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Münnerstadt
Keine Rückleuchte: Knöllchen für Heimatspielwagen in Münnerstadt
Polizisten stoppten den historischen Karren, ein wichtiges Utensil fürs Laientheater. Grund: Das alte Holzvehikel hatte weder Nummernschild noch Bremslichter. Hatte die Schutzfrau ihre Hände im Spiel?
Polizeiposse beim Heimatspiel       -  Dieser Wagen sollte aus dem Verkehr gezogen werden - weil ihm die Rücklichter fehlen.
Foto: Susanne Will | Dieser Wagen sollte aus dem Verkehr gezogen werden - weil ihm die Rücklichter fehlen.
Susanne Will
 |  aktualisiert: 26.10.2024 02:37 Uhr

Es ist eines der bewegenden Highlights im Münnerstädter Heimatspiel : Wenn die vor den Schweden flüchtenden verzweifelten Männer und Frauen mit ihren Wagen, auf die sie in aller Schnelle ihr Hab und Gut geladen haben, am Bürgermeister und seiner Gattin vorbeiziehen. Zum Schluss kommt immer der Wagen aus Maria Bildhausen, beladen mit einer Kiste, in der die Mönche ihre Schätze in Sicherheit bringen.

Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung

Um ein Haar hätte das Heimatspiel heuer auf genau diesen Wagen verzichten müssen. Weil zwei Polizisten absolut richtig handelten: Sie wollten den historischen eisenbereiften Holzwagen aus dem Verkehr ziehen. Grund: Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung, weil er keine Rücklichter hat.

Die ganze Geschichte: Der Fahrer – er möchte anonym bleiben -, gehört zu den Menschen, wegen derer das Historienspiel seit Generationen funktioniert und gelebt werden kann. Er wurde in Maria Bildhausen groß, spätestens nach dem Umzug nach Münnerstadt wurde er aktives Mitglied im Heimatspiel , spielte auch mal den Pfarrer.

Seit Jahrzehnten werden die Karren in die Innenstadt gezogen

Wie alle beim Heimatspiel packt er im Hintergrund mit an. So zieht er seit Jahrzehnten am Samstag vor dem ersten Spielsonntag die historischen Wagen aus der Scheune im Maital, hängt sie an einen Traktor und schleppt die Karren in eine Scheune in der Deutschherrnstraße. Von dort aus müssen sie quasi nur hinter Pferde gespannt werden, die Rösser ziehen sie dann aufs Kopfsteinpflaster vor die Bühne. Nach dem letzten Spielsonntag kommen die Wagen wieder per Traktor zurück ins Maital.

Jahrzehntelang war das kein Problem. Heuer schon. Der Fahrer: „Ich war schon auf der Hauptstraße, als ein Polizeiauto anhielt.“ Die beiden Beamten – eine jüngere Frau, ein mittelalter Mann – stiegen aus. Sie besahen sich den Wagen. Und konstatierten: Der hat im öffentlichen Verkehr nichts verloren. Ihm fehlten die Rücklichter, außerdem ein Schild, das anzeigt, dass der Wagen mit höchsten 25 Sachen unterwegs sein darf. Und ein Nummernschild? Fehlanzeige. Die Weiterfahrt wurde unterbunden.

Das Heimatspiel sagte den Beamten nichts

Versteckte Kamera? Leider nein. Der Traktor-Lenker: „Ich versuchte, den Beamten zu erklären, was das Heimatspiel ist.“ Nur hatten die beiden noch nie etwas von dem Traditions-Laien-Theater gehört. „Dann habe ich versucht, ihnen zu erklären, dass das Heimatspiel mittlerweile immaterielles Weltkulturerbe ist.“ Leider sagte das den Beamten auch nichts.  

Beamtenbestechung?

Jetzt kam der Fahrer langsam ins Schwitzen. „Ich habe in meiner höchsten Not erklärt, dass es doch nur wenige hundert Meter sind, dass das Heimatspiel auf dem Spiel steht – und dass sie doch einfach am Sonntag kommen sollen, um es sich anzusehen. Natürlich mit Freikarten!“ Und als er das sagte, packte ihn die Angst, dass ihm das als Beamtenbestechung vorgeworfen werden könnte.

