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Bad Kissingen
Simply Quartet: ein Ensemble, das zusammenpasst
Beim Kissinger Sommer sorgte das Simply Quartet mit seinen vier Streichern für einen außerordentlichen Konzertabend. Diese überzeugten mit Stücken von Haydn bis Brahms.
Kissinger Sommer: Simply Quartet       -  v. l. n. r.:  Danfeng Shen, Antonia Rankersberger, Lukas Sternath, Xiang Lyu und Ivan Valentin Hollup Roald
Foto: Gerhild Ahnert | v. l. n. r.: Danfeng Shen, Antonia Rankersberger, Lukas Sternath, Xiang Lyu und Ivan Valentin Hollup Roald
Thomas Ahnert
 |  aktualisiert: 01.08.2024 02:42 Uhr

Das große Rätsel: Wie ist das „Simply Quartet“ eigentlich zu seinem Namen gekommen? Denn vier Simpel sind Danfeng Shen und Violine und Antonia Rankersberger (Violine), Xiang Lyu (Viola) und Ivan Valentin Hollup Roald (Violoncello) ja nun wirklich nicht. Im Internet ist zumindest auf die Schnelle keine Antwort zu finden. Aber als man die vier die ersten Haydn-Takte spielen hörte, bekam man eine Ahnung, wie das bei der Namensgebung zugetragen haben kann. Da haben sich die vier – vielleicht sogar zufällig getroffen, vielleicht sogar mit ihren Instrumenten. Und da haben sie gesagt: „Spielen wir doch einfach mal Streichquartett.“ Und haben das ganz einfach getan. Und sich ganz einfach gesagt: „Das ist’s.“ Und das war’s wirklich? Natürlich nicht. Das Quartett hat sich 2008 als rein chinesisches Ensemble in Shanghai gegründet und ließ sich 2012 in veränderter Besetzung zum Weiterstudium in Wien nieder.

Einstieg mit Haydn

Aber irgendwie passt es doch: einfach Quartett spielen. Und das kann man nicht besser demonstrieren als mit Joseph Haydns vorletztem (vollendetem) Streichquartett G-Dur op. 77/1, dem ersten der beiden „Lobkowitz-Quartette“. Die sollten eigentlich auch sechs werden, wie es damals bei Haydn und Mozart üblich war. Aber Haydn spürte plötzlich das Alter. Allerdings merkt man diesem G-Dur-Quartett die prekäre gesundheitliche Situation überhaupt nicht an. Denn er konnte auf seine Erfahrungen von 70 Quartetten setzen, und er hatte seinen Humor nicht verloren. Was die „Simplies“ wunderbar zeigten.

Mit einer unangestrengten Leichtigkeit

Der erste Satz in einem eigentlich statischen Viervierteltakt beginnt in den drei Unterstimmen mit gleichmäßig pulsierenden Vierteln, die einen stampfenden Marschrhythmus anstimmen. Und man merkte an der lakonischen Direktheit, dass das schon von Haydn nicht wirklich ernst gemeint war, denn die erste Violine arbeitete mit verzierten punktierten Einwürfen dagegen, aber in sofern erfolglos, als der Marschrhythmus zwar immer stärker in den Hintergrund tritt, aber erst kurz vor Schluss verschwindet. Da hat es sich zuvor mit zwei weiteren Themen auseinandergesetzt, die das Violoncello und die zweite Violine vorstellten. Es war erfreulich, mit welcher unangestrengten Leichtigkeit  und mit welch guter Klangregie die vier  die Pfiffigkeit der Musik in ihren kleinen Konflikten deutlich machten. Wobei Danfeng Shen natürlich am meisten zu tun, denn das G-Dur -Quartett ist eines von denen, die sich als verkapptes Violinkonzert gerieren, in denen der erste Geiger nicht primus inter pares, sondern Solist ist. Ernster war da schon das Adagio mit seinem Dialog zwischen erste Violine und Violoncello, das sich hier gut in den Vordergrund spielen konnte. Die harmonischen Spannungen waren wunderbar artikuliert und kompromisslos intoniert. Die Spielanweisung „Presto“ bei dem Scherzo verriet schon, dass es keine tänzerische Gemütlichkeit geben würde, sondern so, wie die vier Leute spielten, war es ein stürmischer, stark akzentuierter, aggressiver, enorm federnder Sturmlauf durch die Lagen aller Instrumente. Auf den ersten Geiger hatte es Haydn besonders abgesehen: Danfeng Shen musste besonders hoch hinaufklettern, um sich ein bisschen kläglich mit einfachen Oktavsprüngen wieder auf sicheren Boden zu retten. Das Finale wurde zum mitreißenden virtuosen Höhepunkt des Quartetts: nicht nur fabelhaft gespielt, sondern auch agogisch gut gegliedert, sodass das Zuhören großen Spaß machte.

