Sie kommen am 30. November zur Veranstaltungsreihe " Lesen und lesen lassen"? Da haben Sie sich viel vorgenommen. Das Altstadtcafé steht dafür nicht mehr zur Verfügung. Es wird geschlossen.
Von einer Abschiedsstimmung bei der letzten Lesung im einzigen Münnerstädter Kultur- und Kunstlokal war ein wenig, aber angesichts interessanter Lesebeiträge mehr von Aufbruch und Hoffnung zu spüren.
Bei Isabell Sterner gab's was auf die Ohren
Da war einmal die siebzehnjährige Isabell Sterner aus Schweinfurt. Sie wird 2019 ihr Abitur in Würzburg machen und ist über eine Freundlin nach Münnerstadt gekommen. Isabell hat sich das Poetry slammen verinnerlicht und fand für ihre beiden im Rap-Stakkato Beiträge frenetischen Beifall. Eine junge Frau, die mit großer Aufmerksamkeit zwischenmenschliches und politisches zu differenzieren weiß und das dann in einer besonderen Kunstform einem Publikum zu Ohren kommen lässt. Ihr Besuch in Münnerstadt ist wohl eine Stufe einer hoffnungsvollen Karriere.
Der " Lesen und lesen lassen" Abend konnte noch keine so große Tradition entwickeln. Es waren Litera(n)ten aus Münnerstadt , die im letzten Jahr die Initiative, zusammen mit Leiterin Uschi Klicha im Altstadt-Cafè, übernommen hatten. Es war natürlich auch der Lokalkolorit, der die Reihe schnell salonfähig machte. In der aktuellen Lesung gab Jens-Müller Rastede eine Geschichte aus dem Buch "Und dann kam Toni" von Rolf Thym zum Besten: " The show must go on!" Die Geschichte mit einem Hund in der Oberpfalz, der sich menschlichen Einflüssen auf sein Hundedasein strikt verweigert. Dabei ist der Golden-Retriever so ein charmantes Kerlchen. Der Hundeversteher Jens Müller-Rastede transportierte die Hundegefühle vollkommen und fand lachende Anerkennung.
Claudia Koch findet Axel Hacke gut. Sie hat ihn, den Glossenschreiber der Süddeutschen Zeitung schon selbst beim Vorlesen erlebt. Nun konnte sie mit der Geschichte "Die Christbaumkugel" die Zuhörer wieder auf die Beziehungs-Kisten aus dem Leben Axel Hackes einlassen. Das hat jede(r) schon selbst erlebt, sich mit "jemand", "man" und "einer" auseinanderzusetzen. Den Auftakt fand Claudia Koch mit Ratschlägen. M ittels der eingängigen Vorschläge der Autors Jan Faktor fanden die meisten der Gäste seine "15 Grundsätze des modernen Haushalts" nicht nur amüsant, sondern durchaus bedenkenswert.
Immer wieder hatte bisher auch Dietmar Wohlfromm im Lesecafe sein Publikum gefunden. Diesmal trug er Postkarten-Gedichte von Joachim Ringelnatz vor, der seine Weisheiten zu den verschiedensten Themen mittels eines fast schon vergessenen Mediums unters Volk brachte. Als zweiten Beitrag las der Altmünnerstädter das "Malermärchen" von Robert Gernhardt (1937-2006) vor. Der vielseitige Schriftsteller, der auch als Maler und Zeichner sehr anerkannt war, verband in hervorragender Weise zum Teil elende Fakten mit sarkastischem Humor. Bekannt wurde Robert Gernhardt als Redakteur der Magazine Pardon und Titanic.
In der mitunter verzwickten Lage als Schreiber dieser Zeilen und gleichzeitig Moderator des Lese-Abends trug ich mein 2001 verfasstes Referat "Es wird einmal so sein!" vor. Damals als Beitrag zum Altstadtverein- Stammtisches gedacht, hatte ich die Aufgabe übernommen, ein Münnerstadt im 21. Jahrhundert zu übernehmen. Den optimistischen Text heute nochmals vorzutragen, verfehlte die Wirkung nicht. Das Lachen der Zuhörer, dem ich mich selbst nicht verschließen konnte, barg angesichts einer weiteren Schließung eines Gastronomieortes in der Altstadt, neben viel Enttäuschungen im Jahr 2018 auch die Hoffnung, dass das Jahrhundert noch etwas dauert.
Kurzfristig, am 30. November 2018 wird es " Lesen und lesen lassen" wieder geben. Es wird sich ein Ort finden. Menschen, die noch zuhören können, gibt es genug.
Der Bericht über den Krimi-Autor Autor Matthias Soeder folgt zu einem späteren Zeitpunkt.