Heimatgeschichte anhand von Bierkrügen. Nur ein Beispiel, was die steinernen Gefäße dem Kenner alles verraten können - und Herbert Pfaff ist einer. Über 400 Bierkrüge hat der 62-Jährige bereits gesammelt. Spezialisiert hat sich der Bamberger auf Krüge aus seiner Geburtsstadt und aus seiner Wahlheimat Unterfranken. Viele der Brauereien, deren Namen die Krüge zieren, existieren schon seit Jahrzehnten nicht mehr.
Wie kommt man auf dieses ungewöhnliche Hobby, besonders wenn man dem gut gekühlten Gerstensaft einen edlen Tropfen aus den Steilhängen vorzieht? Pfaff lacht. Angefangen, so erzählt er, hat eigentlich alles im zarten Alter von 14 Jahren. "Schlenkerla Bamberg" steht auf dem Krug, den er damals von einem Freund geschenkt bekam. Als Pfaff 30 Jahre später per Zufall eine Tauschbörse für Bierkrüge besuchte, erinnerte er sich des Kruges und daran, dass sein Schwiegervater mehrere dieser Gefäße im Gartenhaus aufbewahrte. Die Sammelleidenschaft packte Pfaff und sollte ihn nicht mehr loslassen. Sein erster Krug hat heute natürlich einen Ehrenplatz in seiner Sammlung.
Pfaff gilt in hiesigen Sammlerkreisen als Koryphäe. Ob der Kulturoberrat des Bezirks, Sammlerfreunde aus den neuen Bundesländern oder gleich gesinnte Bierkrugfans aus Bayern - sie alle besuchen den Leiter des Sozialamtes Bad Kissingen gerne in seinem Haus in Arnshausen und lassen sich seine Schmuckstücke zeigen.
Die wertvollsten Krüge bewahrt Pfaff in seiner Küche auf. Fein säuberlich aufgereiht stehen sie auf den Hängeschränken. Auf den ersten Blick ähneln sich die Bierkrüge enorm, was auch nicht verwunderlich ist, denn die meisten von ihnen wurden in Manufakturen im Westerwald hergestellt. Doch schon beim Volumen weisen sie Unterschiede auf. Der Eichstrich, der je nach Alter mal nahe am Henkel, mal gegenüber zu finden ist, liegt nicht nur, wie heute üblich bei 0,5 oder 1,0 Litern, sondern bei 9/20, 8/20 oder 6/20.
Besonders die Schrift auf den Krügen ist ein Indiz für das Alter und damit auch für den Preis, der bis zu 1000 Mark pro Krug betragen kann. Auf den Krügen des 19. Jahrhunderts ist sie geritzt, bei denen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts emailliert. Die neuesten Krüge, so Pfaff, seien hingegen glasiert. Auch wichtig für den Preis ist der Zustand des Kruges. Gebrauchsspuren oder gar Sprünge senken ihn.
So ungewöhnlich Pfaffs Hobby auch scheint, es gibt viel Gleichgesinnte. Vergangenes Wochenende packte Pfaff wieder rund 70 Krüge in Kisten und fuhr zu einer Tauschbörse nach Zeil. Immer dabei seine persönliche "Bibel", das Brauereiverzeichnis von Unterfranken. Jeder Krug aus seiner Sammlung ist hier eingetragen, weiße Stellen würde er nur zu gerne mit seinem gelben Marker kennzeichnen. Zeichen für: "Den hab' ich".
Ganz oben auf Pfaffs Fahndungsliste stehen Krüge von der Brauerei Stolle aus Aschach, der Brauerei Benkert aus Sulzthal oder von Zwinger Bräu aus Bad Neustadt. Um die zu bekommen opfert er viel, vor allem Freizeit.
Mit glänzenden Augen denkt der Sozialamtsleiter an seinen Ruhestand, in den er nächstes Jahr gehen will. Dann will er seine Suche nach Fundstücken noch intensivieren, sehr zum Leidwesen seiner Frau, denn das Haus platzt vor lauter Krügen bereits aus allen Nähten.