Die Auswärtsspiele des Kissinger Sommers haben ihren ganz besonderen Reiz, weil auch dort ein aufgeschlossenes Publikum sich auf Highlights klassischer Musik freut und zudem hohe Erwartungen an Programm und Künstler wieder und wieder erfüllt werden.
Während Kissingen vornehmlich König Ludwig II. huldigt, punktet Bad Brückenau mit seinem Vorgänger, König Ludwig I. Ihm sind die weitläufigen Kur-Anlagen mit prächtigem Kursaal im Schlosspark zu danken und der zauberhafte Saal trägt seinen Namen. Ein wahres Schmuckstück, für Kammermusik geradezu gemacht und wenn das Programm dann auch auf die royal-märchenhafte Vergangenheit abgestimmt, die Bühne inmitten des farbenfroh bemalten Saales von stilvollem Blumenschmuck umrahmt ist, dann darf das Publikum getrost einen köstlichen Nachmittag erwarten.
Seltene Besetzung
Um es vorweg zu nehmen, es wurde mehr als das. Schon die eher seltene, aber spannende Besetzung mit Klarinette , Viola und Klavier, vor allem aber die Besetzung mit den international bedeutenden Solisten Sabine Meyer, Klarinette , Nils Mönkemeyer, Viola und William Youn, Piano, verspricht Kammermusik auf höchstem Niveau. Man kennt sich lange, harmoniert prächtig, ist musikalisch wesensverwandt.
Mönkemeyer bringt ein erfolgreiches Album nach dem anderen heraus, Youn wird als Tastenphilosoph beschrieben und Sabine Meyer gilt als Leitfigur der Klarinettenszene. Mönkemeyer und Youn sind auch als Duo unterwegs. Tags zuvor haben sie auf Schloss Ellmau zusammen konzertiert. Nun also wieder in einem historischen Saal, aber zusammen mit der Königin der Klarinette , das ist dann ein Traumtrio, und so ist der König-Ludwig I. Saal bis auf den letzten Platz besetzt.
Ins Land Grimm’scher Märchen
Ein halbes Jahr vor seinem Tod schrieb Robert Schumann seine heiteren „Märchenerzählungen“ eine heitere Reise ins Land Grimm’scher Märchen. Das erste, „lebhaft nicht zu schnell“ überschrieben, klingt, als laufen junge Mädchen in den nahen Wald, und ihr Gelächter scheucht da ein Füchslein in den Bau, dort keckert eine Elster in der Baumkrone und ein Hase hoppelt ins Unterholz.
Ruhiges Schweigen im nächsten Lied. Elegische Bögen haucht Sabine Meyer ihrer Klarinette ein: „…in allen Wipfeln spürest Du kaum einen Hauch…“ Atemberaubend schöner Klarinettenton, aufgefangen vom Schmelz der Viola des Nils Mönkemeyer, untermalt mit sparsamen Akkorden des Pianos von William Youn. Dann stapft ein Riese durch den Tann, im Galopp jagt ein Pferd durch die Flur. „Lebhaft, sehr markiert möchte Schumann es gespielt wissen. William Youn hält sich daran und brilliert mit seinen Solopassagen. Fulminante Schlussakkorde lassen aus den Solisten ein kleines Orchester werden.
„Wie kann ich froh und lustig sein“ und „Herbstlied“ hat Felix Mendelssohn Bartholdy kleine mehrstimmige Kompositionen genannt. Das Trio drückt die Stimmungen nachdrücklich aus. Wunderbar leicht der Frühling und wehmütig getragen der Herbst. Beides gelingt und wird mit großem Beifall belohnt.
Keine Zeit zum Atemholen
Dann führt die Zauberreise in den Balkan. Béla Bartók hat „Rumänische Volkstänze “ aufgeschrieben und das Trio stellt den Rhythmus in den Fokus. Der Rundtanz gelingt ganz leicht, beim Stampftanz bebt der Bühnenboden, der Flügel hämmert, die Viola juchzt und die Klarinette schmettert. Keine Zeit zum Atemholen, es folgt eine Polka. Da fetzt die Viola, dass sich einzelne Teile der Bogen-Bespannung selbständig machen.
Mönkemeyer nimmt’s gelassen, drapiert sie wie einen Skalp auf seiner Achsel und macht sich auf nach Südamerika: Zwei Sätze aus „Scaramouche“ von Darius Milhaud . „Modéré“ gibt jedem Instrument wunderbar weiche pianissimo Akkorde vor, und sie gelingen zauberhaft.
Die Brazileira, eine lebensfrohe Samba, ist dagegen halsbrecherisch virtuos. Da haben sie Spaß, die drei, ein jeder brilliert auf seinem Instrument. Und zusammen bringt das die Zuhörerinnen und Zuhörer zum Jubeln und entlässt sie beschwingt in die Pause.
Acht Stücke für Klarinette , Viola und Klavier op. 38 von Max Bruch liegen dann auf den Notenpulten. Schon der erste Satz nimmt gefangen, die Viola formuliert das Thema, die Klarinette übernimmt das Andante, schmückt aus und reicht es an den Flügel weiter, der es voluminös vollendet.
Auch Max Bruch hat eine rumänische Melodie verwendet, Klarinette und Viola halten innige Zwiesprache. Die gelingt: kürzeste Blickkontakte genügen.
Auch der Nachtgesang wird zum klanglichen Erlebnis. Langer Beifall, viele Verbeugungen und eine allseits heiter gelöste Stimmung: Da lassen sich die drei nicht länger bitten. Als Zugabe haben sie eine Miniatur von Mozart ausgewählt. Er hat sie mit fünf (!!!) Jahren komponiert. Das passt zu dem märchenhaften Nachmittag.