
Jüdische Tradition lebt auch in Bad Kissingen weiter. Am Sonntag hat Chanukka , das jüdische Lichterfest begonnen, es dauert acht Tage. Auch in Deutschland feiern es viele Jüdinnen und Juden - und das schon seit 1700 Jahren.
Das jüdische Leben in Bad Kissingen wird heute von Itzchak und Raaya Nadel getragen, beide tätig im Kurhaus Beni Bloch. Dort kontrolliert Nadel als Maschgiach die Einhaltung der Regeln der jüdischen Speisegesetze. Ein geschichtliches Zeugnis jüdischen Lebens in der Stadt ist der jüdische Friedhof , wo beide eine Führung angeboten haben.
Im Judentum gelten die Grabstätten als ewige Ruhestelle. Grabsteine dürfen nicht entfernt werden, eine Neubelegung des Platzes - wie im Christentum üblich - ist nicht erlaubt. Jüdische Friedhöfe lagen früher außerhalb der Stadt auf schlechten Grundstücken, beispielsweise auf sumpfigen Boden oder in Hanglage.
Grund hierfür ist, dass es Juden schwer gemacht wurde, überhaupt Begräbnisplätze zu erwerben. Es gibt außerdem zwei Bestattungsarten: In Israel bestattet man die Toten ohne Sarg, nur in Tücher gewickelt, außerhalb Israels meist mit Sarg. Außerdem kümmern sich die Familien des Verstorbenen in aktiven jüdischen Gemeinden um sein Grab, die Pflanzen und die Steine, erläutern die Eheleute. In Bad Kissingen pflegt die Stadt nur den Rasen, für die Grabsteine ist der Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern zuständig.
Jüdische Grabstätten
Generell legt man auf den Gräbern auch keine Blumen, sondern Steine auf den Grabstein. Anders als Blumen, die welken, symbolisieren diese Beständigkeit und Unvergänglichkeit. Das Taharahaus, in Bad Kissingen ein Gebäude aus roten Ziegeln, war der Ort für die im Judentum übliche rituelle Waschung des Toten, der daraufhin in Tücher eingewickelt wurde. Daneben gibt es eine Halle, die Familienmitglieder und der Rabbi zur Verabschiedung des Verstorbenen nutzten, erklärt Itzchak Nadel.
Weitere Besonderheiten sind spezielle Symbole auf Grabsteinen, etwa segnende Hände für einen Kohen, also Priester. Diese sind zwischen Ring- und Mittelfinger gespreizt und erinnern so an den Vulkanier-Gruß aus Star Trek. Tatsächlich wurde Leonard Nimoy , der jüdische Darsteller Spocks, bei einem Synagogenbesuch auf diese Geste aufmerksam und führte sie später in die Serie ein.
Jüdisches Leben in Bad Kissingen existiert schon seit dem späten 13. Jahrhundert. Die erste gesicherte Erwähnung des jüdischen Friedhofs im Ort stammt jedoch aus dem Jahre 1817. In den Jahrhunderten davor wurden die Toten auf dem Distriktfriedhof in Pfaffenhausen bestattet. Erhalten sind auf dem Friedhof in Bad Kissingen noch fast 500 Grabsteine, alle in verschiedenen Stadien des Verfalls. Die ältesten Gräber finden sich unten am Hang, da die Leichname einfacher dorthin gebracht werden konnten, erzählt Itzchak Nadel.
Im Laufe der Zeit kletterten die Grabflächen bis nach oben. Die letzte offizielle Bestattung fand in den Achtzigern statt, es gibt jedoch Urnengräber von 1988 und 2000. "Man weiß bis heute nicht, wie sie auf den Friedhof kamen. Der Steinmetz weiß laut seiner Aussage von nichts", sagt das Ehepaar.
Rechteckiger Friedhof in Bad Kissingen
Eingefasst ist die Friedhofsfläche von einer ehemals viereckigen Mauer. Warum ehemals? Itzchak Nadel erzählt: Felix Ehrlich , der ein gut laufendes Geschäft in der Kissinger Innenstadt betrieb, erkrankte nach dem Tod seines Sohnes im ersten Weltkrieg an Depressionen. Infolgedessen beging er Selbstmord, sein Leichnam wurde eingeäschert. Doch weder das eine noch das andere sind im Judentum erlaubt. Rabbiner Seckel Bamberger, zu dem Felix Ehrlich zu Lebzeiten auch keine gute Beziehung gehabt hatte, verbot deshalb die Beerdigung auf dem Friedhofsgelände. Die Ehrlichs jedoch erwarben ein Grundstück auf der anderen Seite der Friedhofsmauer, auf dem er schließlich beigesetzt wurde. Einige Jahre später ließen die Nazis die Mauer an der Stelle einreißen und gliederten das Grab mit ein, damit es nur einen Friedhof gab. Die daraufhin neu entstandene Mauer führt um die Grabstätte herum.
