammeln       -  Heitere Unterhaltung im Kurgarten: Bassist Günther Groissböck und die Neuen Wiener Concert Schrammeln
Foto: Thomas Ahnert | Heitere Unterhaltung im Kurgarten: Bassist Günther Groissböck und die Neuen Wiener Concert Schrammeln
Thomas Ahnert
 |  aktualisiert: 26.08.2022 16:37 Uhr

Was man in zwei Stunden eines lauen Abends, mit einem Glaserl Wein in der Hand (ein paar Tische wären ganz angenehm) auf einer Bank im Kurgarten sitzend doch so alles über Österreichs Hauptstadt Wien lernen kann. Es ist eine ganze Menge, wenn auch nicht unbedingt repräsentativ. "Da Weana geht davon aus, dass er in'n Himmi auffahrt, weil er in der Hölle nicht gelitten ist und weil er so ein guter Mensch ist." Die meisten Weana sind Lohnkutscher oder auch Fiaker am Ende ihres Lebens, die ihren Pferden und ihrer Kutsche alles Gute wünschen. Sie sind arm und müssen ihr G'wand verkaufen, damit sie ihr letztes Viertel vom Heurigen noch bezahlen können - für die Beerdigung kommen die Erben auf. Sie sind oft unglücklich verliebt - außer in sich - und höchst sentimental, was vermutlich vom unverzichtbaren Heurigen-Konsum kommt, und schwelgen in Erinnerungen an alte, natürlich bessere Zeiten. Sie betrachten ihren Optimismus mit sehr starkem Pessimismus. Wien, so kommt man zu dem Ergebnis, muss die europäische Hauptstadt der Morbidität sein.

"Wenn der Herrgott net will"

Glaubt man zumindest, wenn man den Bassisten Günther Groissböck und die Neuen Wiener Concert Schrammeln hört. Das sind, in der klassischen Schrammelbesetzung, Peter Uhler und Johannes Fleischmann (Violine), Helmut Thomas Stippich (Knopfharmonika) und Peter Havlicek (Kontragitarre). Sie hatten die alten und neuen Evergreens des Wienerlieds in die Konzertmuschel mitgebracht, von "Geht's und verkauft's mei G'wand" über "Wenn der Herrgott net will", das Fiakerlied bis zu "In einem kleinen Café in Hernals" und "I hab die schönen Maderln net erfunden", aber auch einige Instrumentalsätze - insgesamt 23!

Man fühlte sich an die Auftritte von Michael Heltau , dem Wahl-Wiener aus Ingolstadt, vor vielen Jahren erinnert, und man merkte sofort den Unterschied: Günther Groissböck, geborener Fast-Wiener aus Waldhofen an der Ybbs, steckt schon sprachlich in den Liedern einfach drin, singt sie nicht als distanzierter Chansonnier , sondern als gelernter Opernsänger, der auch mal aufmachen kann, der auch die emotionalen Nuancen im Dialekt kennt. Da machte schon das Zuhören Spaß.

Was er, gemeinsam mit den lustvoll-farbig begleitenden Concert Schrammeln perfekt zelebrierte, das waren die gedehnten Übergänge, dieses Innehalten, als müsste man lange überlegen, wie es weitergeht. Die Spannung erhöht das nicht unbedingt, und das geht ja auch gar nicht, weil die Schrammelmusik recht floskelhaft ist und man oft weiß, wie sie weitergeht. Das soll es auch nicht. Das Wienerlied soll auch ein bisschen nerven.

Ein wunderbarer Abend mit hohem pädagogischen Anteil. Wenn man boshaft wäre, würde man unterm Strich sagen: Da Weana hat nix dagegen, wenn der Boandlkramer (der Knochenhändler oder auch Tod) an die Tür klopft - natürlich beim Nachbarn. Wenn's bei ihm wär, würde er erst einmal nicht aufmachen. Ach ja, die Zugabe! Das war "Stellt's meine Ross in Stall" von Ferry Wunsch nach einem Text von Karl Savara. Also: Sterbender Fiaker. Guten Heimweg!

 
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