Ein romantischer Klang

Das Streichquartett D-Dur von Arnold Schönberg hat sicher manchen Besucher überrascht, denn es entsprach so gar nicht den Vorstellungen, die man mit Zwölftonmusik verbindet. Und so mancher wird erleichtert gewesen sein bei der Feststellung, dass es das ja auch gar nicht ist. Schon die vorhandene Tonart-Bezeichnung signalisiert, dass das Quartett ein frühes Werk ist, das Schönberg 1897 als 23-Jähriger geschrieben hat. Da war die Atonalität noch weit weg, da studierte er noch Partituren von Beethoven oder Brahms – vor allem letzteren. Und deshalb ist auch sein D-Dur-Quartett ein Werk der Höchstromantik reinsten Wassers. Obwohl der erste und der letzte Satz in ihren Anfägen, an das gerade gehörte Haydn-Quartett erinnerten. Auf höchstromantisch hatte auch das Simply Quartet seinen Ton gestellt: sehr warm und weich und trotzdem lebhaft: Wobei die Spannung durch alle Sätze weniger aus differenzierten Klangfarben der (jetzt) gleichberechtigten Instrumente resultierte, sondern auch einer gut ausgeklügelten Dynamik. Weniger konstruktive Raffinesse als viele Melodien bis hin zu Vogelgezwitscher (da erinnerte das Werk an Antonín Dvořák ) machten die Musik unterhaltsam, Aber man bekam auch den Eindruck, dass damals etwas Neues kommen musste. Schönberg hat bekanntlich geliefert.

Simply Quartet wurde am Schluss zum Quintett

Höhepunkt des Konzerts war das Klavierquintett f-Moll op. 24 von Johannes Brahms . Den Klavierpart hatte Lukas Sternath, Klavier-Olympionike von vergangenen Oktober, übernommen. Eine gute Verbindung, denn Lukas Sternath hielt sich nicht im Hintergrund, aber drängelte sich auch nicht nach vorne an die Rampe, sondern beteiligte sich und brachte sich ein mit Vorschlägen, die wie im ersten Satz, durchaus zu Schlagabtauschen werden konnten, die den Vortrieb beflügelten. Im zweiten Satz war gut zu verfolgen, wie sich die leise beginnenden Streicher gegen das melodieführende Klavier verbündeten und es mit schöner Sonorität ganz langsam in den Hintergrund drängten – eine höchst poetische Angelegenheit, die im Scherzo mit drei drängenden Themen und enormem Engagement wieder geerdet wurde. Mit einem fahlen Klang des Schmerzes stiegen die Streicher in den Finalsatz ein. Aber das Klavier hatte sich offenbar etwas anderes vorgestellt und drängelte, bis das Cello mit dem Hauptthema eingriff und sich tänzerische Entspanntheit einstellen konnte. Der Prestoteil  wurde massiver – ein guter Prüfstein für rhythmisches Gefühl – bis zu einem krachenden Akkord. Ein typischer Scheinschluss. Und so war noch ein bisschen Platz für einen hochkonzentrierten Anlauf zum endgültigen Schlusskracher. Eine absolut  stimmige Interpretation ohne jede Längen.

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