Man kann ihn sich so richtig vorstellen, den Regionalkantor Peter Rottmann, wie er vor seinem übervollen Notenschrank steht und ins Grübeln gerät: "Ein großes weihnachtliches Werk wird's in diesem Jahr ja nicht. Da kann ich endlich einmal alle die Stücke und Sätze spielen, die ich schon immer mal wieder aufführen wollte." Und er beginnt zu stöbern, zu prüfen und zu gewichten. Herausgekommen ist eine Folge von Sätzen und Werken, berühmt und weniger berühmt, aber deshalb nicht weniger interessant. Oder anders gesagt: Das Advents- und Weihnachtskonzert oder auch Jubiläumskonzert zum 20-jährigen Chorjubiläum des Ensemble Vokal Münnerstadt .
Weitere Mitwirkende waren gute Bekannte: Die Sopranistin Radka Loudova-Remmler, der Paukist Frank Stäblein, der Organist und Cembalist Stefan Walter, das Trompetenensemble Jürgen Werner und das Südthüringische Kammerorchester.
Man kann immer nur wieder staunend bewundern, dass diese Vorweihnachtskonzerte in der Stadtpfarrkirche überhaupt stattfinden, und das auch noch so stimmungsvoll. Denn die Kälte ist schon ein Problem. Das Publikum hat es ja noch relativ gut. Dank der Sitzheizung bekommt es ein gewisses Gefühl von Wärme. Aber die Musiker! Den Sängerinnen und Sängern kriecht langsam aber sicher die Kälte die Beine hinauf, weil sie sich kaum bewegen können. Und die Instrumentalisten können sich zwar bewegen, müssen aber höllisch aufpassen, dass ihre Finger nicht steif werden. Erstaunlich, dass da trotzdem Konzentration möglich ist.
Vielleicht begann deshalb auch der Chor ein bisschen vorsichtig mit Hans Leo Hasslers vierstimmigem "Dixit Maria". Aber die Entschiedenheit war schnell erreicht, und der Chor zeigte nicht nur, wie klar strukturierend er singen kann, sondern auch wie differenziert im Ausdruck der Emotionen. Das wurde auch bei Georg Friedrich Händels "Denn es ist uns ein Kind geboren" aus dem "Messias" deutlich, bei dem die Stimmen nach dem Themenkopf schwierige Sechszehntelketten federnd zu singen haben, die bei den "Vokalisten" nicht nach Problem, sondern nach Freude anhörten.
Bei Michael Haydns Aria de Passione Domini et Adventu, "Ihr Himmel, taut herab" - das dachte sich an diesem Nachmittag so mancher - ließ sich das Orchester von Radka Loudova-Remmler ein bisschen überraschen, die mit ihrem Elan die Musiker ein wenig scheuchte, sie mit ihrem instrumentalen Singen und ihrer Expressivität sehr schnell mitnahm. Fünf Strophen wollen erst einmal gezählt sein. Da kam der Schluss nach der Solokadenz ein bisschen überraschend.
Dass Frank Stäblein Marc-Antoine Charpentiers Ouvertüre zu seinem "Te Deum" - man kennt sie von der Eurovision - mit einem langen, fulminanten Paukensolo einleitete, kam überraschend; denn im Autograph steht es nicht. Aber es passte ausgezeichnet, und man gönnte ihm die Gelegenheit, sich ein bisschen warm zu machen. Antonio Vivaldi war mit Ausschnitten aus dem "Gloria" RV 589 vertreten, einer schwungvollen Musik, die der Chor ebenso gestaltete. Und es war schön, wie im "Quoniam tu solus sanctus" trotz der intimen Stimmung die Solostimme und die Oboe den Kirchenraum füllten. Eindrucksvoll war auch Joseph Haydns "Benedictus" aus der Missa Santi Johannis de Deo, in der nach einem Zwiegespräch zwischen Solo und Orchester der Chor plötzlich kraftvoll mit dem "Osanna" einsetzt.
Der "Bach-Block" war repräsentativ besetzt und wurde eröffnet mit der Eingangsarie zu der Kantate "Jauchzet Gott in allen Landen" BWV 51, einer absoluten Bravourarie des Thomaskantors, der damals nicht nur einen guten Knabensopran, sondern auch einen ebensolchen Trompeter zur Verfügung gehabt haben muss. Das war etwas für Radka Loudova-Remmler, die virtuos durch die Skalen und Melismen fegte.
Aber man hätte sich den Satz doch etwas langsamer gewünscht, um wirklich alle dabei mitzunehmen. Das galt auch für die Air aus der Orchestersuite Nr. 3 BWV 1069, in der etwas mehr Zeit ein klareres Ausformulieren der Verzierungen ermöglich hätte. Bei "Vom Himmel hoch" aus dem Weihnachtsoratorium entwickelte sich ein prächtiger Dialog zwischen Chor und Solistin.
Sätze aus dem "Oratorio de Noël" von Camille Saint-Saëns mussten natürlich sein, weil sie so beliebt sind, weil die Musik so schön in die Stimmen geschrieben ist, dass schon das Aufführen Spaß macht. Das Finale, "Tollite hostias" ist längst zu einem der hartnäckigsten Ohrwürmer geworden.
Wolfgang Amadeus Mozarts "Exsultate, jubilate" hätte Radka Loudova-Remmler vielleicht lieber ein bisschen schneller gehabt als das Orchester . Trotzdem gelang es ihr ausgezeichnet, die emotionalen Facetten des Werkes, die aus der Marienverehrung entstehen und die im Text und in der Musik so plastisch angelegt sind, ganz plastisch werden zu lassen. Mozarts anschließendes "Ave verum" sang der Chor mit wunderbarer Innigkeit und Ruhe.
Vor allem vielseitig war die norwegische Volksweise "Der Heiland ist geboren" weil hier Solo, Chor und Orchester in immer wieder wechselnden Kombinationen die Strophen vortrugen. Nicht überraschend, dass Händels "Halleluja" aus dem "Messias" den triumphalen Schlusspunkt setzte. Das ist eine Musik, die ihre Zuhörer mitreißen kann, und so war sie auch musiziert. Da konnte man sich auch ein bisschen die ganze Anspannung der Aufführung von der Seele singen, streichen und tuten.
Natürlich gab es zum Schluss noch das traditionelle gemeinsame Lied "Nun freut euch, ihr Christen" mit allen Beteiligten und jetzt mit der großen Orgel - und natürlich mit dem Publikum. Klar, dass alle mitmachten. Wenn man so viel schöne Musik gehört hat, will man gerne auch mal selber singen. Und die gute Stimmung mit nach Hause nehmen.