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Bad Kissingen
Poetry-Slam zwischen Violine und Harfe
Für das zweite Wandelkonzert, das im Foyer des Kurhausbades stattgefunden hat, ist mit Ning Feng ist ein alter Bekannter nach Bad Kissingen gekommen.
Ning Feng (von links) Fee Brembeck und Anne-Sophie Bertrand spielten im Foyer des Kurhausbades.       -  Ning Feng (von links) Fee Brembeck und Anne-Sophie Bertrand spielten im Foyer des Kurhausbades.
Foto: Gerhild Ahnert | Ning Feng (von links) Fee Brembeck und Anne-Sophie Bertrand spielten im Foyer des Kurhausbades.
Thomas Ahnert
 |  aktualisiert: 26.08.2024 13:05 Uhr

Im letzten Jahr war es als neue Spielstätte für den Kissinger Sommer entdeckt worden und hatte sich schon wegen seiner Größe beziehungsweise Kleinheit als bestens geeignet für Nischenprogramme erwiesen, für Konzerte, für die man nicht mehr als drei Musiker unterbringen muss und für die der Rossini-Saal schon zu groß wäre, weil Nischenprogramme auch nur Nischenbesucher anlocken.

Im letzten Jahr waren das beim zweiten Wandelkonzert der Bajanspieler Aydar Gaynullin und der Mandolinist Avi Avital. Der spielt in diesem Jahr schon im Max-Littmann-Saal – auch wieder mit einem Akkordeonisten, allerdings auch mit der Academy of Saint Martin in the Fields.

Nähe der kleinen Räume

Dieses Jahr waren es nun drei Leute, die den zweiten Teil des letzten Wandelkonzerts bestritten: ein guter alter Bekannter des Kissinger Sommers, der Geiger und Wahl-Berliner Ning Feng, die Harfenistin Anne-Sophie Bertrand und die Slam-Poetin Fee Brembeck. Schon die Zusammenstellung zeigt, dass das ein Programm war, das die Nähe und Intimität der kleinen Räume suchte.

Beginnen wir mit der Musik, mit Gaetano Donizettis Larghetto und Allegro für Violine und Harfe g-Moll. Eine wirklich aparte Klangmischung der beiden Saiteninstrumente, und auch wunderbar gespielt. Aber gerade deshalb wurde die Musik sehr stark in die Nähe des Kitsches gerückt. Der Opernkomponist Donizetti war zweifellos spannender als der Kammermusiker .

So spannend ist Musik

Eine ganz andere Erfahrung konnte man bei Luciano Berios „Sequenza II“ für Harfe solo machen. Das ist eine höchst spröde, zerstückelte, auf den ersten Blick hörerunfreundliche Etüde. Aber wenn man schon nach kurzer Zeit seinen Frieden mit der totalen Berioschen Melodieverweigerung gemacht hat, dann kann man verblüfft feststellen, wie spannend diese Musik ist, weil jeder nächste Ton eine Überraschung ist – wenn man sie so präzise und plastisch spielt wie Anne-Sophie Bertrand.

Ning Feng gilt international als einer der besten Interpreten der Paganinischen Capricen. Die Besucher des Kissinger Sommers wissen das, weil er diese Sätze gerne als Zugaben spielt, und dafür sind sie ja auch bestens geeignet.

Einige Nebengeräusche

Aber im Vergleich zum Max-Littmann-Saal mit seiner großzügigen Akustik konnte man in der Nähe und akustischen Direktheit des Kurhausbadfoyers zum einen die Beobachtung machen und hören, dass auch die beste Stradivari aus Holz gebaut ist und dass Virtuosität zwangsläufig auch einige Nebengeräusche produziert.

Aber gespielt waren die vier Capricen wieder fabelhaft, unbeugsam im Tempo, farbig in der Dynamik und technisch verblüffend makellos - auch die berühmte 24. Caprice mit ihrem berüchtigt-gefürchteten Pizzicato für die linke Hand.

Eine Sache der lockeren Bogenhand

Man konnte aber auch beobachten, dass nicht alles so schwer ist, wie es klingt. Vor allem bei wilden Arpeggien sah man, dass sich trotz der Flut der Töne die Finger der linken, der Greifhand, oft nur geringfügig bewegen – alles eine Sache einer lockeren Bogenhand.

Schön war, dass Ning Feng auch zwei Capricen von Antonio Locatelli spielte, die rund 90 Jahre vor denen von Paganini entstanden sind. Natürlich sind die auch schwer, schenken den Paganini-Capricen nicht allzu viel.

Der große Unterschied: Ihnen fehlten die selbstdarstellerischen virtuosen Attitüden. Sie waren schwer, und das durfte man auch merken. Diese große Gestik, diese Virtuosität als Selbstzweck, ist ein Phänomen, an dessen Entstehen Paganini maßgeblich beteiligt war, aber auch der junge Liszt .

Mehr oder weniger gereimt

Nach Berios „Sequenza II“ war auch das zweite Stück für Soloharfe eine Überraschung, allerdings in die andere Richtung. Obwohl Nino Rota diesen Satz „Toccata“ genannt hat, schrieb er eine höchst melodische, nicht von Rhythmen, sondern vom Liedhaften geprägte Musik.

Da konnte Anne-Sophie Bertrand ihre Harfe wirklich singen lassen, konnte schöne Legato-Phrasen spielen, weich artikulieren. Vielleicht dachte Nino Rota beim Komponieren an den nächsten Liebesfilm.

Ja, und Fee, Fee Brembeck? Sie lieferte zwischen den Musikblöcken ihre Texte, mehr oder weniger gereimt. Da war viel Humor und Selbstironie dabei, als sie sich als Operndiva-Nerd outete, die übrigens vor ein paar Tagen ihre Abschlussprüfung als Opernsängerin mit Erfolg abgelegt hat.

Auf ihren Hinweis, dass sie jetzt Operndiva sei, bekomme sie zwei Antworten: „Dafür muss man fett sein“ oder „Das sieht man.“ Sie springt ein bisschen durch ihr Leben und das Leben anderer.

Sie habe in ihrer Jugend viele Geschichten geschrieben, um nicht Geige üben zu müssen. Und Rossini habe dreimal in seinem Leben geweint: als seine erste Oper durchfiel, als er Paganini gehört hatte und als eine getrüffelte Pastete von einem Boot ins Wasser fiel. Bei „dolce vita“ fülle sich in ihr ein roter Ballon, „und ich kann euch nicht sagen, wie glücklich ich bin.“ Da tobe in ihr eine Kissenschlacht – vor allem, wenn sie gerade in Italien ist.

Sehr persönlich

Das war alles nicht unoriginell und auch sehr persönlich. Aber unter einem Slam hatte man sich eigentlich etwas anderes vorgestellt. Das englische „to slam“ heißt schließlich schlagen, zuschlagen, einen Menschen, eine Tür, einen Rhythmus.

Man hatte, ähnlich wie beim eigenständigen Rap, etwas stärker Rhythmisiertes erwartet, das stärker in einen Bezug oder in Konkurrenz zur Musik tritt - auch nicht, als Fee Brembeck von der Galerie aus zu der Musik von Luigi Tedeschis Elegie für Violie und Harfe sich noch einmal für ihr Glück entschuldigt und den Frieden für die Ukraine beschwört.

Die letzte Zugabe war instrumental: die „Méditation de Thaïs" von Jules Massenet, jenes Klangdenkmal des sentimentalens Fin de siècle.

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