zurück
Bad Kissingen
Kissinger Sommer: Der Neubauer möchte man nicht im Wald begegnen
Vor allem eins sollte vermittelt werden: Spaß. Und den gab es beim Eröffnungskonzert des Festivals. Intendant Alexander Steinbeis kann mit einer echten Kratzbürschtn einen höchst gelungenen Neustart feiern.
Daniel Schmutzhardt, Thomas Blondell (für den erkrankten Benjamin Bruns eingesprungen), Annette Dasch und Schauspielerin Christine Neubauer (v.l.) vor dem hr Sinfonieorchester und der Katholischen Kantorei Bad Kissingen auf der Bühne des vollen Ma...       -  Daniel Schmutzhardt, Thomas Blondell (für den erkrankten Benjamin Bruns eingesprungen), Annette Dasch und Schauspielerin Christine Neubauer (v.l.) vor dem hr Sinfonieorchester und der Katholischen Kantorei Bad Kissingen auf der Bühne des vollen Max Littmann-Saals. Foto: Susanne Will
| Daniel Schmutzhardt, Thomas Blondell (für den erkrankten Benjamin Bruns eingesprungen), Annette Dasch und Schauspielerin Christine Neubauer (v.l.) vor dem hr Sinfonieorchester und der Katholischen Kantorei Bad ...
Thomas Ahnert
 |  aktualisiert: 19.08.2022 12:11 Uhr

Der nuschelnuschel Kissinger Sommer ist eröffnet. Der wievielte? Der Kissinger Sommer 2022 ist eröffnet. Nein, der wievielte! Wenn 1986 der erste war, dann müsste es jetzt der ...? Man muss fast schon die Finger zum Zählen zu Hilfe nehmen, um draufzukommen. ... dann müsste es jetzt der 37. sein. Ist es aber nicht, sondern der 36., weil das Festival 2020 coronabedingt komplett ausfallen musste. Das schafft ein Problem, über das noch in 100 Jahren die Historiker und Statistiker stolpern werden.

Jetzt wieder Volldampf

Auch als Nummer 36 hatte das Festival einen höchst gelungen Neustart in zweierlei Hinsicht. Es war ein Neustart, weil der Kissinger Sommer nach der Absage 2020 und nach der Durchführung in einer stark reduzierten Version mit erheblich weniger Veranstaltungen und drastisch reduzierten Besucherzahlen jetzt wieder mit Volldampf im alten Umfang loslegen durfte - hoffentlich bis zum Ende. Und es war ein Neuanfang mit einem neuen Intendanten : Alexander Steinbeis begrüßte zum ersten Mal mit Oberbürgermeister Dr. Dirk Vogel die Besucher im Max-Littmann-Saal und lud sie ein zu einer spannenden Reise auf historischen musikalischen Pfaden durch ein Programm, das vor allem eines machen soll: Spaß .

Der Spaß als Taktgeber

Das funktionierte auf Anhieb. Denn Alain Altinoglu und das hr-Sinfonieorchester Frankfurt eröffneten das Konzert höchst passend mit Antonín Dvořáks Ouvertüre "Karneval". Eine dichte Folge von süffigen Tuschs eröffnete eine Musik, die schnell Fahrt aufnahm und immer mehr an einen Zirkus denken ließ. Aber obwohl Altinoglu seine Leute zu einem enormen Vortrieb und ebensolcher mitreißender Lautstärke anfeuerte, gelang es ihm, das virtuose Getümmel zu strukturieren, durch Variationen in den Tempi und in der Dynamik Übergänge plastisch und nachvollziehbar werden zu lassen und tänzerische Rhythmen zu modellieren. Wirklich ein großer Spaß .

Dirigent drückt aufs Gaspedal

Ein seltener Spaß war die folgende Sinfonische Dichtung "Festklänge" von Franz Liszt . Weil man hier Züge entdecken konnte, die er in seiner Klaviermusik eigentlich überhaupt nicht hat, nämlich eine Neigung zu Pathos und zu einer gewissen Verkopfung und sichernden Berechenbarkeit in Wiederholungen, die einen Spannungsaufbau erschweren. Mit der Dvořákschen Spontanität und den überraschenden Wendungen konnte Liszt - auch durch den direkten Vergleich - nicht mithalten. Erst gegen Ende wurde die Musik mitreißend, weil Alain Altinoglu da auch etwas stärker aufs Gaspedal drückte.

Herrlich verbitterte Neubauer

Aber der Mittelpunkt des Konzerts war die konzertant aufbereitete und gekürzte Operette "Die Csárdásfürstin" von Emmerich Kálmán. Ulrich Lenz, Chefdramaturg an der Komischen Oper Berlin, hatte die verbindenden Texte geschrieben und arrangiert unter dem Thema: "Die Fürstin Anhilte von und zu Lippert-Weilersheym räsoniert über ihren aus dem Ruder laufenden Sohn Edmund und dessen Freund- und Liebschaften". Christine Neubauer war diese verbittert räsonierende "Zwiderwurzn" mit Reibeisencharme und gnadenloser Analyse. Es machte natürlich großen Spaß , ihr zuzuhören, aber ihr nachts im Wald begegnen wollte man lieber nicht.

Thomas Blondelle sprang ein

Musikalisch konnte auch dieser "konzertante Torso" absolut begeistern. Emmerich Kálmán hat aber auch eine fabelhafte Musik geschrieben, deren Gestaltung Spaß machen kann. Das Orchester spielte die berühmten Melodien außerordentlich differenziert, rhythmisch ausgezeichnet grundiert und mit starker Expressivität - und bot den drei Solisten ein Fundament voller Ideen, auf die diese sich nur noch einlassen mussten. Annette Dasch (Sopran), Thomas Blondelle (Tenor - er war kurzfristig für Benjamin Bruns eingesprungen) und Daniel Schmutzhardt (Bariton) passten stimmlich ungemein gut zusammen. Und sie wussten, wie man Operette singt: einerseits frei, aber auch rhythmisch präzise, sanglich fließend, aber auch erzählend und ein bisschen spielend - und immer mit einem gewissen Grad an Verzückung. Und auch die Katholische Kantorei Bad Kissingen , die für die Chorstellen verpflichtet worden war, war außerordenlich präsent und präzise und ein stimmungsvoller Hintergrund für die Solisten. Es war kein Risiko, einen örtlichen Chor zur Teilnahme einzuladen.

Das Einzige, was ein bisschen störte, war eine durchgehend angehobene Lautstärke auch im Leisen. Vielleicht lag das an den technischen Umständen der Aufzeichnung für den Fernsehsender arte und der Einsatz der Mikrofone. So waren die drei Solisten öfters zum Forcieren gezwungen. Nicht, dass sie das vor Probleme gestellt hätte. Aber die Operettenstimme lebt auch von einer gewissen Delikatesse, Diskretion und Geschmeidigkeit, die sich so nicht entfalten kann. Aber das trübte den Abend bestimmt nicht.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Bad Kissingen
Christine Neubauer
Franz Liszt
Intendantinnen und Intendanten
Kissinger Sommer
Konzerte und Konzertreihen
Spaß
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top