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Bad Brückenau
Jan Marbergs 100 aufregende erste Tage im Bürgermeisteramt von Bad Brückenau
Gut drei Monate ist der 36-Jährige jetzt Stadtoberhaupt von Bad Brückenau. Zeit für ein erstes Resümee. Marberg blickt aber auch nach vorn.
Jan Marberg 100 Tage Bürgermeister Bad Brückenau       -  100 Tage ist Jan Marberg jetzt Bürgermeister von Bad Brückenau. Zeit für eine erste Bilanz.
Foto: Steffen Standke | 100 Tage ist Jan Marberg jetzt Bürgermeister von Bad Brückenau. Zeit für eine erste Bilanz.
Steffen Standke
 |  aktualisiert: 17.09.2024 02:41 Uhr

Ein Freund von 100-Tage-Bilanzen? Ist Jan Marberg nicht unbedingt. Vielleicht, weil man so seine eigenen Erfahrungen mit denen anderer vergleichen kann. Aber ansonsten bedeutet dieser Zeitraum dem ersten SPD-Bürgermeister von Bad Brückenau wenig. Weiß er doch, dass man erst sein Amt kennenlernen, sich einarbeiten muss, noch nicht viel gestalten kann. Aber reden schon. Im Interview berichtet der 36-Jährige, wie sich die ersten Tage angefühlt haben, welches die größte Herausforderung ist und warum er keine Sekunde bereut, Bad Brückenaus höchstes Amt angetreten zu haben.

Herr Marberg, die ersten 100 Tage Ihrer achtjährigen Amtszeit sind um. Ist die Anfangseuphorie schon verflogen?

Jan Marberg: Keineswegs. Ich empfinde das Amt zu keinem Zeitpunkt als anstrengend. Obwohl ich im Schnitt zwischen zehn und 13 Stunden am Tag arbeite. Da ist die Mittagspause schon abgezogen. Meist bin ich vor 9 Uhr im Büro im Rathaus und spaziere abends um eine ähnliche Zeit wieder heraus. Dazwischen liegen eine Vielzahl an Gesprächen und Terminen.

Also keine Ermüdungserscheinungen?

Das einzige, was ich merke, dass mir der Schlaf etwas fehlt. Es sind nur fünf bis sechs Stunden und es sollten sieben bis acht sein. Aber ich fühle mich gesund, fit und motiviert. Das ist, was die Bürgerinnen und Bürger von ihrem Stadtoberhaupt erwarten.

Wie haben sich die ersten 100 Tage für Sie angefühlt?

Auf jeden Fall nicht wie 100 Tage, sondern wie 20, weil die Zeit vergangen ist wie im Fluge. Ansonsten kann ich sagen: Wir haben viel zu tun, vielleicht zu viel, und wir haben zu wenig Geld. Aber wir haben auch Ideen sowie engagierte und motivierte Leute in der Verwaltung mit der nötigen Kompetenz.

Entspricht das Amt des Bürgermeisters den Erwartungen, die Sie im Vorfeld hatten?

Meine Vorstellungen sind in weiten Teilen eingetreten. Mir war klar, dass man ein dickes Fell, gute Ausdauer und stets einen kühlen Kopf mitbringen muss. Ich darf mich in einem solchen Amt nicht von der Hektik anstecken lassen, die an mich herangetragen wird.

Auch die schwierige Lage des Haushalts war mir vorher klar. Wir müssen das wenige zur Verfügung stehende Geld klug ausgeben. Das ist insofern wichtig, weil mit der kürzlich erfolgten Genehmigung des Haushaltes 2024 auch ein Wille zum Sparen gefordert wird - und entsprechende Taten dazu.

Haben Sie auch Dinge im neuen Amt überrascht?

Ich habe unterschätzt, mit wie vielen Altlasten sich ein neuer Bürgermeister in seinen ersten Tagen beschäftigen muss.

Was meinen Sie mit „Altlasten“?

Das sind Themen, die schon sehr lange auf unseren Schreibtischen liegen, wie zum Beispiel ein Open-Source-Projekt, für das Grabsteine fotografiert werden sollen. Aber auch die Jahresabschlüsse 2021 bis 2023 müssen noch gemacht werden. Da bin ich zusammen mit der Kämmerei dran.

Würden Sie sagen, dass Sie ein bestelltes Feld vorgefunden haben?

Das ist angesichts des krankheitsbedingten Ausscheidens meines Amtsvorgängers schwer zu beantworten. Fakt ist und das beziehe ich auch auf die Jahre vorher, dass die Bereiche Nachhaltigkeit, Umwelt und Klimaschutz liegengelassen wurden. Auch jugendpolitisch wurde wenig bis nichts unternommen. Zudem hat Bad Brückenau sein Vermarktungspotenzial nach außen noch nicht ausgenutzt. Man sieht sich hier mitunter auch zu negativ.

Wie kommen Sie denn zu der Ansicht?

Man darf nicht vergessen, dass Bad Brückenau über viele tolle Dinge verfügt: zwei Autobahnabfahrten, alle Schulen vor Ort, erträgliche Lebenshaltungskosten, eine gute medizinische Versorgung, zahlreiche ortsansässige Unternehmen. Das Einzige, was fehlt, ist wie gesagt das Geld, um das Potenzial zu nutzen und Projekte umzusetzen.

