Er tanzt wirklich, der Bär. Immer im Kreis herum, dabei poltern die kleinen Kugeln, die unter den Bären hängen. Ein Spielzeug, das den Blick magisch anzieht. „Es ist ein Geschenk von Elena Golentschik“, erzählt Hilla Schütze, die für die Sonderausstellung in ihrer Spielkiste mit russischem Spielzeug gekramt hat.
Ab heute sind nicht nur Bären im Spielzeugmuseum in der Oberen Saline zu sehen, sondern auch die allseits bekannten Matrjoschkas, die bunten Steckpuppen. 130 verschiedene Matrjoschkas sind in der kleinen Wechselausstellung in der „Spielzeugwelt“ zu sehen. Daneben gibt es Spielsachen aus Holz und Ton sowie russische Kinderliteratur mit farbenprächtigen Illustrationen.
Vor etwa 50 Jahren ist Hilla Schütze das erste Mal mit der Eisenbahn nach Moskau in die damalige Sowjetunion gefahren. Hier machte sie Bekanntschaft mit ungefärbtem Holzspielzeug. „Es waren ganz einfache Matrjoschkas“, so Schütze. Heute seien die Puppen überreich bemalt.
Von ihren insgesamt vier Reisen nach Russland brachte Hilla Schütze immer volle Taschen mit. „Ich würde gern noch öfters hinfahren, denn es ist ein faszinierendes Land“, meint sie im Gespräch mit der Main-Post. Aber auch ohne viele Reisen kann die Sammlerin ihren Fundus erweitern. Denn für Nachschub sorge hin und wieder Elena, freut sich Schütze.
Elena habe mal auf einer Messe die tanzenden Bären gesehen und wollte sie kaufen, erzählt Schütze. Doch die Spielzeugproduzenten schüttelten den Kopf. Die Bären seien extra nur für die Messebesuche hergestellt worden. Elena habe solange auf sie eingeredet, bis sie dieses besondere Spielzeug bekam – und schenkte es dann Hilla Schütze.
Die Ausstellung „Wo der Bär tanzt“ zeigt viele kleine Bären, meist aus Holz. Einer sitzt da und angelt, während sich hinter ihm der Fuchs anschleicht. Ein anderer hackt Holz, ein weiterer spaltet gemeinsam mit einem Häschen einen Holzkloben.
Hilla Schütze weiß ihre Sammlung auch historisch und zeitlich einzuordnen. Der Bär sei in Russland schon vor Jahrhunderten als ein Wesen betrachtet worden, das dem Menschen besonders nahe stand, erzählt sie. Im Volksglauben habe man in ihm einen verwandelten Menschen gesehen. Seit dem 16. Jahrhundert zogen Bärenführer mit ihren tanzenden Tieren von Ort zu Ort – nicht nur in Russland.
Selbst in Kissingen habe es Tanzbären gegeben, wie Schütze aus dem Briefwechsel der Schriftstellerin Jenny von Gustedt, die 1837 in Kissingen zur Sommerfrische war, erfahren hat: „Heute trieb ein Hirte seine Herde durch den Kurgarten, den man eher einen zoologischen Garten nennen müsste, denn neben anderen Tieren zeigen hier seit drei Tagen zwei Tanzbären ihre Kunststücke.“
Die Figur des tanzenden Bären sei in Russland häufig in das Sortiment der Spielzeugfiguren aufgenommen worden, weiß Schütze. Bis heute produziere das Dorf Bogorodskoje nahe Moskau eine Vielzahl von handgeschnitztem, beweglichem Bärenspielzeug.
Neben Holz war Ton ein beliebtes Material für Spielzeug, wovon unter anderem die Tonpfeifen in Form von Vögeln und Pferden zeugen. Die seien einst Kultgegenstände bei Frühjahrsfesten gewesen, so Schütze. Inzwischen hätten sie aber ihre rituelle Bedeutung verloren. Das Tonspielzeug werde in Dörfern um die Stadt Kargopol im Gebiet Archangelsk im Norden Russlands schon seit dem 19. Jahrhundert hergestellt. Die Matrjoschka sei am Übergang zum 20. Jahrhundert entstanden. „Der Maler Maljutin und der Drechsler Swjosdotschkin stellten sie nach dem Vorbild der japanischen Steckpuppe her. Ihren Namen erhielt sie von dem Frauennamen Matrjona, Koseform Matrjoschka.“ Hergestellt werde sie aus Linden, Birken- und Espenholz. Als nationales Souvenir sind sie weltweit verbreitet, „in schlichter, traditioneller Bemalung allerdings nur selten anzutreffen“, sagte Schütze.
Eine Ergänzung zu dieser Sonderausstellung ist eine kleine Zusammenstellung von Gebrauchsartikeln wie Samowar, Schachspiel, Tücher, Trachtenkleid, Vasen, Uhr und Spielzeug, die russische Familien in Bad Kissingen zur Verfügung stellten. Es sind jene Familien, die heute bei der ersten Museumsnacht auch russische Speisen und Getränke anbieten.
Öffnungszeiten: Museum Obere Saline, Mittwoch bis Sonntag 14 bis 17 Uhr.