
„Differenziert betrachten“ – kann das ein Kabarettist in den heutigen Zeiten? Darf er Fakten nur dar- und gegenüberstellen? Kann er den Besuchern das Urteilen überlassen?
Für den Gelsenkirchener Kabarettisten HG Butzko ist „Differenziert betrachten“ ein Mantra, das er in seinem Programm „Ach ja“ des Öfteren wiederholt, bei seinem Auftritt im Kissinger Rossini-Saal doch eher die plakative Darstellungsform mit teils unterschwelliger Meinungsmache wählt und seine destruktive Meinung zum politischen Personal weder zurückhält noch beschönigt.
Knapp 100 Gäste verteilten sich im Rossini-Saal. Butzko inszeniert sein 25-jähriges Bühnenjubiläum als satirisch-zynische Zeitreise durch die politische Landschaft der BRD. Was bleibt von der Corona-Pandemie übrig?
Natürlich die Versäumnisse und Skandale wie die „Maskendeals“ der bayrischen Politiker-Elite. „So etwas hätte es unter Kohl nicht gegeben“, so Butzkos augenzwinkerndes Statement, mit dem er unverhohlen auf die Spendenaffäre des Ex-Bundeskanzlers und CDU-Vorsitzenden hinweist.
Skandale und Skandälchen
Im Zeitraffer-Tempo beschreibt er die Skandale und Skandälchen der letzten zwei Jahrzehnte, wobei ihm die politische Couleur egal ist. Mal wird Wolfgang Schäuble als Ex-Finanzminister mit der Frage „Wo sind die 100.000“ konfrontiert, mal Ex-Umweltministerin Angela Merkel mit ihrem apokalyptischen Ausblick auf Klimakatastrophe oder Migrationswelle.
Stets ist die Schlagzeile vorne dran, bevor Butzko in verkürzter Form auf das Versagen hinweist und damit nicht nur zustimmende Äußerungen generiert, sondern dank Stimmenimitation oder Spottbezeichnungen für das politische Personal auch schadenfrohe Lacher auslöst.
Stichworte im Minutentakt
Im Minutentakt und in der Art des wuchtigen Gelsenkirchener Barocks prasseln auf die Gäste die Stichworte ein, die sich unter anderem humoristisch an Jürgen Trittin abarbeiteten, der zur Rettung des Klimas das Dosenpfand einführte.
Oder er kritisierte die 100 Milliarden Euro für die Hypo Real Estate , die von Ex-Finanzminister Peer Steinbrück als „kein Staatsgeld zur Rettung von Banken“ deklariert wurden. Im Weiteren kombinierte Butzko Whistleblower Snowden mit der Aussage von Angela Merkel „Abhören unter Freunden geht gar nicht“ – und sorgte dabei mit der berühmtesten Raute der Welt für die entsprechenden Lacher.
Hirn- statt Kernschmelze
Andere Stichworte: Griechenland-Krise mit „alternativlosen“ 200-Milliarden-Rettungspaket, die Fukushima-Katastrophe mit der Feststellung, dass weniger die Kernschmelze, sondern die damit verbundene Hirnschmelze gefährlich war – Butzko kombinierte die noch im Internet und in den Köpfen schwebenden Begrifflichkeiten so, dass die bereits verblassten Bilder wieder Strahlkraft bekamen.
Logisch dann sein Fazit: „Wann immer es brenzlig wurde, haben deutsche Politiker vertuscht, verschleiert, für dumm verkauft und verarscht.“
Zögerlicher Applaus anfangs, doch der kräftiger werdende Beifall animierte zu einem weiteren Bonmot: „Wenn’s ernst wird, muss man lügen“ – von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker übernommen und als Amtsvoraussetzung auf Ursula von der Leyen übertragen.
Wenn Nullen Geltung wollen …
Doch nicht nur die Systemfehler der vergangenen Jahre sind für Butzko die Reizthemen, sondern auch die Verfehlungen jüngster Zeit sorgen für sarkastische Rundumschläge. So bekommt der AfD-Landrat aus Sonneberg sein Fett weg, wenn Butzko auf seinen Mathe-Lehrer verweist: „Wenn die Nullen Geltung haben wollen, dann müssen sie rechts stehen.“
So wirft er Bundeskanzler Scholz nicht nur die Vergesslichkeit im Hamburger Cum-Ex-Skandal vor, sondern auch dessen Vorwurf an die Erinnerungslücken des Hubert Aiwanger . Dem wiederum kreidet er an, sich nur an Entlastendes zu erinnern.
Mal provokativ, mal oberflächlich
Ob Klimakleber oder das Zahnarzt-Dilemma von Friedrich Merz, ob Sahra Wagenknechts verrutschte Leitlinien oder künstliche Intelligenz – mal gibt sich Butzko provokativ-oberflächlich, mal mit Tiefgang.
Dem Katalysator „Corona-Pandemie“ widmete HG Butzko einen weiten Raum, wobei er weder die Folgsamen noch die Querdenker und Schwurbler, weder die Pharmaindustrie noch die TV-Experten, weder das Recht auf körperliche Unversehrtheit noch die Folgen der Corona-Politik ausließ und teils sehr akzentuiert darstellte.
Über diese Zeitenwende war’s dann nur ein kurzer Schritt zu Putin-Verstehern, zur Heldenverehrung Selenskyjs, zum Nahen Osten und der Klimapolitik.
Hunderte von Nadelstichen
Zwei Stunden politisches Kabarett á la HG Butzko sind keine leichte Kost. Zwei Stunden mit Hunderten von Nadelstichen gegenüber jedem und allem verstopfen die Synapsen, strapazieren trotz einiger Kalauer und spöttischer Untertöne die Aufnahmefähigkeit der Gäste, verhindern das befreiende Lachen – daraus folgt ein „Gut war's, aber ….“
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