Die Idylle trügt: Was nach lila Blütenpracht aussieht, ist für die Flach- und Bergwiesen der Rhön eine akute Bedrohung. Die ursprünglich aus Nordamerika stammende Staudenlupine breitet sich im Biosphärenreservat Rhön immer stärker aus und nimmt heimischen Pflanzen die Lebensgrundlage.
Das Gewächs aus der Familie der Schmetterlingsblütler gilt als sogenannter Neophyt, also eine gebietsfremde Art. Sie wurde vor vielen Jahrzehnten als Bodenverbesserer in die Rhön gebracht. Doch dieser Plan ging schief.
Heimische Arten gefährdet
Als Leguminose kann die Lupine Stickstoff sammeln und zudem Phosphor aus dem Boden verwerten. Der Nährstoffgehalt des Bodens wird also erheblich gesteigert. Die an magere Flächen in der Rhön angepassten heimischen Gewächse kommen mit diesen veränderten Bedingungen allerdings nicht zurecht und bleiben auf der Strecke.
Die Lupine überwuchert zudem die Nester bodenbrütender Vögel und verdirbt das wertvolle Rhönheu. "Die Stängel der Lupine trocknen langsamer als das Gras. Diese Feuchtigkeit lässt das Heu stellenweise schimmeln und macht es als Tierfutter unbrauchbar", sagt Torsten Kirchner , zuständiger Gebietsbetreuer des Naturschutzgebiets Lange Rhön, der den Kampf gegen die invasive Pflanze seit mehreren Jahren koordiniert.
Seit Mitte Juni wird gemäht
Fast scheint es, als sei kein Kraut gegen das tückische Neophyt gewachsen. Doch versucht wird es trotzdem - mit beträchtlichem Aufwand. Seit Mitte Juni, bevor die Lupinensamen reif sind, werden die betroffenen Wiesen gemäht. Dabei achten die Naturschützer besonders darauf, dass bodenbrütende Vögel nicht gestört werden.
Doch diese Methode kommt schnell an ihre Grenzen. Denn die Lupine ist äußerst widerstandsfähig und wächst innerhalb kurzer Zeit nach. Sind die Samen ausgereift, beginnt der Schlamassel.
Raffinierte Überlebenstaktik
Denn die Lupine hat eine äußerst effektive Methode entwickelt, um ihre Samen großflächig zu verteilen. Die der Sonne zugewandte Seite der Samenkapsel trocknet schneller aus als die im Schatten liegende Seite. Dadurch verbiegt sich die Kapsel, springt auf und schleudert ihre Samen bis zu sechs Meter weit in die Umgebung.
Der Biologe Torsten Kirchner vom Biosphärenreservat Rhön will über die Gefahr aufklären. Deshalb empfängt er in der Schornhecke bei Oberelsbach (Kreis Rhön-Grabfeld) regelmäßig Gruppen von interessierten Menschen aus allen Altersgruppen. Die Besucher können und sollen auch mit anpacken, den jede Hand ist wichtig. An diesem Tag sind 20 junge Menschen einer landwirtschaftlichen Schule aus dem mittelfränkischen Triesdorf in der Nähe von Ansbach gekommen.
Dass angewandter Naturschutz ein echter Knochenjob ist, merken die angehenden Lupinen-Stecher schnell. Eifrig durchforsten sie die Wiese nach verdächtigen Objekten, denen sie mitsamt Stiel und Wurzel den Garaus machen wollen.
Wurzeln bis zu ein Meter tief
Das klingt viel einfacher, als es ist. Mit einem sogenannten Ampferstecher, einer Art Spaten mit zwei Zinken, stechen sie mehrfach um die Lupine , heben sie dann an, gehen auf die Knie und ziehen die Pflanze samt dem Wurzelgeflecht, das bis zum einen Quadratmeter groß ist und einen Meter in die Tiefe reichen kann, aus dem Boden. Die ungewohnte Plackerei fährt den Schülerinnen und Schülern gehörig ins Kreuz.
Gerd Frickel und sein Team können darüber nur schmunzeln. Sie haben sich längst an diese schwere Arbeit gewöhnt. Von Mai bis Oktober sind zwischen drei und sieben Mitarbeiter des in Ostheim ansässigen Landschaftsfachbetriebs in der Langen Rhön mit der Lupinenbekämpfung beschäftigt.
"Wir sind jeden Tag da, außer wenn es wie aus Eimern regnet", erklärt Philipp Frickel. Der 31-Jährige ist wie sein Vater und Firmenchef Gerd ausgebildeter Fachwirt für Naturschutz und Landschaftspflege.
"Soko Lupine"
Im Auftrag des Landkreises Rhön-Grabfeld stechen die Männer auf einer Fläche von rund 300 Hektar pro Jahr zwischen 60.000 und 80.000 Lupinen aus, berichtet Philipp Frickel und fügt lachend hinzu: "Wir sind die Soko Lupine ."
Rhön-Grabfelds Landrat Thomas Habermann hatte die "Lupinen-Sonderkommission" vor acht Jahren ins Leben gerufen. Seither kämpfen die Firma Frickel und andere Betriebe aus der Branche gegen die Lupinenflut. Bezahlt werden diese Maßnahmen von der Regierung von Unterfranken in Würzburg.
Hochspannung als Wurzelkiller
Die anstrengende Sisyphusarbeit kann das Problem aber nicht komplett lösen. Zu groß sind die betroffenen Flächen. Die Rhöner Naturschutz-Experten suchen deshalb nach alternativen Methoden, um der Plage Herr zu werden.
Der Einsatz von chemischen Mitteln ist in dem Naturschutzgebiet schwierig und würde zudem die übrige Fauna und Flora gefährden, meint Torsten Kirchner . Selbst der Probeeinsatz von Sonden, die mit einer hohen elektrischen Spannung die Wurzeln abtöten sollten, habe ebenso wie ein Test mit kochend heißem Wasser nicht zum gewünschten Ergebnis geführt.
Pistenraupe mit Mähwerk
Doch es gibt auch Fortschritte im Kampf gegen das garstige Gewächs. Die teilweise moorartigen und feuchten Flächen in der Langen Rhön werden seit drei Jahren mit einer umgebauten Pistenraupe gemäht. Viele Hektar sumpfiges Gebiet können so bearbeitet werden. Normale Traktoren würden dort einsinken, betont Kirchner.
Aber auch dieser 300 PS starke Pisten-Bully kann das Problem nicht endgültig lösen. Denn in wenigen Wochen ist die Lupine wieder da. Die Natur lässt sich eben nicht austricksen.
Weitere Berichte zu diesem Thema: