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Bad Kissingen
Julias Weihnachtswunsch: In Sicherheit leben zu dürfen
Die Osteuropäerin flüchtete vor ihrem gewalttätigen Ehemann in eine Gemeinschaftsunterkunft im Landkreis Bad Kissingen. Sie sagt: "Sicherheit, Bildung, Gesundheit - damit kannst du alles erreichen."
Häusliche Gewalt       -  Julia - hier ein Symbolbild - flüchtete vor ihrem gewalttätigen Ehemann nach Deutschland. In ihr Heimatland kann sie nicht mehr zurückkehren. 'Er würde mich umbringen', sagt sie.
Foto: Jonas Walzberg/dpa | Julia - hier ein Symbolbild - flüchtete vor ihrem gewalttätigen Ehemann nach Deutschland. In ihr Heimatland kann sie nicht mehr zurückkehren. "Er würde mich umbringen", sagt sie.
Susanne Will
 |  aktualisiert: 18.01.2025 02:37 Uhr

Die meisten von uns sind Teil einer Gesellschaft des Überflusses. Gerade an Weihnachten ist das wieder gut spürbar: Unter den Weihnachtsbäumen werden Berge von Geschenken liegen, der Tisch wird sich unter Leckereien biegen, die meisten feiern das Fest der Liebe in der Familie. Julia, 35, bleibt an Heiligabend wie an fast jedem Abend zu Hause. Ihr Zuhause sind zehn Quadratmeter in einer Gemeinschaftsunterkunft im Landkreis Bad Kissingen . Zehn Quadratmeter, "für die ich sehr dankbar bin." Ihr einziger Weihnachtswunsch : in Deutschland bleiben zu dürfen und damit in Sicherheit vor ihrem gewalttätigen Ehemann zu sein.

Julia heißt nicht Julia. Ihre Situation ist so sensibel, dass jeder Hinweis auf ihre Person und ihre Herkunft verschleiert werden muss. Denn wenn ihr Mann sie findet, dann bringt er sie um. Nur so viel ist erlaubt: Sie stammt aus einem osteuropäischen Land.

Julia wurde zwangsverheiratet

Dort wurde sie vor einigen Jahren zwangsverheiratet. "Jahrelang hat er mich im Haus eingeschlossen. Ich durfte es nicht verlassen, er war sehr gewalttätig." Ihr Deutsch ist hervorragend, was umso überraschender ist, da sie erst vor knapp eineinhalb Jahren in Deutschland ankam. "Ich habe eben gelernt", sagt sie bescheiden.

Das Risiko, einem Femizid durch ihren Ehemann zum Opfer zu fallen, wurde so groß, dass sie sich zur Flucht entschloss. Eine Scheidung kommt in ihrem Land nicht infrage. Mit ihrem Glauben hat das allerdings weniger zu tun, sie ist orthodoxe Christin und feiert Weihnachten vom 6. auf den 7. Januar.

Freundin verhalft ihr zur Flucht

Es war eine Freundin, die ihr half, die selbst ein großes Risiko einging, Julia zur Grenze zu fahren. Sie schlug sich dann durch bis ins Auffanglager nach Schweinfurt, wurde von dort dem Landkreis Bad Kissingen zugewiesen.

Julia ist eine kluge, zielstrebige und wissbegierige Frau. In ihrem Heimatland hat sie zwei Studiengänge abgeschlossen. Welche das sind, darf aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden.

Ihr Tag beginnt um 5 Uhr

In Unterfranken hat sie eine neue Ausbildungsstätte gefunden: "Ich möchte Einzelhandelsfachverkäuferin werden", sagt sie. Erst nach dem Asylverfahren, in dessen Mitte sie noch steckt, könnten ihre Diplome eventuell anerkannt werden.

Doch trotz ihres noch laufenden Asylverfahrens hat sie eine Lehrstelle in Schweinfurt ergattert, sie arbeitet in einem Bekleidungsgeschäft. Dafür steht sie jedem Morgen um 5 Uhr auf, um rechtzeitig mit der Bahn ihren Arbeitsplatz zu erreichen. Zwischen 20 und 20.30 Uhr kommt sie jeden Abend nach Hause.

Einen Laptop kann sie sich nicht leisten

In ihrem Kämmerlein angekommen, bereitet sie sich in der Gemeinschaftsküche etwas zu essen zu, dann zieht sie sich zum Lernen zurück. Sie besitzt keinen Laptop, "den kann ich mir nicht leisten". Alle Lernmaterialien und ihre allerwichtigsten Dokumente – ihre Diplome - stapeln sich am Fußende ihres Bettes. Auf dem winzigen Tisch, keine zwei Meter gegenüber des Betts, ist kein Platz dafür, der dient als Ablageort. Er steht eingepfercht zwischen Wand, Kühlschrank und einem Spind.

Sie muss für die Berufsschule lernen, auch an Heiligabend . Das mache nichts, sagt sie, "ich habe ja auch niemanden, mit dem ich zusammen sein könnte".

In der Unterkunft hat sie keinen Anschluss

"Ich bin immer allein", in der Unterkunft sei es schwer für sie, Anschluss zu den anderen Menschen zu finden. Wenn die Unterkunft voll belegt ist, dann sind das 134, es ist ein Kommen und Gehen. "Viele Menschen hier lernen kein Deutsch und ich kann kein Arabisch."

Kontakt zu ihrer Familie hat sie nicht. "Es wäre zu gefährlich. Mein Mann sucht nach wie vor nach mir und könnte herausbekommen, wo ich jetzt bin." Und sollte er sie finden, da ist sie sich sicher, "bin ich tot, egal wo ich wohne".

Lesen in der Bibel tröstet sie

Sie wird ihre Heimat nie wieder sehen können, sagt sie. Ginge sie zurück, gehe sie das Risiko ein, dort von ihm erwischt und getötet zu werden. Was hilft ihr in ihrer Einsamkeit, wer hilft ihr mit ihren Sorgen? "Es ist die Bibel. Sie ist auch die einzige Erinnerung an meine Heimat", andere Erinnerungsstücke, sagt sie, habe sie auf die Flucht nicht mitnehmen können.

"Ich bin Deutschland so dankbar"

Ihr Ziel: Die Selbständigkeit und eine kleine, eigene Wohnung in Schweinfurt. Ihr einziger Wunsch zu Weihnachten: "Ich möchte hierbleiben. Ich bin Deutschland so dankbar, dass ich hier in Sicherheit leben kann und dass ich eine Ausbildung machen darf."

Mehr, sagt sie, brauche sie nicht. Sicherheit. Bildung. Gesundheit. "Wenn ich das alles habe, habe ich keine Wünsche. Denn mit diesen drei Dingen kannst du alles erreichen."

 

 

 

 
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