
K aum ein anderer Mythos hält sich so hartnäckig wie der, dass Spinat nur so vor Eisen strotzt. Es ist ein Paradebeispiel für einen Irrtum, der durch stete Wiederholung zur vermeintlichen Wahrheit wurde. Die Leidtragenden waren die Kinder der 70er Jahre, als die Wissenschaft das Wundergemüse als besonders eisenreich brandmarkte. Auch meine Kindheit war geprägt von Mahlzeiten wie "Kartoffeln mit Spinat". Im Fernsehen lief Popeye, der - wie konnte es anders sein - magische Kräfte durch eine Extra Portion Spinat bekam. So zwangen mich meine Eltern regelmäßig, das ungeliebte Gemüse zu essen, weil es doch nachweislich gesund sei. Kurzum: Geschadet hat es mir nicht. Aber wie konnte es soweit kommen?
Fehler beim Abschreiben
Ein Schweizer Physiologe hatte Ende des 19. Jahrhunderts den Eisengehalt von Spinat ermittelt. Seine Berechnungen waren korrekt ausgeführt. Das Unglück nahm seinen Lauf als jemand seine Zahlen abschrieb und dabei übersah, dass der Wissenschaftler nicht mit frischem, sondern mit getrocknetem Spinat hantiert hatte. Spinat besteht zu 90 Prozent aus Wasser. Die sagenhaften 35 Milligramm Eisen bezogen sich auf 100 Gramm Spinatpulver, das aus einem Kilogramm Frischware gewonnen worden war. Der Eisengehalt muss um gut eine Kommastelle berichtigt werden. Richtig sind circa 3,5 mg pro 100 Gramm. Der Wert ist also weitaus niedriger als damals ermittelt. Dass das grüne Gemüse trotzdem zu empfehlen ist, liegt am hohen Magnesium- und Zinkgehalt. Ebenso enthält der Spinat viele lebenswichtige Vitamine und ist sehr kalorienarm.
Vorsicht nur bei Babys
Weil es so gut passt, werde ich gleich ein weiteres Märchen entzaubern: die Gefahr vom aufgewärmten Spinat. Das Gemüse enthält Nitrat. Das ist dafür verantwortlich, dass der Mythos entstanden ist, es sei ungesund, den Spinat, der vom Mittagessen übrig geblieben ist, noch einmal aufzuwärmen. Was steckt dahinter? Bei längerer Lagerung und Wärmehaltung wandelt sich Nitrat in Nitrit um. Dieser Stoff beeinflusst den Sauerstofftransport in den roten Blutkörperchen - merklich allerdings erst in großen Mengen. Die Mengen, die bei der Lagerung von Spinat entstehen, sind für uns unbedenklich. Lediglich Babys unter sechs Monate sollten keinen aufgewärmten Spinat bekommen.
Viele Vitalstoffe
Spinat enthält zwar Eisen, aber in einer deutlich geringeren Menge als früher angenommen. Von dem Spurenelement Eisen steckt besonders viel in Fleisch, Kürbiskernen, Sesam, Leinsamen, in sämtlichen Hülsenfrüchten und Pistazien. Spinat enthält trotzdem viele Vitalstoffe und sollte in einer ausgewogenen Ernährung nicht fehlen.