Das Violinkonzert von Edward Elgar . Es wird auch in England nicht allzu oft aufgeführt, weil es zwar berühmt, aber nicht sonderlich beliebt ist. Es verleitet zum staatstragenden Pathos und zu einer gewissen Behäbigkeit – auch deshalb, weil es für das Orchester schwer und für die Solisten enorm schwer ist. Da bremst man gerne ein bisschen zulasten der Spannung. Auch ist es mit mindestens 50 Minuten ungewöhnlich lang, fordert viel Kondition, Ausdauer und Haushalten mit den Kräften bei allen Beteiligten, auch beim Publikum. Insofern mischte sich in die Vorfreude etwas Skepsis.
Aber dann kam die Norwegerin Vilde Frang, und plötzlich war alles anders. Sie spielte mit einer Souveränität und einem Zugriff, als sei das alles kein Problem. Man erschrak geradezu – obwohl man durch das unerwartet flotte Vorspiel des Orchesters vorgewarnt sein konnte - , als sie nach 61 Takten erstmals ins Geschehen eingriff: absolut unzögerlich und zielorientiert in dem Wissen, worauf sie hinauswill, mit einem tollen, glasklaren, unverschleierten Ton auch in schwierigsten Akkordpassagen und mit außerordentlich differenzierten Gestaltungen und Klangbildern.
Ganz enger Kontakt mit dem Orchester
Und sie hatte sofort einen ganz engen Kontakt mit dem Orchester, das sie gerne auch mal ein bisschen scheuchte und das sich gerne scheuchen ließ – eine Intensität, die bis zum letzten Ton anhielt, obwohl Elgar den Solisten nur ganz selten kurze Pausen gönnt.
Dass Elgar von Johannes Brahms gelernt hatte, zeigte Sakari Oramo nicht nur in der Einleitung, die in ihrer Struktur und Klanglichkeit sehr ans Vorbild erinnerte, sondern auch durchgehend im Verhältnis von Solo und Orchester. Vilde Frang war keine herausgestellte Solistin, sondern „Prima inter pares“, die natürlich ihre eigene Stimme spielte, die sich aber dabei gegen das Orchester durchsetzen musste, wenn sie nicht nur als zusätzliche Klangfarbe erscheinen wollte.
Sie machte das mit enormer Energie, und das Orchester ließ sich bestens darauf ein, reagierte auf ihre Vorlagen, wie auch sie sich auf dessen Angebote einließ. So entstand ein intensiver Dialog, in dem man vor allem die Londoner Bläser bewundern konnte. Wenigstens bot der zweite Satz ein paar ruhigere Momente – auch für die Zuhörer.
Langes Werk keineswegs langweilig
Eigentlich ist das Elgar-Konzert wirklich ein bisschen lang, denn es ist kein Werk, das sich mit Melodien und Sanglichkeit beliebt machen will, sondern mit virtuosen und klanglichen Effekten. Das hat zur Folge, dass sich diese im Laufe der 50 Minuten durchaus abnutzen, weil sozusagen alles schon einmal dagewesen ist.
Aber hier wurde es keineswegs langweilig. Es erinnerte an ein hervorragend zubereitetes Wiener Schnitzel – das über den Tellerrand hängt: Man ist nach der Hälfte satt, aber man isst es auf, weil jeder einzelne Bissen so gut schmeckt. Bezogen auf die Musik, genoss man die Perfektion und die Musikalität von Solistin und Orchester. Besser als Vilde Frang kann man das Konzert nicht spielen.
Überraschungen bei Beethovens „Pastorale“
Ludwig van Beethovens 6. Sinfonie , die „Pastorale“ kennt man bis in jede Ecke. Aber auch hier gab es Überraschungen. Dass das Werk handwerklich perfekt musiziert wurde, war zu erwarten. Aber interessant und höchst spannend war der Zugriff, den Sakari Oramo gewählt hatte: eine kompromisslose, weit an die Grenzen gehende Dynamik und eine plastische Agogik, die die musikalische Naturlyrik Beethovens zum Sprechen brachten. Die in der Fantasie die Bilder entstehen ließen, die Beethoven meinte.
Wirklich köstlich waren die Vogelstimmen, die die Bläser aus ihren Instrumenten zauberten und die deutlich machten, dass der Komponist durchaus Humor hatte. Wann kann man bei einer Beethoven-Sinfonie schon mal schmunzeln und sogar lachen? Nein, machte großen Spaß, diese Landpartie mitzumachen.
„Zuviel Beethoven gibt es nicht“, meinte Sakari Oramo, als er die Zugabe ankündigte. Und so folgte noch die Ouvertüre zu „Die Geschöpfe des Prometheus“.
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