Seit einigen Tagen sind die Olympischen Spiele in Frankreich Geschichte. Der Sportzirkus dreht sich weiter, die Welt sowieso. Für Andreas Kaiser aus Bad Kissingen allerdings wirken die Spiele noch nach. Nicht, weil er sich an spektakuläre sportliche Erfolge erinnert. Sondern weil er mit Kolleginnen und Kollegen aus ganz Europa für die Sicherheit in Frankreich sorgte. Der Polizeihauptkommissar und Stadtrat ( Freie Wähler ) hat Dealer festgenommen, schwitzte bei Hausdurchsuchungen im sechsten Stock und ist dankbar, dabei gewesen zu sein.
Wie war’s, Herr Kaiser?
Interessant und schön. Und alles, was ich vorher gesagt habe, stimmte nicht.
Was denn nicht?
Uns wurde beispielsweise gesagt, wir hätten drei Tage Dienst, drei Tage frei. Aber es war wie in Deutschland, fünf Tage Arbeit, zwei Tage Erholung. Und wir waren wirklich mittendrin in der Polizeiarbeit.
Erst mal zum Dienst. Im Interview vor Ihrer Abreise gingen Sie davon aus, dass Sie im Bereich „public safety“ eingesetzt werden. Also dass Sie mit französischen Kollegen Präsenz zeigen, um auch das subjektive Sicherheitsgefühl der Besucher der Olympischen Spiele zu stärken. Das war offenbar nicht alles.
Nein, das war nicht alles. Tatsächlich waren wir auch bei der Alltagsarbeit der Kolleginnen und Kollegen dabei.
Und die unterscheidet sich von Ihrer Arbeit als Leiter der Fahndungs- und Ermittlungsgruppe der Verkehrspolizei Schweinfurt-Werneck?
Deutlich. Denn Marseille ist ein Hotspot in Sachen Drogenkriminalität. Ich habe auch geholfen, Dealer festzunehmen.
Das klingt jetzt doch eher wie im „Tatort“.
Die Kollegen haben schon geschaut, dass es für uns nicht zu gefährlich wurde. Geschwitzt habe ich, was aber eher an 37 Grad im Schatten und der schweren Schutzweste lag – und Herzklopfen hatte ich auch, weil Dealer scheinbar grundsätzlich im sechsten Stock eines Hauses ohne Aufzug wohnen. Aber Spaß beiseite: Es ist schon irre, wie in Marseille gedealt wird.
Wie müssen wir uns das vorstellen?
Dass an den Häusereingängen beispielsweise eine Menüliste hängt. Darauf stehen dann die Preise für Meth, Kokain oder Heroin.
Unglaublich.
Aber wirklich wahr. Meist sind die Polizisten dort zu Fuß oder auf dem Fahrrad unterwegs, weil die Gassen für Autos sehr schmal sind. Da läufst du über einen Platz, der als Drogenumschlagplatz bekannt ist. Der erste, der die Polizei entdeckt, schlägt Alarm, alle rennen weg – und dann findest du eine Tüte mit 200 Gramm Kokain oder Heroin, schon ordentlich in Einzeldosen abgepackt. Aber es gab keine Situation, in der ich mich überfordert gesehen habe.
Haben Sie denn auch etwas von Olympia mitbekommen?
Ja, natürlich. Unser Hotel lag genau gegenüber dem Hotel der deutschen Frauenfußballmannschaft, wir haben die Spielerinnen außerhalb des Stadions gesehen. Und bei zwei ihrer Spiele war ich dienstlich vor Ort. Als ich mir privat das dritte Match ansehen konnte, haben die spanischen Kollegen in ihrer Freizeit die deutsche Mannschaft angefeuert – und dann umgekehrt. Die Nationalität spielte keine Rolle. Da sind echte Freundschaften entstanden.
Unterscheiden sich denn die Arbeitsweisen der Polizeikräfte der einzelnen Staaten?
Nein, nicht wirklich. Viele Standards sind gleich, vor allem die Eigensicherung, da sind wir auf einem Niveau. Wobei die Kollegen aus Rumänien aufgefallen sind.
Wieso das denn?
Da muss ich noch ein bisschen schmunzeln. Die Kollegen aus Rumänien kamen von einer Art SEK, also einer besonderen Einheit. Als die mal einen Dealer festgenommen haben, da rumste es aber gewaltig, als sie den auf den Boden legten. Die Franzosen sind da wohl etwas zärtlicher.
Was nehmen Sie mit aus dieser Zeit?
Die Erkenntnis, dass die Welt ein guter Ort ist; bessere Französischkenntnisse und dass die Polizei eine Familie ist, auch über Sprachbarrieren und Grenzen hinweg.
Wann fängt für Sie der Alltag wieder an?
Am 2. September. Mittlerweile bin ich wieder in Südfrankreich , allerdings zum Urlaub machen mit der ganzen Familie.
Waren die Wochenenden also doch zu kurz, um Frankreich zu entdecken?
Die Wochenenden waren toll, weil wir die Küste rund um Marseille besuchen konnte. Aber Frankreich ist so schön, ich kann mich am Land nicht sattsehen. Und meine Frau glücklicherweise auch nicht.