Mit dem Würzburger Madrigalchor, herausragenden Solistinnen und Solisten sowie dem erweiterten Kammerorchester Bad Kissingen war Bachs Bewerbungs-Kantate eine künstlerische Offenbarung, die von Pfarrerin Jacqueline Barraud-Volk um die Bedeutung Marias als eine der wenigen genannten Frauen der Bibelgeschichte ergänzt und um aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen erweitert wurde.
Das Motto wurde um Leipzig ergänzt
Das Motto des Kissinger Sommers „Ich hab’ noch einen Koffer in Berlin“ wurde diesmal um die Stadt Leipzig ergänzt, denn das „Magnificat“ als „Lobgesang der Maria“ war vom „Berliner Bach“ als Bewerbung um den Posten des Leipziger Thomaskantors verfasst worden. Pfarrerin Barraud-Volk begrüßte auch Intendant Alexander Steinbeis und lobte den sehr gelungenen Einstieg in die Konzertreihe. Der spontane Applaus der zahlreichen Gäste gab ihr Recht.
In den Händen von KMD Jörg Wöltche lag der Dirigentenstab sowohl für das erweiterte Kammerorchester Bad Kissingen wie auch den Würzburger Madrigalchor. Beides führte er mit Augenmaß und feinem Taktgefühl zusammen, so dass das neunsätzige Werk des berühmtesten Sohns von Johann Sebastian Bach mit seiner stilistischen Vielfalt und sehr eindringlich den Kirchenraum erfüllte und damit den Gottesdienst musikalisch strukturierte.
Es herrscht festliche Stimmung
„Meine Seele preist den Herrn“ – mit festlicher Stimmung begannen Chor und Kammerorchester das großartige Vokalwerk und drückten die Freude Marias über ihre Rolle als „ Mutter Jesu “ im D-Dur der Könige aus. In den folgenden fünf Teilen des Werkes glänzten Ilse Berner (Sopran), Katrin Edelmann (Alt), Lars Tappert (Tenor) und Tobias Germeshausen (Bass) als Solistinnen und Solisten oder im Duett. So ließ die ausgewogene und sehr abwechslungsreiche Sopranstimme Maria als bescheidene Magd erscheinen, unterstützt von melodiös-zurückhaltenden Streichern des Ensembles, während die kräftige, tragende Tenorstimme das Festliche des Werkes unterstreicht.
Pauken und Trompeten unterstützen
Kraftvoll zeigt der Bass die Macht Gottes gegen die Hoffärtigen, wobei Pauken und Trompeten die Streicher unterstützten, und lässt mit einem gefühlvollen Duett, das durch melodiöse Übergänge geprägt ist, die Erniedrigten auferstehen. Die Barmherzigkeit des Himmels steht im Mittelpunkt des Alt-Solo, wogegen die beiden abschließenden Sätze Chor und Kammerorchester nochmals mit musikalischer Vehemenz das Lob Gottes ebenso preisen wie das Versprechen auf die Ewigkeit.
Roter Faden durch Liturgie und Predigt
Für Pfarrerin Barraud-Volk war das „Magnificat“ der rote Faden durch Liturgie und Predigt. Die Lesung aus der Apostelgeschichte 1, 12-14 zeigte die Bedeutung der Frauen in der Bibelgeschichte, die nur selten so ausdrücklich genannt worden sind, wie es bei „Maria, der Mutter Jesu “, der Fall war. In der Predigt würdigte sie die Lobgesänge Marias als werdende Mutter , aber auch als Frau, „die sich bei allen Lebenswendungen und aller Ratlosigkeit durchbeißt“. Das Magnificat sei „ein Lied, das die Welt mit allen Ungerechtigkeiten, mit sozialen Unterschieden und mit der Not zeigt, das aber auch die Hoffnung auf Veränderung in sich trägt“.
Blick auf gespaltene Gesellschaft
Die Pfarrerin sprach davon, dass die Achsen der Welt rostiger geworden seien. Man merke dies am Radikalismus verschiedener Couleurs, an einer gespaltenen Gesellschaft oder an Machthabern, bei denen der eigene Nutzen im Mittelpunkt stehe. Deshalb sei Marias Bild von „Gottes verändernder Kraft“ eine Aufforderung, „denn als Christen muss man die rostigen Teile benennen“. Über den Glauben an Gottes Barmherzigkeit könne sich die Welt zum Besseren ändern – sie schloss mit dem Wunsch, man möge die Welt bewahren.
Der Dank für die musikalischen Leitlinien des „Magnificat“, das von Chor, Solisten und Kammerorchester als harmonische Einheit präsentiert wurde, und für die liturgische Begleitung mit den aktuellen Bezügen mündete in einen herzlichen Applaus für alle Akteure des Kantatengottesdienstes.
Mehr zum Kissinger Sommer: