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Bad Kissingen
Jetzt sterben sie wieder
Der 1. April gilt als Saisonauftakt. Seit 2013 starben im Landkreis Bad Kissingen sechs Biker. In zwei Dritteln der Fälle waren sie schuld.
Motorradunfälle enden leider oft tödlich.  Archivfoto: Barbara Herbst       -  Motorradunfälle enden leider oft tödlich.  Archivfoto: Barbara Herbst
| Motorradunfälle enden leider oft tödlich. Archivfoto: Barbara Herbst
Susanne Will
 |  aktualisiert: 19.08.2022 14:55 Uhr
Es ist die "04" im Kennzeichen, die belegt, dass es jetzt wieder losgeht: Wer Motorradfahren liebt, der schaut, dass er sein Krad am 1. April anmelden kann. Für die Biker beginnt die Zeit der Ausflüge, der Serpentinen, des Genusses, endlich wieder Wind unterm Helm zu haben. Für die Polizei und Rettungskräfte beginnt eine andere Zeit: Sie wissen, jetzt kracht es wieder.
Die Karte in der Mitte der Seite - erstellt von der Polizei für ganz Unterfranken - verdeutlicht für die drei vergangenen Jahre, wer Schuld hatte an den Unfällen: In zwei Dritteln waren es die Kradfahrer selbst. Meist war hohes Tempo verantwortlich dafür, dass sie einen Unfall nicht überlebt haben.
Das Polizeipräsidium Unterfranken versucht heuer, mit einem neuen Faltblatt die Motorradfahrer zu erreichen. "Es liegt an dir..." heißt es, der Text appelliert an die Eigenverantwortlichkeit: Es liegt an dir, ob du wieder nach Hause kommst, ob du die Kurve kriegst oder auch, "ob dein Motorrad für die Saison gerüstet ist".


Lehrer: Jedes Jahr stirbt einer

Vor allem der letzte Punkt ist häufiger Grund für viele, oft tödliche Unfälle. Davon weiß Norbert Krebs ein Lied zu singen. Krebs ist in Bad Kissingen Fahrlehrer seit 1982, Hunderten hat er das Motorradfahren beigebracht. "Und eigentlich stirbt jedes Jahr einer, den ich ausgebildet habe", erzählt er. Schlafen kann er danach sehr schlecht.
Krebs ist in einem Motorradclub, der nichts mit den gängigen Rocker-Vereinigungen zu tun hat. "MC Hägar" nennen sie sich, eine lockere Zusammenkunft von Motorradfans, eher zufällig, so sagt er, hat er dort den Präsidentenposten inne. MC Hägar scheint sehr vertrauenswürdig zu sein, denn die Polizei Bad Kissingen arbeitet mit den Freizeit-Easy Riders zusammen, um auch ihre Anliegen unters Biker-Volk zu bringen.
Wie am 6. Mai, denn da bietet Fahrlehrer Norbert Krebs mit Kollegen und seinen Hägar-Kumpel ein Fahrsicherheitstraining am Platz hinter dem Baumarkt Hellweg in Bad Kissingen an. Auch die Polizei ist mit einem Infostand dabei
Norbert Krebs: "Bevor es wieder auf die Straße geht, sollen die Leute auf dem Platz üben." Es werden keine Kunststücke verlangt, es geht darum, erst einmal ein paar Kreise zu ziehen, Anfahren zu üben und die Reaktion beim Bremsen zu testen. "Vor allem aber geht es darum, dass das Motorrad technisch tipptopp ist", sagt Krebs. Dafür gibt es den Service-Point an jenem 6. Mai.
Zu viel hat er schon gesehen in den vergangenen Jahren: Einen Luftdruck von 0,8 Bar (normal sind zwei bis zweieinhalb Bar); 20 Jahre alte Reifen ("Und der Kerl hatte auch noch seinen kleinen Sohn dabei."); Bremsbeläge, die nur noch aus Eisen bestanden. "Die Leute wissen oft nicht, was sie anrichten, wenn sie damit durch die Gegend fahren", die schicke er dann auch rigoros nach Hause. "Die kommen mit Reifen an, die genügen höchstens noch für die Schubkarre."
Unter seiner Kontrolle und der seiner Kollegen können sich die Anfänger auch in die Kurve legen. "Gerade Anfänger fahren mit einer 20-Grad-Schräglage. Würden sie mit bis zu 35 Grad fahren, würden 75 Prozent der Unfälle in den Kurven nicht passieren", nur: Das muss geübt werden.
Mit dabei ist heuer auch das Rote Kreuz Bad Kissingen. "Die zeigen, wie man im Ernstfall einen Helm abnimmt", sagt Krebs. Dass es immer noch Hemmungen gibt, den Helm abzunehmen, bestätigt Thomas Stadler. Er ist Kreisgeschäftsführer beim BRK Bad Kissingen. "Gerade bei bewusstlosen Motorradfahrern ist es wichtig, den Helm abzunehmen, um ihn in die stabile Seitenlage zu legen." Hand aufs Herz: Wer weiß noch, wie die geht? "Wir appellieren immer, an Erste Hilfe-Kurse zu denken - gerade dann, wenn man in Gruppen unterwegs ist", so Stadler.
Die Knautschzone des Bikers ist sein Nasenbein, deshalb rät Stadler allen Motorradfahrern, alles zu tragen, was an Ausrüstung zur Verfügung steht. An aller erster Stelle die Protektoren - und natürlich auch, dass niemand im Sommer auf die Idee kommt, in kurzen Hosen zu fahren. "Die Verletzungsmuster sind schlimm, da die Schutzzone wie in einem Auto wegfällt."

Kleine Check-Liste
Bremsbeläge
Mindestens zwei Millimeter, Bremsflüssigkeit auswechseln. Schwammiger Druckpunkt: Entlüften. Bremsleitungen haben ihr Verfallsdatum nach etwa sechs Jahren erreicht. Bremswirkung bei vorsichtiger Probefahrt testen.
Reifen Mindestens 1,6 Millimeter Profil.
Füllstände Motoröl, Kühlmittel und Kardanöl prüfen.
Kette Fetten
Batterie Pole und Anschlussklemmen reinigen und mit Fett vor Korrosion schützen.
Quelle: tourenfahrer.de

Sicherheitstraining: Am 6. Mai geht es um 9.30 Uhr am "Zirkus"-Platz hinterm Baumarkt Hellweg los, er dauert etwa bis 16 Uhr.
 
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  • S. K.
    Das Problem ist: Die Motorradfahrer kommen mit 160 km/h an und denken, der Traktor der vom Feldweg daher kommt, muss mich passieren lassen, er hat ja keine Vorfahrt...leider siehts in der Realität anders aus - und ne Vollbremsung hilft da auch wenig...
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  • P. K.
    Ich hab noch was vergessen. Diese depperten Motorradfahrer mit ihren Problemen bei Luftdruck, Reifenprofil, Kurvengeschwindigkeit u.s.w. sind allesamt auch Autofahrer. Als solche haben sie genau die gleichen Probleme.
    Da graust es mir echt vor diesen Gestalten weil sie als Autofahrer mit noch mehr Zerstörungspotential als auf dem Moped unterwegs sind. Wenn sie dann irgendwo einschlagen, dann fängt sie der Airbag auf. Den ungeschützten Passanten den sie beim Einschlag treffen, den mag ein gnädiger Gott auffangen.
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  • P. K.
    2016 gab es im Landkreis Bad Kissingen fünf Verkehrstote.
    Wieviele davon waren Motorradfahrer?
    Keiner, sagen die öffentlich zugänglichen Statistiken.

    Egal, Hauptsache man hat ein Bild auf Bildniveau.

    Was wahr ist, Gelegenheitsschönwetterbiker sind echt eine Gefahr für sich selbst. Ob denen ein Sicherheitstraining länger als paar Monate hilft wage ich zu bezweifeln. Die bräuchten mehr Erfahrung im täglichen überleben, nicht auf dem Spielplatz.
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