Als Bad Kissingen im bayrisch-preußischen Krieg 1866 zum Kampfplatz wurde, fielen auch jüdische Soldaten. Zwei, ein Bayer und ein Preuße, liegen nebeneinander begraben. Jacob Michaelis, ein preußischer Leutnant, war so angesehen in der Truppe, dass die Soldaten ihm ein Ehrengrab stifteten. Durch den daneben wachsenden Baum werde der Grabstein jedoch immer weiter hochgehoben, weshalb dessen Stand unsicherer werde, beklagt Raaya Nadel.
Alle Steine haben eine Geschichte
Der jüdische Friedhof hat außerdem eine "Kinderabteilung", wo kleine Grabsteine für im Kindesalter Verstorbene stehen. Eine abgebrochene Säule oder Baum symbolisieren, dass die dort begrabene Person zu früh aus dem Leben gerissen wurde.
Eine Ausnahme gibt es: Das Ehepaar zeigt das Grab eines elfjährigen Mädchens, das bei den Erwachsenen steht. Die sterblichen Überreste ihrer Mutter, ursprünglich aus Hamburg, wurden später auf ihren ausdrücklichen Wunsch hin auch auf den Friedhof überführt, nachdem sie in Toulouse überfahren wurde. Da in der Zwischenzeit die Plätze neben dem Grab der Tochter jedoch vergeben waren, liegt das Grab der Mutter entfernt davon am Fuße des Hanges. "Jüdische Mütter", meinen Itzchak und Raaya Nadel und lachen. Es gibt auch eine eigene Sektion von jüdischen Kurgästen, die während ihres Aufenthalts in Bad Kissingen verstarben. Die Grabsteine von diesen sind aus schwarzem Stein im Gegensatz zum sonst genutzten Sandstein.
Einen solchen hat auch Moritz Goldstein, gestorben 1959. Er kaufte ein Doppel-Grab für sich und seine Frau, eine zum Judentum konvertierte Polin. Nach dem Tod ihres Mannes lebte sie in einem jüdischen Pflegeheim in Würzburg. Ihre Familie missbilligte dies: Bei einem Besuch lockten sie die Frau unter einem Vorwand in ein Auto und entführten sie zurück nach Polen. Mehr sei über ihr Schicksal nicht bekannt, sagt Itzchak Nadel.
"Die Steine reden", fasst er zusammen. Und seine Frau Raaya ergänzt: "Jeder Stein erzählt eine Geschichte." Das Befestigen der Grabsteine sei jedoch eine kostspielige Angelegenheit. Das Ehepaar hat bereits bei anderen Friedhöfen unter anderem Edelstahlplatten mit den Grabinschriften angebracht, wo die Restauration der Steine nicht erlaubt war. Das sei jedoch ein großer persönlicher Aufwand gewesen.
Wie es weitergeht mit dem jüdischen Friedhof in Bad Kissingen , ist noch unklar. Ob die Stadt nun am Leader-Projekt "Jüdische Friedhöfe" teilnehmen wird, bei dem diese Fördergelder bekommen sollen (wir berichteten), ist noch ungewiss.
Zu ticktricktrack: Das wurde schon in Deutschland Jahrhunderte lang so gehandhabt. In jeder Kultur ist es anders. Warum sollen wir das jetzt sein lassen? Nur weil es Ihnen nicht gefällt? Hätten wir sie nicht heraus geschmissen oder noch schlimmer ermordet, hätten wir dieses "Problem" nicht.
Schön, dass Sie sonst keine Sorgen haben.
vielen Dank für den Hinweis, wir haben die Bezeichnung geändert.
Freundliche Grüße
Silke Albrecht
Digitales Management
Dass es für diese Gräber keine Angehörigen mehr gibt ist aber durch die Vernichtung des jüdischen Lebens in Deutschland verursacht.
Was ist dazu im Vergleich die Pflege der wenigen Spuren, die diese Kultur in Deutschland hinterlassen hat?
Zumindest bei einer der letzten Führungen wurde noch nicht vom "Vulkanier-Gruß" berichtet, es ist altbekannt und nichts Neues.