„Zum Schluss habe ich ihnen vorgeschlagen, sie könnten doch mit Blaulicht hinter mir herfahren“, erinnert er sich. Und er erinnert sich auch an die Reaktion der beiden -  die hochgezogenen Augenbrauen der Beamten dürfte in etwa gleichzusetzen sein mit „geht’s noch?“

Der Beamte habe ihm erklärt, er meine es nur gut.  „Was, wenn ein Unfall passieren würde, dann wäre ich alleine verantwortlich“, die Fürsorge des Beamten sei auch aus seinen Worten zu hören gewesen. Nach einem Telefonat mit der Dienststelle durfte er weiterfahren.

Angst des Fahrers: eine Anzeige

Doch natürlich gärte es in ihm. Hat er jetzt eine Anzeige kassiert? In Mürscht wurde bereits gemunkelt: Ob man für nächstes Jahr eine Demonstration anmelden müsse, um den Wagen polizeilos in die Scheune in der Deutschherrnstraße bringen zu können? Oder gar den Trick vom Hochreins-Heini – Gott hab das Unikum selig – nachmachen müsse?

Erinnerungen an Heini Hochrein

 Der – so sagt die Legende – habe mit seinen Kumpels während der Besatzung durch die Amerikaner in Burghausen einen gehoben. Nur leider gab es eine Ausgangssperre. Wie also ohne Strafe nach Hause kommen?

Eine der einfachsten Herausforderungen für den Heini. Der soll sich kurzerhand vom Burghäuser Friedhof ein Kreuz geschnappt haben, die anderen nahmen Blumen in die Hand. Und so sollen sie betend und singend über den Schindberg zu Fuß an der amerikanischen Wache vorbeigezogen sein – mit der Erklärung, in jener Nacht sei es Tradition, eine Wallfahrt zu begehen. Sie hatten Glück: Der Chef des Militärpostens war ein gläubiger Mensch, der für Prozessionen größtes Verständnis hatte.

Und vielleicht hat da ja auch die Jungfrau Maria schützend ihren blauen Mantel über die blauen Witzbolde gehalten.

Heimatspiel Münnerstadt       -  Impressionen vom diesjährigen Heimatspiel in Münnerstadt.
Foto: Rüdiger Schwenkert | Impressionen vom diesjährigen Heimatspiel in Münnerstadt.

Erleichterung: Es gibt eine Ausnahme

Nein, es muss in Zukunft keine Wallfahrt herbeigeschwindelt werden - es ist ein Wunder geschehen. Marco Erhardt, Vize-Chef der Polizeiinspektion Bad Kissingen , bestätigt die Kontrolle und sorgt für Aufatmen: „Unter bestimmten Voraussetzungen sind Ausnahmen von der straßenverkehrsrechtlichen Zulassung möglich.“ Und dieser Mürschter Fall ist für ihn eindeutig eine solche Ausnahme.

Das neue Wunder muss ins Heimatspiel

Die Jungfrau Maria hat einst Münnerstadt vor den Schwedenkugeln verschont. Dass sie auch bei Knöllchen Wunder bewirken kann, war bisher unbekannt. Ich plädiere dafür, dieses neue Wunder im Heimatspiel aufzunehmen – wer weiß, wer demnächst Streifendienst auf Münnerstädter Kopfsteinpflaster hat.

 

 

 

 

 

 

 

 

 
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  • Helga Scherendorn
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  • Matthias Braun
    Die beiden Polizisten sollten besser ihren Eifer an Fahrrädern ohne Beleuchtung auslassen. Tausende Fahrräder fahren jeden Tag in Franken ohne Stahler Katzenaugen Lichter… Das ist eine wesentlich größere Gefährdung
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  • Peter Koch
    Man sollte zukünftig den Amtsschimmel vor den historischen Karren spannen.
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  • Günther Schreiber
    Der ist zu langsam
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