Manch einer sprach von einem Himmelfahrtskommando, das Sie da am 14. Mai übernommen haben...

Dem widerspreche ich. Ein Himmelfahrtskommando würde ja bedeuten, dass die Stadt und ich persönlich auf dem Weg ins Verderben sind. Dem ist nicht so. Ja, wir haben eine angespannte Haushaltslage, aber keine Probleme, die nicht zu bewältigen wären. Prinzipiell lässt sich alles lösen. Man muss eben schauen: Wann sind Zeit und Geld dafür da; wann ist Personal verfügbar.

Mein Ansatz ist immer: Ich will hören, wie etwas gehen kann, nicht was dagegen spricht, es zu machen. 

Im Wahlkampf haben Sie sich als Macher verkauft, der in und für Bad Brückenau gestalten will. Was können Sie nun vorweisen?

Als Macher tatsächlich noch nicht viel. Als einziges wirkliches Jan-Marberg-Projekt habe ich ein Corporate Design für die Stadt und die mit ihr verbundenen Institutionen angestoßen und beantragt. Die meisten Projekte habe ich ja übernommen, wie die Umrüstung der Straßenlaternen auf LED, die ich sehr befürworte.

Und Dinge wie der kürzlich eingeweihte Mehrgenerationenplatz an der Musikschule sind nicht mein Verdienst, sondern das der Stadträte Franziska Kaul, Heike Greenberg-Kremser und Florian Wildenauer, die beharrlich drangeblieben sind. Da kann ich mich nicht als Bürgermeister hinstellen und für etwas feiern lassen, für das ich nichts kann.

Welche Erfolge schreiben Sie sich dann auf die Fahnen?

Mein größter Erfolg ist vielleicht, dass man eine optimistischere Grundstimmung als früher merkt.  Das ist die Essenz aus viel Arbeit, aus vielen Gesprächen. Ich habe einige Akteure zusammengeführt, war Mittler zwischen Parteien. In einigen Fällen hat das gut geklappt. Es verging keine Woche ohne Vermittlung.

Haben Sie in Ihrer noch kurzen Amtszeit auch Niederlagen erlitten?

Definitiv. Ich stelle den Anspruch an mich selber, Dinge in Bewegung zu setzen. Ich dachte, es gelingt mir, kleinere Vorhaben umzusetzen, wie ein Tourismuskonzept mit klarerer Ausrichtung für die Stadt in den Haushalt einzubringen. Das wäre wichtig, um eine andere Außendarstellung und einen neuen Markenkern für die Stadt zu erreichen, als Aufbruch in die Zukunft und Auftakt für einen Imagewechsel. Aus Gründen der finanziellen Vernunft mussten wir das zurückstellen. 

Es gab auch Vermittlungsversuche, die nicht klappten. Aber daraus lernt man, vielleicht doch zu einem späteren Zeitpunkt zu einer Lösung zu kommen. Auch gibt es Tage, an denen einem Undank entgegenschlägt. Aber das muss man am Abend abstreifen und am nächsten Morgen wieder unvoreingenommen in die Arbeit gehen. Ich nehme die Themen nicht mit in den Schlaf und hoffe, das bleibt so.

Fühlt sich eigentlich der Job als Bürgermeister anders an als früher der als Bibliotheks- und Kulturamtsleiter?

Auf jeden Fall. Ich bin als Beamter auf Zeit mit einer privilegierten Funktion gesegnet. Ich habe viel mehr Verantwortung und Entscheidungsbefugnis, mehr Gestaltungsmöglichkeiten als als Angestellter. Früher musste ich mit einem Projekt zu meinem Vorgesetzten gehen, es ihm vorstellen und auf seine Zustimmung hoffen. Jetzt kann ich vieles selbst lenken und entscheiden. Das ist ein großer Unterschied und macht die Abläufe viel schneller.

Ich bereue nullkommanull, in dieser Position zu sitzen. Zu keiner Sekunde habe ich gedacht: Ich wäre lieber in meinem alten Job. Aber: Trotzdem bin ich kein besserer oder schlechterer Mensch als vorher.

Wie stellen Sie sich ihre nächsten 100 Tage als Brückenauer Bürgermeister vor?

100 Tage oder ein Jahr: Es gibt viel zu tun, vielleicht zu viel zur selben Zeit. Meine Aufgabe und die meines Teams wird sein, uns so zu sortieren, dass wir 2025 gut aufgestellt sind: personell, finanziell, perspektivisch. Bei den Finanzen werden wir weiter mit Augenmaß vorgehen müssen, können keine große Brötchen backen.

Es wird viel Bürgerbeteiligung geben im nächsten Jahr, zum Beispiel bei einem Ideenwettbewerb zum stillgelegten Weikardbrunnen im Georgipark.

Wird man auch mehr vom Macher Marberg sehen?

Ja, das ist der Anspruch und genau dafür bin ich letztlich angetreten. Wir wollen etwas schaffen und die Stadt in Bewegung versetzen. Ich möchte kleinere Projekte realisieren; am Ninja-Parcours bin ich weiter dran. Es ist aber auch toll, was bereits jetzt im Hintergrund passiert und was an Mitarbeit und Teilhabe von Bürgerinnen und Bürgern an uns herangetragen wird. Das stimmt mich sehr zuversichtlich.

 
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